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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

t) Ungenügender Verkaufspreis der Produkte, insbesondre des Getreides.
Zwei Vorschläge treten hier zu tage, welche darauf abzielen, das inländische
Getreide gegenüber dem ausländischen wieder konkurrenzfähig zu machen. Der
erste Vorschlag geht auf Beseitigung der Differentialtarife oder Frachtermäßigung
für landwirtschaftliche Produkte, welche aus dem Inlande herrühren, der zweite
betrifft die Erhöhung der Getreidezölle. Gegen den letztern Vorschlag wendet
sich der Erhebungsbericht (obgleich neun Einzelberichte sich für denselben aus¬
gesprochen haben) in einer längern Ausführung und unter Aufstellung von
Berechnungen über die Wirkungen, welche die Getreidezölle auf eine Anzahl
der einer Untersuchung unterzogenen Wirtschaften äußern würden, wenn man
dieselben verdoppeln würde. Wir greifen zwei Beispiele heraus: Den höchsten
Einfluß würde eine Wirtschaft von 16,11 Hektaren in Sindolsheim verspüren,
deren Baareinnahmen, jetzt 1319 Mark, sich um 60 Mark erhöhen würden.
Das ist freilich anscheinend sehr wenig. Ergänzen wir nun aber das Beispiel
aus den Angaben, welche die Tabelle über die Ertragsberechnungen in bezug
auf dieselbe Wirtschaft macht. Wir finden dort, daß der Baarüberschuß, welcher
nach Abzug der Ausgaben verbleibt, sich auf 715 Mark stellt. Diesem Betrage
gegenüber sind 60 Mark schon erheblich. Interessant wird es auch sein, die
60 Mark mit verschiedenen Ausgabeposten der betreffenden Wirtschaft zu ver¬
gleichen. Dieselben würden z. B. hinreichen, annähernd ^/g der Steuern und
Umlagen zu bezahlen, oder den Aufwand für Kraftfutter, Sämereien, Heizung
und Beleuchtung zu decken, oder auch annähernd die Ausgaben für Zulauf von
Nahrungsmitteln zu bestreikn. Viel ist das nicht; aber immerhin glauben wir,
daß der betreffende Wirtschafter die Mehreinnahmen mit Freuden begrüßen
würde. Nehmen wir nun noch das Beispiel, welches den geringsten Einfluß
der Zollerhöhung aufweist. Hier kommen auf eine Wirtschaft von 9,80 Hektaren
mit 1519 Mark Gesamtbaareinnahme nur 13 Mark Mehreinnahme. Während
nun das erste Beispiel vollständig paßte, indem dort die Einnahmen wesentlich
(d. h. mit weit mehr als der Hälfte) dem Körnerverkauf entstammten, lehrt
uns ein Blick in die Tabelle sofort, daß das zweite Beispiel ganz andrer Natur
ist. Die Einnahme rührt hier vorwiegend von der Viehhaltung (mit 730 Mark)
und aus einem ganz gewiß nicht hierher gehörenden Nebenverdienst (500 Mark)
her, während der Verkauf von Feldprodukten (mit 289 Mark) eine nebensäch¬
liche Rolle spielt. Wie man ein solches Beispiel wählen konnte, ist uns un¬
verständlich, denn wir haben noch nie gehört, daß die Erhöhung der Getreidezölle
der Förderung der Viehzucht oder gewisser Nebenerwerbe dienen, sondern immer
nur, daß sie den Getreideproduzenten im Kampfe gegen den Getreideimport
unterstützen soll. Wer relativ wenig Getreide baut oder verkauft, der hat relativ
wenig Nutzen vom Zoll; das ist doch klar.

Beide Häuser des badischen Landtages haben sich zu gunsten einer
"mäßigen" Erhöhung der Getreidezölle ausgesprochen, ebenso der Zentralaus-


Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

t) Ungenügender Verkaufspreis der Produkte, insbesondre des Getreides.
Zwei Vorschläge treten hier zu tage, welche darauf abzielen, das inländische
Getreide gegenüber dem ausländischen wieder konkurrenzfähig zu machen. Der
erste Vorschlag geht auf Beseitigung der Differentialtarife oder Frachtermäßigung
für landwirtschaftliche Produkte, welche aus dem Inlande herrühren, der zweite
betrifft die Erhöhung der Getreidezölle. Gegen den letztern Vorschlag wendet
sich der Erhebungsbericht (obgleich neun Einzelberichte sich für denselben aus¬
gesprochen haben) in einer längern Ausführung und unter Aufstellung von
Berechnungen über die Wirkungen, welche die Getreidezölle auf eine Anzahl
der einer Untersuchung unterzogenen Wirtschaften äußern würden, wenn man
dieselben verdoppeln würde. Wir greifen zwei Beispiele heraus: Den höchsten
Einfluß würde eine Wirtschaft von 16,11 Hektaren in Sindolsheim verspüren,
deren Baareinnahmen, jetzt 1319 Mark, sich um 60 Mark erhöhen würden.
Das ist freilich anscheinend sehr wenig. Ergänzen wir nun aber das Beispiel
aus den Angaben, welche die Tabelle über die Ertragsberechnungen in bezug
auf dieselbe Wirtschaft macht. Wir finden dort, daß der Baarüberschuß, welcher
nach Abzug der Ausgaben verbleibt, sich auf 715 Mark stellt. Diesem Betrage
gegenüber sind 60 Mark schon erheblich. Interessant wird es auch sein, die
60 Mark mit verschiedenen Ausgabeposten der betreffenden Wirtschaft zu ver¬
gleichen. Dieselben würden z. B. hinreichen, annähernd ^/g der Steuern und
Umlagen zu bezahlen, oder den Aufwand für Kraftfutter, Sämereien, Heizung
und Beleuchtung zu decken, oder auch annähernd die Ausgaben für Zulauf von
Nahrungsmitteln zu bestreikn. Viel ist das nicht; aber immerhin glauben wir,
daß der betreffende Wirtschafter die Mehreinnahmen mit Freuden begrüßen
würde. Nehmen wir nun noch das Beispiel, welches den geringsten Einfluß
der Zollerhöhung aufweist. Hier kommen auf eine Wirtschaft von 9,80 Hektaren
mit 1519 Mark Gesamtbaareinnahme nur 13 Mark Mehreinnahme. Während
nun das erste Beispiel vollständig paßte, indem dort die Einnahmen wesentlich
(d. h. mit weit mehr als der Hälfte) dem Körnerverkauf entstammten, lehrt
uns ein Blick in die Tabelle sofort, daß das zweite Beispiel ganz andrer Natur
ist. Die Einnahme rührt hier vorwiegend von der Viehhaltung (mit 730 Mark)
und aus einem ganz gewiß nicht hierher gehörenden Nebenverdienst (500 Mark)
her, während der Verkauf von Feldprodukten (mit 289 Mark) eine nebensäch¬
liche Rolle spielt. Wie man ein solches Beispiel wählen konnte, ist uns un¬
verständlich, denn wir haben noch nie gehört, daß die Erhöhung der Getreidezölle
der Förderung der Viehzucht oder gewisser Nebenerwerbe dienen, sondern immer
nur, daß sie den Getreideproduzenten im Kampfe gegen den Getreideimport
unterstützen soll. Wer relativ wenig Getreide baut oder verkauft, der hat relativ
wenig Nutzen vom Zoll; das ist doch klar.

