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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Lnget auf Grden,

Thür, welche in das benachbarte, von Paris Freunde bewohnte Zinnner führte,
erschien der rote Bart und die große Gestalt von Josef Devannis.

Haben Sie keine Furcht, Frau Rinn, sagte er, ich bin es.




17.

Josef Devannis hatte den besten Willen gehabt, einzuschlafen. Aber ver¬
geblich. Vielleicht war es die Unruhe über die Gefahr, welche seinem einzigen
Freunde drohte, vielleicht die Elektrizität der Gewitterluft, welche seine Nerven
überreizte. Er warf sich ruhelos im Bette hin und her, als er mit einemmale
in demi benachbarten Zimmer Rinas die Tone von aufgeregten Stimmen hörte,
darunter auch die von Guido. Er richtete sich in seinem Bette auf und spitzte
die Ohren.

Dann fuhr er plötzlich in die Höhe und warf sich rasch in die Kleider. Er
hatte Mcmdozzis gebieterische und drohende Stimme erkannt.

Dieser Mensch bei Frau Nina! dachte er, während er sich ankleidete. Was
steckt denn dahinter? Sicher führt der Schurke irgendein Unheil im Schilde.
Ich will den Kerl schon kriegen!

Seine Absicht war, in den Korridor zu gehen und durch die Thür, welche
von dort in Rinas Zimmer führte, einzudringen. Er hatte schon die Hand an
das Thürschloß gelegt, als er stehen blieb und sich eines andern besann.

Sachte, sachte! sagte er sich. Wir wollen doch abwarten, damit wir nicht
eine Voreiligkeit begehen. Wie hat sich dieser Mensch zu dieser Stunde bei der
Frau Nina eingeschlichen? Mit Gewalt nicht, denn ich würde etwas gehört
haben, und die Frau würde in solchem Falle um Hilfe gerufen haben. Sie
weiß ja, daß ich hier dicht nebenan logire. Die Zusammenkunft muß also doch
einen Grund haben. Was zum Teufel können dieser Abenteurer und diese Fran
miteinander gemein haben?

Er horchte an der Thür. Schon bei den ersten Worten, die er hörte,
war er im höchsten Grade überrascht, und sein Interesse stieg von Minute zu
Minute, sodaß er in seiner Stellung verblieb, bis das Gespräch zu Ende war
und Mcmdozzi sich entfernt halte. Dann aber stemmte er, ohne weiter darüber
nachzudenken, seine breiten Schultern gegen die Thürflügel, das Schloß sprang
auf, und er erschien vor den Augen der erschrockenen Rina.

Josef entfernte die Möbel, welche seinen Eintritt hinderten, und ging Nina
entgegen.

Frau Rudel, sagte er, ich glaube, es ist nicht an der Zeit, Entschul¬
digungen zu machen oder sich in Komplimente zu verlieren. Ich weiß nicht,
ob ich Unrecht gethan habe, aber ich habe, von den Stimmen, die ich hörte,
aufmerksam gemacht, alles gehört und verstanden. Es ist ganz unmöglich, daß
Sie diesem Menschen folgen und mit ihm leben; es ist moralisch und materiell
unmöglich, und ich komme, um es zu verhindern. Ich stelle mich ganz und
gar zu Ihrer Verfügung. Was wollen Sie, daß ich thun soll?

Rina sah ihn mit ihrem sanften und ergebenen Blicke an. Nichts, ant¬
wortete sie. Ich unterwerfe mich der harten Prüfung, welche das Schicksal mir
auferlegt.

Josef ergriff mit freundschaftlicher Vertraulichkeit ihre Hände. Hören Sie


Die Lnget auf Grden,

Thür, welche in das benachbarte, von Paris Freunde bewohnte Zinnner führte,
erschien der rote Bart und die große Gestalt von Josef Devannis.

Haben Sie keine Furcht, Frau Rinn, sagte er, ich bin es.




17.

Josef Devannis hatte den besten Willen gehabt, einzuschlafen. Aber ver¬
geblich. Vielleicht war es die Unruhe über die Gefahr, welche seinem einzigen
Freunde drohte, vielleicht die Elektrizität der Gewitterluft, welche seine Nerven
überreizte. Er warf sich ruhelos im Bette hin und her, als er mit einemmale
in demi benachbarten Zimmer Rinas die Tone von aufgeregten Stimmen hörte,
darunter auch die von Guido. Er richtete sich in seinem Bette auf und spitzte
die Ohren.

Dann fuhr er plötzlich in die Höhe und warf sich rasch in die Kleider. Er
hatte Mcmdozzis gebieterische und drohende Stimme erkannt.

Dieser Mensch bei Frau Nina! dachte er, während er sich ankleidete. Was
steckt denn dahinter? Sicher führt der Schurke irgendein Unheil im Schilde.
Ich will den Kerl schon kriegen!

Seine Absicht war, in den Korridor zu gehen und durch die Thür, welche
von dort in Rinas Zimmer führte, einzudringen. Er hatte schon die Hand an
das Thürschloß gelegt, als er stehen blieb und sich eines andern besann.

Sachte, sachte! sagte er sich. Wir wollen doch abwarten, damit wir nicht
eine Voreiligkeit begehen. Wie hat sich dieser Mensch zu dieser Stunde bei der
Frau Nina eingeschlichen? Mit Gewalt nicht, denn ich würde etwas gehört
haben, und die Frau würde in solchem Falle um Hilfe gerufen haben. Sie
weiß ja, daß ich hier dicht nebenan logire. Die Zusammenkunft muß also doch
einen Grund haben. Was zum Teufel können dieser Abenteurer und diese Fran
miteinander gemein haben?

