Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.Der Wirtschaftsbetrieb des Staates. niemand entziehen kann und welches durch keine Konkurrenz geschwächt wird; Minder glücklich als mit dem Erwerb der Bahnen ist der Reichskanzler Der Wirtschaftsbetrieb des Staates. niemand entziehen kann und welches durch keine Konkurrenz geschwächt wird; Minder glücklich als mit dem Erwerb der Bahnen ist der Reichskanzler <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0077" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156348"/> <fw type="header" place="top"> Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.</fw><lb/> <p xml:id="ID_249" prev="#ID_248"> niemand entziehen kann und welches durch keine Konkurrenz geschwächt wird;<lb/> ganz davon zu schweigen, daß die konkurrirenden Linien auch durch Verständigung<lb/> untereinander die Wirkung der Konkurrenz beseitigen können. Ein Monopol<lb/> wird stets besser in der Hand des Staates liegen als in der Hand von<lb/> Privaten. Der Staat ist in der Lage, seine Verwaltung in erster Linie,<lb/> statt durch bloße finanzielle Interessen, durch die öffentliche Wohlfahrt bestimmen<lb/> zu lassen. Und wenn er, wie wir hoffen dürfen, dies auch bei den Eisenbahnen<lb/> thut, so bekommt damit dieser wichtigste Faktor unsrer Volkswohlfahrt einen<lb/> ganz andern Charakter. Welche Bedeutung zugleich die „Verstaatlichung" für die<lb/> Verteidigung unsers Vaterlandes in einem Kriegsfalle zu üben geeignet sei,<lb/> darüber sind wir vor einiger Zeit erst von einem französischen Parlamentarier<lb/> belehrt worden. Auch die Beamten der Bahnen werden — abgesehen vielleicht<lb/> von den reichdotirten Spitzen der Privatvcrwaltungen — sich schließlich besser<lb/> und sicherer gestellt fühlen im Dienste des Staates als im Dienste einer<lb/> Gesellschaft. Gelingt es dem gegenwärtigen Leiter des preußischen StaatSbahn-<lb/> wesens, in seiner Verwaltung zugleich eine feste Tradition dahin zu begründen,<lb/> daß die mit dem Besitze fast sämtlicher Eisenbahnen verbundene reiche Macht¬<lb/> fülle, Wohlthaten zu gewähren und zu versagen, stets nur nach objektiven<lb/> Gründen im Sinne einer vollkommnen MMig. äistridutivg, geübt werde, dann<lb/> wird vollends kein Zweifel mehr sein, daß in der „Verstaatlichung" der Bahnen<lb/> ein für Deutschland segensreicher Schritt geschehen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_250" next="#ID_251"> Minder glücklich als mit dem Erwerb der Bahnen ist der Reichskanzler<lb/> mit einem andern von ihm lebhaft vertretenen Plane gewesen: dem Erwerbe<lb/> des Tabaksmonopols. Selbstverständlich lag diesem Plane nicht der Gedanke<lb/> einer bessern Gütererzeugung, sondern der Nutzbarmachung eines Gewerbes für<lb/> die Reichsfinauzen zugrunde. Daß der Tabak, ein Genußmittel, dessen Wert<lb/> nur auf einer für die meisten mit Mühe erworbenen Angewöhnung beruht, sich<lb/> mehr als irgendein andrer Gegenstand zu einer hohen Besteuerung eignet, kann<lb/> füglich nicht bezweifelt werden. Nur setzt derselbe den gewöhnlichen Formen<lb/> der Besteuerung die Schwierigkeit entgegen, daß die außerordentlich große Ver¬<lb/> schiedenheit seines dnrch die innere Güte der Fabrikate bestimmten Wertes von<lb/> der Steuer nicht getroffen werden kann. Der geringe Raucher wird deshalb<lb/> ebenso hoch besteuert wie der Luxusraucher. Diesem Mißstände läßt sich nur<lb/> begegnen, wenn die Steuer im Wege des Monopols erhoben wird. Der Gedanke,<lb/> den Tabak vorzugsweise zur Steuer heranzuziehen, war auch durchaus nicht<lb/> neu. Bereits im Norddeutschen Reichstage am 30. September 1867 sprach<lb/> diesen Gedanken der Abgeordnete Grundrecht, ein Mann, dem es stets nur um<lb/> die Sache zu thun war, offen aus; wodurch er freilich schon damals „große<lb/> Unruhe" im Hause erregte und einen Protest von der linken Seite des Hauses<lb/> hervorrief. Ebenso trat der leider früh verstorbene Abgeordnete Graf Renard<lb/> bereits am 21. Mai 1869 offen mit dem Gedanken des Tabaksmonopols</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0077]
Der Wirtschaftsbetrieb des Staates.
