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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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<Lin Beitrag zur Grundsteuerfrage.

werden und durch seine Bebauung den Grundstock für das ganze nationale
Wirtschaftsleben darbieten; die Belastung ist auch da und wird bitter als eine
schwere, hie und da unerträgliche empfunden, ob der jetzige Besitzer nun so und
soviel Kaufpreis weniger bezahlt hat oder nicht. Wenn also das öffentliche
Gedeihen verlangt, daß die Belastung des Grundbesitzes verringert werde, so ist
dies doch wahrhaftig Grund genug, diese Verringerung eintreten zu lassen,
denn als man einen Teil des Grundbesitzeigentums konfiszirte, hatte man
dazu doch auch keinen andern Anlaß, als wirkliche oder angebliche Forderungen
des öffentlichen Gedeihens. Man glaubte damals, lieber den Grundbesitz belasten,
bez. die zum Teil schon bestehende Belastung verallgemeinern zu sollen, um nicht
zu einer Erhöhung sonstiger Steuern oder zur Einführung neuer schreiten zu
müssen; heute haben wir andre Grundsätze der Steuerpolitik gewonnen, halten
es weder für gerecht noch für sozialpolitisch zweckmäßig, den Handel, das mobile
Kapital und das Börsengeschäft zu Ungunsten des Grundbesitzes möglichst frei
zu lassen, sondern glauben jene Faktoren stärker belasten und diesen bis auf
Herbeiführung eines billigen Verhältnisses entlasten zu sollen; was soll dabei
merkwürdiges oder verwerfliches sein? Es kommt nur darauf an, daß man
nicht immer nur an die einzelnen, zumal die großen Besitzer, sondern an das
kultivirte Grundeigentum als solches, als wesentlichsten Teil unsers nationalen
Reichtums denkt. Wo von Handel und Großkapital die Rede ist, da allerdings
befolgen auch die Herren Fortschrittler diese Regel und werden sehr böse, wenn
man auf einzelne Fälle, z. B. auf kolossale Börsengewinne, exemplifiziren will;
man müsse das Ganze und nur das Ganze im Auge haben. Dieselben Herren
aber wissen, sobald von" Grundbesitz die Rede ist, nichts eiligeres zu thun, als
auf die Verhältnisse von ein paar großen Grundherren zu exemplifiziren, und
lediglich dadurch ist es ihnen gelungen, die Vorstellung voll der Ungerechtigkeit
einer Aufhebung oder Ermäßigung der Grundsteuer in weiten Kreisen zu ver¬
breiten. Sobald man sich sagt: dem Grundbesitz als Ganzem ist sie auferlegt
worden, dein Grundbesitz als Ganzem soll sie wieder abgenommen oder er¬
leichtert werden, verschwindet die angebliche Unbilligkeit völlig.

Aber es giebt noch andre Gesichtspunkte, unter denen die Auffassung der
Gegner bis in ihre letzten Schlupfwinkel verfolgt werden kann. Zunächst wird
doch gewiß jeder Billigdenkende anerkennen, daß, wenn es auch bei alledem
etwas bedenkliches haben mag, jemandem die Grundsteuer ganz oder teilweise
zu erlassen, der den Besitz wegen der darauf lastenden Steuer umsoviel billiger
gekauft hat, dieser Puukt doch gänzlich in Wegfall kommt in denjenigen Füllen,
wo der damalige Eigentümer noch lebt und im Besitze ist, oder wo seine Erben noch
die Besitzer des betreffenden Grundstückes sind. Unmöglich kann darin etwas
besondres gefunden werden, wenn eine Konfiskation zu Gunsten dessen, den sie
betroffen hat, wieder aufgehoben wird. Nun behaupten wir aber, daß die
Menge des solcherweise im damaligen Besitze noch erhaltenen oder im ordent-


<Lin Beitrag zur Grundsteuerfrage.

werden und durch seine Bebauung den Grundstock für das ganze nationale
Wirtschaftsleben darbieten; die Belastung ist auch da und wird bitter als eine
schwere, hie und da unerträgliche empfunden, ob der jetzige Besitzer nun so und
soviel Kaufpreis weniger bezahlt hat oder nicht. Wenn also das öffentliche
Gedeihen verlangt, daß die Belastung des Grundbesitzes verringert werde, so ist
dies doch wahrhaftig Grund genug, diese Verringerung eintreten zu lassen,
denn als man einen Teil des Grundbesitzeigentums konfiszirte, hatte man
dazu doch auch keinen andern Anlaß, als wirkliche oder angebliche Forderungen
des öffentlichen Gedeihens. Man glaubte damals, lieber den Grundbesitz belasten,
bez. die zum Teil schon bestehende Belastung verallgemeinern zu sollen, um nicht
zu einer Erhöhung sonstiger Steuern oder zur Einführung neuer schreiten zu
müssen; heute haben wir andre Grundsätze der Steuerpolitik gewonnen, halten
es weder für gerecht noch für sozialpolitisch zweckmäßig, den Handel, das mobile
Kapital und das Börsengeschäft zu Ungunsten des Grundbesitzes möglichst frei
zu lassen, sondern glauben jene Faktoren stärker belasten und diesen bis auf
Herbeiführung eines billigen Verhältnisses entlasten zu sollen; was soll dabei
merkwürdiges oder verwerfliches sein? Es kommt nur darauf an, daß man
nicht immer nur an die einzelnen, zumal die großen Besitzer, sondern an das
kultivirte Grundeigentum als solches, als wesentlichsten Teil unsers nationalen
Reichtums denkt. Wo von Handel und Großkapital die Rede ist, da allerdings
befolgen auch die Herren Fortschrittler diese Regel und werden sehr böse, wenn
man auf einzelne Fälle, z. B. auf kolossale Börsengewinne, exemplifiziren will;
man müsse das Ganze und nur das Ganze im Auge haben. Dieselben Herren
aber wissen, sobald von« Grundbesitz die Rede ist, nichts eiligeres zu thun, als
auf die Verhältnisse von ein paar großen Grundherren zu exemplifiziren, und
lediglich dadurch ist es ihnen gelungen, die Vorstellung voll der Ungerechtigkeit
einer Aufhebung oder Ermäßigung der Grundsteuer in weiten Kreisen zu ver¬
breiten. Sobald man sich sagt: dem Grundbesitz als Ganzem ist sie auferlegt
worden, dein Grundbesitz als Ganzem soll sie wieder abgenommen oder er¬
leichtert werden, verschwindet die angebliche Unbilligkeit völlig.

Aber es giebt noch andre Gesichtspunkte, unter denen die Auffassung der
Gegner bis in ihre letzten Schlupfwinkel verfolgt werden kann. Zunächst wird
doch gewiß jeder Billigdenkende anerkennen, daß, wenn es auch bei alledem
etwas bedenkliches haben mag, jemandem die Grundsteuer ganz oder teilweise
zu erlassen, der den Besitz wegen der darauf lastenden Steuer umsoviel billiger
gekauft hat, dieser Puukt doch gänzlich in Wegfall kommt in denjenigen Füllen,
wo der damalige Eigentümer noch lebt und im Besitze ist, oder wo seine Erben noch
die Besitzer des betreffenden Grundstückes sind. Unmöglich kann darin etwas
besondres gefunden werden, wenn eine Konfiskation zu Gunsten dessen, den sie
betroffen hat, wieder aufgehoben wird. Nun behaupten wir aber, daß die
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/560>, abgerufen am 27.09.2024.