Er horchte an der Thür. Schon bei den ersten Worten, die er hörte,
war er im höchsten Grade überrascht, und sein Interesse stieg von Minute zu
Minute, sodaß er in seiner Stellung verblieb, bis das Gespräch zu Ende war
und Mcmdozzi sich entfernt halte. Dann aber stemmte er, ohne weiter darüber
nachzudenken, seine breiten Schultern gegen die Thürflügel, das Schloß sprang
auf, und er erschien vor den Augen der erschrockenen Rina.

Josef entfernte die Möbel, welche seinen Eintritt hinderten, und ging Nina
entgegen.

Frau Rudel, sagte er, ich glaube, es ist nicht an der Zeit, Entschul¬
digungen zu machen oder sich in Komplimente zu verlieren. Ich weiß nicht,
ob ich Unrecht gethan habe, aber ich habe, von den Stimmen, die ich hörte,
aufmerksam gemacht, alles gehört und verstanden. Es ist ganz unmöglich, daß
Sie diesem Menschen folgen und mit ihm leben; es ist moralisch und materiell
unmöglich, und ich komme, um es zu verhindern. Ich stelle mich ganz und
gar zu Ihrer Verfügung. Was wollen Sie, daß ich thun soll?

Rina sah ihn mit ihrem sanften und ergebenen Blicke an. Nichts, ant¬
wortete sie. Ich unterwerfe mich der harten Prüfung, welche das Schicksal mir
auferlegt.

Josef ergriff mit freundschaftlicher Vertraulichkeit ihre Hände. Hören Sie


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[0581] Die Lnget auf Grden, Thür, welche in das benachbarte, von Paris Freunde bewohnte Zinnner führte, erschien der rote Bart und die große Gestalt von Josef Devannis. Haben Sie keine Furcht, Frau Rinn, sagte er, ich bin es. 17. Josef Devannis hatte den besten Willen gehabt, einzuschlafen. Aber ver¬ geblich. Vielleicht war es die Unruhe über die Gefahr, welche seinem einzigen Freunde drohte, vielleicht die Elektrizität der Gewitterluft, welche seine Nerven überreizte. Er warf sich ruhelos im Bette hin und her, als er mit einemmale in demi benachbarten Zimmer Rinas die Tone von aufgeregten Stimmen hörte, darunter auch die von Guido. Er richtete sich in seinem Bette auf und spitzte die Ohren. Dann fuhr er plötzlich in die Höhe und warf sich rasch in die Kleider. Er hatte Mcmdozzis gebieterische und drohende Stimme erkannt. Dieser Mensch bei Frau Nina! dachte er, während er sich ankleidete. Was steckt denn dahinter? Sicher führt der Schurke irgendein Unheil im Schilde. Ich will den Kerl schon kriegen! Seine Absicht war, in den Korridor zu gehen und durch die Thür, welche von dort in Rinas Zimmer führte, einzudringen. Er hatte schon die Hand an das Thürschloß gelegt, als er stehen blieb und sich eines andern besann. Sachte, sachte! sagte er sich. Wir wollen doch abwarten, damit wir nicht eine Voreiligkeit begehen. Wie hat sich dieser Mensch zu dieser Stunde bei der Frau Nina eingeschlichen? Mit Gewalt nicht, denn ich würde etwas gehört haben, und die Frau würde in solchem Falle um Hilfe gerufen haben. Sie weiß ja, daß ich hier dicht nebenan logire. Die Zusammenkunft muß also doch einen Grund haben. Was zum Teufel können dieser Abenteurer und diese Fran miteinander gemein haben? Er horchte an der Thür. Schon bei den ersten Worten, die er hörte, war er im höchsten Grade überrascht, und sein Interesse stieg von Minute zu Minute, sodaß er in seiner Stellung verblieb, bis das Gespräch zu Ende war und Mcmdozzi sich entfernt halte. Dann aber stemmte er, ohne weiter darüber nachzudenken, seine breiten Schultern gegen die Thürflügel, das Schloß sprang auf, und er erschien vor den Augen der erschrockenen Rina. Josef entfernte die Möbel, welche seinen Eintritt hinderten, und ging Nina entgegen. Frau Rudel, sagte er, ich glaube, es ist nicht an der Zeit, Entschul¬ digungen zu machen oder sich in Komplimente zu verlieren. Ich weiß nicht, ob ich Unrecht gethan habe, aber ich habe, von den Stimmen, die ich hörte, aufmerksam gemacht, alles gehört und verstanden. Es ist ganz unmöglich, daß Sie diesem Menschen folgen und mit ihm leben; es ist moralisch und materiell unmöglich, und ich komme, um es zu verhindern. Ich stelle mich ganz und gar zu Ihrer Verfügung. Was wollen Sie, daß ich thun soll? Rina sah ihn mit ihrem sanften und ergebenen Blicke an. Nichts, ant¬ wortete sie. Ich unterwerfe mich der harten Prüfung, welche das Schicksal mir auferlegt. Josef ergriff mit freundschaftlicher Vertraulichkeit ihre Hände. Hören Sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/581>, abgerufen am 27.09.2024.