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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Englische Politik und deutsche Interessen.

der Donaufürsteutiimer gezeigt habe, welche zum Krimkriege führten. Ähnliches
ließ der englische Minister in Wien vorstellen, hier wie dort vergebens, und
nun dachte Russell an Gewaltmittel. Aber Frankreich, das sich dabei mit ihm
verbinden sollte, lehnte seinen Antrag auf "eventuelles Zusammenwirken zur
Unterstützung Dänemarks in seinein Widerstande gegen eine Zerstückelung" ab,
indem Napoleon u. a. geltend machte: "Es wäre verhältnismäßig leicht für
England, einen solchen Krieg zu führen, der sich auf Operationen zur See,
auf Blokade und Wegnahme von Schiffen beschränken würde. Schleswig und
England liegen fern von einander. Aber der Boden Deutschlands berührt sich
mit dem französischen, und ein Krieg zwischen Deutschland und Frankreich wäre
der unheilvollste und gewagteste, den das Kaiserreich führen könnte."

Die Dinge gingen darauf ihren Gang ohne weitere Einsprüche Englands
gegen das deutsche Recht und Interesse. Schleswig wurde besetzt und das
dänische Heer vertrieben. Dann folgte eine Konferenz in London und ein
Waffenstillstand. Auf der Konferenz erklärten die deutscheu Bevollmächtigten
zunächst, das Ziel ihrer Regierungen sei ein Frieden, welcher den Herzogtümern
absolute Bürgschaften gegen die Wiederkehr fremder Unterdrückung gewähre und
durch Beseitigung jedes Anlasses zum Streite, zur Revolution und zum Kriege
Deutschland die Sicherheit im Norden wiedergebe, deren es bedürfe, um nicht
wieder in ähnliche Krisen wie die jetzige zu verfallen. Diese Bürgschaften seien
aber nur in der vollständigen Unabhängigkeit der dnrch gemeinsame Institutionen
zu vereinigenden Herzogtümer zu finden. Als die dänischen Mitglieder der
Konferenz diesen Vorschlag selbst für den Fall einer Anerkennvng der Erbfolge-
rechte des Königs von Dänemark als völlig unannehmbar ablehnten, verlangten
die Vertreter Preußens, Österreichs und des deutschen Bundes gänzliche Trennung
der Herzogtümer von Dünemark und deren Vereinigung zu einem Staate nnter
der Souveränetät des Erbprinzen von Augustenburg.

England versuchte noch ein letztes in seinem Interesse: es ließ den Londoner
Vertrag von 1862 fallen und schlug eine Teilung Schleswigs mit der Schlei
als Grenze vor. Aber die deutschen Bevollmächtigten erklärten diese Grenzlinie
für unannehmbar, weil bei derselben die Gründe der Erregung und Agitation
nicht dauernd beseitigt werden würden, und die Konferenz ging bald nachher
ergebnislos auseinander. Die Feindseligkeiten begannen von neuem und endigten
mit dem Frieden, in welchem der.König von Dänemark zu gunsten des Königs
von Preußen und des Kaisers von Österreich auf alle seine Rechte an die
Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg verzichtete.

Sehr zum Verdrusse Englands, was sich in einer Depesche Lord Rnssells
vom 20. August aussprach. Es hieß da u. a.: "Die englische Negierung hat den
Angriff Österreichs und Preußens gegen Dünemark von vornherein für ungerecht
gehalten und beklagt tief, daß der Erfolg der Kriegführung dazu benutzt werde"
soll, eine Teilung Dänemarks herbeizuführen. - . Die Regierung Ihrer Majestät


Englische Politik und deutsche Interessen.

der Donaufürsteutiimer gezeigt habe, welche zum Krimkriege führten. Ähnliches
ließ der englische Minister in Wien vorstellen, hier wie dort vergebens, und
nun dachte Russell an Gewaltmittel. Aber Frankreich, das sich dabei mit ihm
verbinden sollte, lehnte seinen Antrag auf „eventuelles Zusammenwirken zur
Unterstützung Dänemarks in seinein Widerstande gegen eine Zerstückelung" ab,
indem Napoleon u. a. geltend machte: „Es wäre verhältnismäßig leicht für
England, einen solchen Krieg zu führen, der sich auf Operationen zur See,
auf Blokade und Wegnahme von Schiffen beschränken würde. Schleswig und
England liegen fern von einander. Aber der Boden Deutschlands berührt sich
mit dem französischen, und ein Krieg zwischen Deutschland und Frankreich wäre
der unheilvollste und gewagteste, den das Kaiserreich führen könnte."

Die Dinge gingen darauf ihren Gang ohne weitere Einsprüche Englands
gegen das deutsche Recht und Interesse. Schleswig wurde besetzt und das
dänische Heer vertrieben. Dann folgte eine Konferenz in London und ein
Waffenstillstand. Auf der Konferenz erklärten die deutscheu Bevollmächtigten
zunächst, das Ziel ihrer Regierungen sei ein Frieden, welcher den Herzogtümern
absolute Bürgschaften gegen die Wiederkehr fremder Unterdrückung gewähre und
durch Beseitigung jedes Anlasses zum Streite, zur Revolution und zum Kriege
Deutschland die Sicherheit im Norden wiedergebe, deren es bedürfe, um nicht
wieder in ähnliche Krisen wie die jetzige zu verfallen. Diese Bürgschaften seien
aber nur in der vollständigen Unabhängigkeit der dnrch gemeinsame Institutionen
zu vereinigenden Herzogtümer zu finden. Als die dänischen Mitglieder der
Konferenz diesen Vorschlag selbst für den Fall einer Anerkennvng der Erbfolge-
rechte des Königs von Dänemark als völlig unannehmbar ablehnten, verlangten
die Vertreter Preußens, Österreichs und des deutschen Bundes gänzliche Trennung
der Herzogtümer von Dünemark und deren Vereinigung zu einem Staate nnter
der Souveränetät des Erbprinzen von Augustenburg.

England versuchte noch ein letztes in seinem Interesse: es ließ den Londoner
Vertrag von 1862 fallen und schlug eine Teilung Schleswigs mit der Schlei
als Grenze vor. Aber die deutschen Bevollmächtigten erklärten diese Grenzlinie
für unannehmbar, weil bei derselben die Gründe der Erregung und Agitation
nicht dauernd beseitigt werden würden, und die Konferenz ging bald nachher
ergebnislos auseinander. Die Feindseligkeiten begannen von neuem und endigten
mit dem Frieden, in welchem der.König von Dänemark zu gunsten des Königs
von Preußen und des Kaisers von Österreich auf alle seine Rechte an die
Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg verzichtete.

Sehr zum Verdrusse Englands, was sich in einer Depesche Lord Rnssells
vom 20. August aussprach. Es hieß da u. a.: „Die englische Negierung hat den
Angriff Österreichs und Preußens gegen Dünemark von vornherein für ungerecht
gehalten und beklagt tief, daß der Erfolg der Kriegführung dazu benutzt werde»
soll, eine Teilung Dänemarks herbeizuführen. - . Die Regierung Ihrer Majestät


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/552>, abgerufen am 27.09.2024.