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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Künste der Fälscher.

sagt dieser ihm trocken: "Das hätten Sie näher haben können, denn den Küraß
des Ritters von Chateauguyon, der bei Granson fiel, mache ja ich und ver¬
kaufe ihn für 100 Franks an Amerikaner."

Das große Geschäft mit Stradivaris und Gnarneris soll noch kein Jahr¬
hundert alt sein. Bis dahin ist jede braune Geige auf Jakob Steiner und jede
goldgelbe auf Amati getauft worden. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
konzertirte Viotti in Paris auf einer Stradivarius und lenkte dadurch die Auf¬
merksamkeit auf den Cremoneser, aber erst etwa 1830 brachte der Händler
Tarisio, welcher Italien zu Fuß durchwanderte, die Stradivari, Guarneri und
Bcrgonzi förmlich in die Möve. Man fing an, Cremoneser Instrumente zu
sammeln, und sofort waren gefällige Leute bei der Hand, um den Parisern
Geigen, Bratschen und Baßgeigen aus Cremona zu liefern, soviel ihr Herz be¬
gehrte. Die Fälschungen wurden so vortrefflich ausgeführt, daß die Händler
mit Musikinstrumenten jedes echte Stück, welches ihnen in die Hände geriet,
mit einer Etiquette versahen. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß die
Fälscher sich auch diese aneigneten.

Am weitesten in der Nachahmung brachte es Vuillaume in Paris (f 1873),
der aus einer alten Geige zwei machte. Von ihm hat sich, wie man erzählt,
sogar Pciganini mystifiziren lassen. Der Künstler hatte Vnillaume eine Guarneri
zur Reparatur anvertraut und erhielt eine Kopie zurück, ohne den Tausch ge¬
wahr zu werden, bis der Fabrikant ihm denselben enthüllte. Vuillaume sah
auch voraus, daß man dereinst seine Instrumente suchen werde, und um diese
von andern falschen Cremonesern zu unterscheiden, brachte er an einer unauf¬
fälligen Stelle seinen Namenszug an.

Nicolas Lupot war wohl bestrebt, so gut zu arbeiten, wie seine Vorbilder,
hat aber niemals zu täuschen versucht, außer in einem Falle, welcher mit dem
von Vasari berichteten Schachzuge Michelangelos gegen einen Bewunderer
der Antike Ähnlichkeit hat. Ein Händler hatte sich gerühmt, einen untrüglichen
Blick für echt und falsch zu besitzen. Lupot baute eine schöne Stradivari,
spielte sie durch Vermittelung eines Dritten jenem in die Hände, und über¬
führte ihn nach einiger Zeit mit Hilfe der Patrone, welche aufs genaueste an
den Umriß der Geige paßte.

Gegen Täuschung sicher kann nach Eudels Ansicht sich nnr derjenige
fühlen, der einigen Unterricht im Geigenmachen genommen hat und außerdem
die Etiquetteu genau kennt.




Die Künste der Fälscher.

sagt dieser ihm trocken: „Das hätten Sie näher haben können, denn den Küraß
des Ritters von Chateauguyon, der bei Granson fiel, mache ja ich und ver¬
kaufe ihn für 100 Franks an Amerikaner."

Das große Geschäft mit Stradivaris und Gnarneris soll noch kein Jahr¬
hundert alt sein. Bis dahin ist jede braune Geige auf Jakob Steiner und jede
goldgelbe auf Amati getauft worden. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
konzertirte Viotti in Paris auf einer Stradivarius und lenkte dadurch die Auf¬
merksamkeit auf den Cremoneser, aber erst etwa 1830 brachte der Händler
Tarisio, welcher Italien zu Fuß durchwanderte, die Stradivari, Guarneri und
Bcrgonzi förmlich in die Möve. Man fing an, Cremoneser Instrumente zu
sammeln, und sofort waren gefällige Leute bei der Hand, um den Parisern
Geigen, Bratschen und Baßgeigen aus Cremona zu liefern, soviel ihr Herz be¬
gehrte. Die Fälschungen wurden so vortrefflich ausgeführt, daß die Händler
mit Musikinstrumenten jedes echte Stück, welches ihnen in die Hände geriet,
mit einer Etiquette versahen. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß die
Fälscher sich auch diese aneigneten.