Beide Häuser des badischen Landtages haben sich zu gunsten einer
„mäßigen" Erhöhung der Getreidezölle ausgesprochen, ebenso der Zentralaus-


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[0514] Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden. t) Ungenügender Verkaufspreis der Produkte, insbesondre des Getreides. Zwei Vorschläge treten hier zu tage, welche darauf abzielen, das inländische Getreide gegenüber dem ausländischen wieder konkurrenzfähig zu machen. Der erste Vorschlag geht auf Beseitigung der Differentialtarife oder Frachtermäßigung für landwirtschaftliche Produkte, welche aus dem Inlande herrühren, der zweite betrifft die Erhöhung der Getreidezölle. Gegen den letztern Vorschlag wendet sich der Erhebungsbericht (obgleich neun Einzelberichte sich für denselben aus¬ gesprochen haben) in einer längern Ausführung und unter Aufstellung von Berechnungen über die Wirkungen, welche die Getreidezölle auf eine Anzahl der einer Untersuchung unterzogenen Wirtschaften äußern würden, wenn man dieselben verdoppeln würde. Wir greifen zwei Beispiele heraus: Den höchsten Einfluß würde eine Wirtschaft von 16,11 Hektaren in Sindolsheim verspüren, deren Baareinnahmen, jetzt 1319 Mark, sich um 60 Mark erhöhen würden. Das ist freilich anscheinend sehr wenig. Ergänzen wir nun aber das Beispiel aus den Angaben, welche die Tabelle über die Ertragsberechnungen in bezug auf dieselbe Wirtschaft macht. Wir finden dort, daß der Baarüberschuß, welcher nach Abzug der Ausgaben verbleibt, sich auf 715 Mark stellt. Diesem Betrage gegenüber sind 60 Mark schon erheblich. Interessant wird es auch sein, die 60 Mark mit verschiedenen Ausgabeposten der betreffenden Wirtschaft zu ver¬ gleichen. Dieselben würden z. B. hinreichen, annähernd ^/g der Steuern und Umlagen zu bezahlen, oder den Aufwand für Kraftfutter, Sämereien, Heizung und Beleuchtung zu decken, oder auch annähernd die Ausgaben für Zulauf von Nahrungsmitteln zu bestreikn. Viel ist das nicht; aber immerhin glauben wir, daß der betreffende Wirtschafter die Mehreinnahmen mit Freuden begrüßen würde. Nehmen wir nun noch das Beispiel, welches den geringsten Einfluß der Zollerhöhung aufweist. Hier kommen auf eine Wirtschaft von 9,80 Hektaren mit 1519 Mark Gesamtbaareinnahme nur 13 Mark Mehreinnahme. Während nun das erste Beispiel vollständig paßte, indem dort die Einnahmen wesentlich (d. h. mit weit mehr als der Hälfte) dem Körnerverkauf entstammten, lehrt uns ein Blick in die Tabelle sofort, daß das zweite Beispiel ganz andrer Natur ist. Die Einnahme rührt hier vorwiegend von der Viehhaltung (mit 730 Mark) und aus einem ganz gewiß nicht hierher gehörenden Nebenverdienst (500 Mark) her, während der Verkauf von Feldprodukten (mit 289 Mark) eine nebensäch¬ liche Rolle spielt. Wie man ein solches Beispiel wählen konnte, ist uns un¬ verständlich, denn wir haben noch nie gehört, daß die Erhöhung der Getreidezölle der Förderung der Viehzucht oder gewisser Nebenerwerbe dienen, sondern immer nur, daß sie den Getreideproduzenten im Kampfe gegen den Getreideimport unterstützen soll. Wer relativ wenig Getreide baut oder verkauft, der hat relativ wenig Nutzen vom Zoll; das ist doch klar. Beide Häuser des badischen Landtages haben sich zu gunsten einer „mäßigen" Erhöhung der Getreidezölle ausgesprochen, ebenso der Zentralaus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/514>, abgerufen am 28.09.2024.