niemand entziehen kann und welches durch keine Konkurrenz geschwächt wird;
ganz davon zu schweigen, daß die konkurrirenden Linien auch durch Verständigung
untereinander die Wirkung der Konkurrenz beseitigen können. Ein Monopol
wird stets besser in der Hand des Staates liegen als in der Hand von
Privaten. Der Staat ist in der Lage, seine Verwaltung in erster Linie,
statt durch bloße finanzielle Interessen, durch die öffentliche Wohlfahrt bestimmen
zu lassen. Und wenn er, wie wir hoffen dürfen, dies auch bei den Eisenbahnen
thut, so bekommt damit dieser wichtigste Faktor unsrer Volkswohlfahrt einen
ganz andern Charakter. Welche Bedeutung zugleich die „Verstaatlichung" für die
Verteidigung unsers Vaterlandes in einem Kriegsfalle zu üben geeignet sei,
darüber sind wir vor einiger Zeit erst von einem französischen Parlamentarier
belehrt worden. Auch die Beamten der Bahnen werden — abgesehen vielleicht
von den reichdotirten Spitzen der Privatvcrwaltungen — sich schließlich besser
und sicherer gestellt fühlen im Dienste des Staates als im Dienste einer
Gesellschaft. Gelingt es dem gegenwärtigen Leiter des preußischen StaatSbahn-
wesens, in seiner Verwaltung zugleich eine feste Tradition dahin zu begründen,
daß die mit dem Besitze fast sämtlicher Eisenbahnen verbundene reiche Macht¬
fülle, Wohlthaten zu gewähren und zu versagen, stets nur nach objektiven
Gründen im Sinne einer vollkommnen MMig. äistridutivg, geübt werde, dann
wird vollends kein Zweifel mehr sein, daß in der „Verstaatlichung" der Bahnen
ein für Deutschland segensreicher Schritt geschehen ist.
Minder glücklich als mit dem Erwerb der Bahnen ist der Reichskanzler
mit einem andern von ihm lebhaft vertretenen Plane gewesen: dem Erwerbe
des Tabaksmonopols. Selbstverständlich lag diesem Plane nicht der Gedanke
einer bessern Gütererzeugung, sondern der Nutzbarmachung eines Gewerbes für
die Reichsfinauzen zugrunde. Daß der Tabak, ein Genußmittel, dessen Wert
nur auf einer für die meisten mit Mühe erworbenen Angewöhnung beruht, sich
mehr als irgendein andrer Gegenstand zu einer hohen Besteuerung eignet, kann
füglich nicht bezweifelt werden. Nur setzt derselbe den gewöhnlichen Formen
der Besteuerung die Schwierigkeit entgegen, daß die außerordentlich große Ver¬
schiedenheit seines dnrch die innere Güte der Fabrikate bestimmten Wertes von
der Steuer nicht getroffen werden kann. Der geringe Raucher wird deshalb
ebenso hoch besteuert wie der Luxusraucher. Diesem Mißstände läßt sich nur
begegnen, wenn die Steuer im Wege des Monopols erhoben wird. Der Gedanke,
den Tabak vorzugsweise zur Steuer heranzuziehen, war auch durchaus nicht
neu. Bereits im Norddeutschen Reichstage am 30. September 1867 sprach
diesen Gedanken der Abgeordnete Grundrecht, ein Mann, dem es stets nur um
die Sache zu thun war, offen aus; wodurch er freilich schon damals „große
Unruhe" im Hause erregte und einen Protest von der linken Seite des Hauses
hervorrief. Ebenso trat der leider früh verstorbene Abgeordnete Graf Renard
bereits am 21. Mai 1869 offen mit dem Gedanken des Tabaksmonopols
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