Am weitesten in der Nachahmung brachte es Vuillaume in Paris (f 1873),
der aus einer alten Geige zwei machte. Von ihm hat sich, wie man erzählt,
sogar Pciganini mystifiziren lassen. Der Künstler hatte Vnillaume eine Guarneri
zur Reparatur anvertraut und erhielt eine Kopie zurück, ohne den Tausch ge¬
wahr zu werden, bis der Fabrikant ihm denselben enthüllte. Vuillaume sah
auch voraus, daß man dereinst seine Instrumente suchen werde, und um diese
von andern falschen Cremonesern zu unterscheiden, brachte er an einer unauf¬
fälligen Stelle seinen Namenszug an.

Nicolas Lupot war wohl bestrebt, so gut zu arbeiten, wie seine Vorbilder,
hat aber niemals zu täuschen versucht, außer in einem Falle, welcher mit dem
von Vasari berichteten Schachzuge Michelangelos gegen einen Bewunderer
der Antike Ähnlichkeit hat. Ein Händler hatte sich gerühmt, einen untrüglichen
Blick für echt und falsch zu besitzen. Lupot baute eine schöne Stradivari,
spielte sie durch Vermittelung eines Dritten jenem in die Hände, und über¬
führte ihn nach einiger Zeit mit Hilfe der Patrone, welche aufs genaueste an
den Umriß der Geige paßte.

Gegen Täuschung sicher kann nach Eudels Ansicht sich nnr derjenige
fühlen, der einigen Unterricht im Geigenmachen genommen hat und außerdem
die Etiquetteu genau kennt.




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[0618] Die Künste der Fälscher. sagt dieser ihm trocken: „Das hätten Sie näher haben können, denn den Küraß des Ritters von Chateauguyon, der bei Granson fiel, mache ja ich und ver¬ kaufe ihn für 100 Franks an Amerikaner." Das große Geschäft mit Stradivaris und Gnarneris soll noch kein Jahr¬ hundert alt sein. Bis dahin ist jede braune Geige auf Jakob Steiner und jede goldgelbe auf Amati getauft worden. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts konzertirte Viotti in Paris auf einer Stradivarius und lenkte dadurch die Auf¬ merksamkeit auf den Cremoneser, aber erst etwa 1830 brachte der Händler Tarisio, welcher Italien zu Fuß durchwanderte, die Stradivari, Guarneri und Bcrgonzi förmlich in die Möve. Man fing an, Cremoneser Instrumente zu sammeln, und sofort waren gefällige Leute bei der Hand, um den Parisern Geigen, Bratschen und Baßgeigen aus Cremona zu liefern, soviel ihr Herz be¬ gehrte. Die Fälschungen wurden so vortrefflich ausgeführt, daß die Händler mit Musikinstrumenten jedes echte Stück, welches ihnen in die Hände geriet, mit einer Etiquette versahen. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß die Fälscher sich auch diese aneigneten. Am weitesten in der Nachahmung brachte es Vuillaume in Paris (f 1873), der aus einer alten Geige zwei machte. Von ihm hat sich, wie man erzählt, sogar Pciganini mystifiziren lassen. Der Künstler hatte Vnillaume eine Guarneri zur Reparatur anvertraut und erhielt eine Kopie zurück, ohne den Tausch ge¬ wahr zu werden, bis der Fabrikant ihm denselben enthüllte. Vuillaume sah auch voraus, daß man dereinst seine Instrumente suchen werde, und um diese von andern falschen Cremonesern zu unterscheiden, brachte er an einer unauf¬ fälligen Stelle seinen Namenszug an. Nicolas Lupot war wohl bestrebt, so gut zu arbeiten, wie seine Vorbilder, hat aber niemals zu täuschen versucht, außer in einem Falle, welcher mit dem von Vasari berichteten Schachzuge Michelangelos gegen einen Bewunderer der Antike Ähnlichkeit hat. Ein Händler hatte sich gerühmt, einen untrüglichen Blick für echt und falsch zu besitzen. Lupot baute eine schöne Stradivari, spielte sie durch Vermittelung eines Dritten jenem in die Hände, und über¬ führte ihn nach einiger Zeit mit Hilfe der Patrone, welche aufs genaueste an den Umriß der Geige paßte. Gegen Täuschung sicher kann nach Eudels Ansicht sich nnr derjenige fühlen, der einigen Unterricht im Geigenmachen genommen hat und außerdem die Etiquetteu genau kennt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/618>, abgerufen am 28.09.2024.