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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

Rechnung ziehe". Denken wir uns nun die Schuldentilgung durch Annuitäten,
wie bisher, unmöglich, denken wir an den fortschreitenden Einfluß des Getreide¬
imports, an die Hindernisse, welche sich bei einem verarmenden Bauernstande
allen Verbesserungen auf dem Gebiete der Ökonomie und Technik des Betriebes
entgegenstellen, denken wir endlich an die wachsende Belastung des Bauern¬
standes, welche ohne eine Steuerreform aus dem Wachsen der Staatsbedürf¬
nisse sich ergeben würde, so tritt uns die Neigung zur Verschlimmerung sofort
klar vor das Auge. Dies beweist mehr als die Berechnung der heutigen
Nentabilitätsverhältnisse das Vorhandensein des Notstandes und die Notwendig¬
keit außergewöhnlicher Hilfe.

Als allgemeine Ursachen der geringen Rentabilität nennt die zusammen¬
fassende Darstellung der Erhebungsresultate eine Reihe von Umständen, auf
welche wir hier nur soweit eingehen können, als wir dadurch nicht in die Lage
kommen, schon Berührtes wiederholen zu müssen.

Ungünstige Boden- und Klimaverhältnisse, Parzellirnng und Flurzwaug;
Umstände von welchen wir bereits gesprochen haben. Das Gleiche gilt

d) sür hohe Boden- und Pachtpreise.

v) Mißverhältnisse zwischen Grund- und Gebäudckapital. Es ist dies ein
sehr beachtenswerter Punkt, denn die Zinsen und Abgaben einer unvernünftig
hohen Gcbändelast haben allein schon manche Wirtschaft ruinirt, die sich sonst
wenigstens notdürftig über Wasser gehalten hätte. Wir glauben übrigens, daß
der beregte Mißstand in Süddeutschland in stärkerem Maße vorhanden sei als
in Norddeutschland.

et) Mängel in der Technik und Ökonomie des Betriebes. Es handelt sich
hier um eine Reihe von einzelnen Vorschlagen, welche dem Bauern gemacht
nierden, und welche meist von seiner Seite alle Berücksichtigung verdienen. Ob¬
gleich die meisten Mängel, welche die Erhebungen zu tage förderten, schon früher
mehr oder minder bekannt waren und bekämpft wurden, durften dieselben nicht
nebensächlich behandelt werden. Gerade die bekanntesten hausbackene" Lebens¬
vorschriften bedürfen eben, wie für alle Stände, auch für den Bauern der
häufigsten Wiederholung.

Einige der gemachten Vorschlüge wollen wir näher betrachten. Da wird
zunächst die Ausdehnung und rationellere Handhabung der Viehzucht und folge¬
richtig auch des Fntterbaues empfohlen. Es ist dies ein ebenso alter wie
gewichtiger Vorschlag zur Förderung der Landwirtschaft, und wir glauben, daß
auf diesem Gebiete, zumal da es an staatlicher Aufmunterung allenthalben nicht
fehlt, gerade in den letzten Jahrzehnten in Deutschland viel geleistet worden
ist, und zweifellos könnte noch viel mehr geleistet werden. Wir glauben indessen,
daß die gegenwärtige Gestaltung des Viehhandels, welche einzig auf eine schamlose
Ausbeutung der Landwirtschaft hinausläuft, mehr als irgend etwas andres einer
gedeihlichen Weiterentwicklung der Viehzucht im Wege steht. Ferner wird mit


Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden.

Rechnung ziehe». Denken wir uns nun die Schuldentilgung durch Annuitäten,
wie bisher, unmöglich, denken wir an den fortschreitenden Einfluß des Getreide¬
imports, an die Hindernisse, welche sich bei einem verarmenden Bauernstande
allen Verbesserungen auf dem Gebiete der Ökonomie und Technik des Betriebes
entgegenstellen, denken wir endlich an die wachsende Belastung des Bauern¬
standes, welche ohne eine Steuerreform aus dem Wachsen der Staatsbedürf¬
nisse sich ergeben würde, so tritt uns die Neigung zur Verschlimmerung sofort
klar vor das Auge. Dies beweist mehr als die Berechnung der heutigen
Nentabilitätsverhältnisse das Vorhandensein des Notstandes und die Notwendig¬
keit außergewöhnlicher Hilfe.

Als allgemeine Ursachen der geringen Rentabilität nennt die zusammen¬
fassende Darstellung der Erhebungsresultate eine Reihe von Umständen, auf
welche wir hier nur soweit eingehen können, als wir dadurch nicht in die Lage
kommen, schon Berührtes wiederholen zu müssen.

Ungünstige Boden- und Klimaverhältnisse, Parzellirnng und Flurzwaug;
Umstände von welchen wir bereits gesprochen haben. Das Gleiche gilt

d) sür hohe Boden- und Pachtpreise.

v) Mißverhältnisse zwischen Grund- und Gebäudckapital. Es ist dies ein
sehr beachtenswerter Punkt, denn die Zinsen und Abgaben einer unvernünftig
hohen Gcbändelast haben allein schon manche Wirtschaft ruinirt, die sich sonst
wenigstens notdürftig über Wasser gehalten hätte. Wir glauben übrigens, daß
der beregte Mißstand in Süddeutschland in stärkerem Maße vorhanden sei als
in Norddeutschland.

et) Mängel in der Technik und Ökonomie des Betriebes. Es handelt sich
hier um eine Reihe von einzelnen Vorschlagen, welche dem Bauern gemacht
nierden, und welche meist von seiner Seite alle Berücksichtigung verdienen. Ob¬
gleich die meisten Mängel, welche die Erhebungen zu tage förderten, schon früher
mehr oder minder bekannt waren und bekämpft wurden, durften dieselben nicht
nebensächlich behandelt werden. Gerade die bekanntesten hausbackene» Lebens¬
vorschriften bedürfen eben, wie für alle Stände, auch für den Bauern der
häufigsten Wiederholung.

Einige der gemachten Vorschlüge wollen wir näher betrachten. Da wird
zunächst die Ausdehnung und rationellere Handhabung der Viehzucht und folge¬
richtig auch des Fntterbaues empfohlen. Es ist dies ein ebenso alter wie
gewichtiger Vorschlag zur Förderung der Landwirtschaft, und wir glauben, daß
auf diesem Gebiete, zumal da es an staatlicher Aufmunterung allenthalben nicht
fehlt, gerade in den letzten Jahrzehnten in Deutschland viel geleistet worden
ist, und zweifellos könnte noch viel mehr geleistet werden. Wir glauben indessen,
daß die gegenwärtige Gestaltung des Viehhandels, welche einzig auf eine schamlose
Ausbeutung der Landwirtschaft hinausläuft, mehr als irgend etwas andres einer
gedeihlichen Weiterentwicklung der Viehzucht im Wege steht. Ferner wird mit


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[0512] Die landwirtschaftliche Muster-Lnquete in Baden. Rechnung ziehe». Denken wir uns nun die Schuldentilgung durch Annuitäten, wie bisher, unmöglich, denken wir an den fortschreitenden Einfluß des Getreide¬ imports, an die Hindernisse, welche sich bei einem verarmenden Bauernstande allen Verbesserungen auf dem Gebiete der Ökonomie und Technik des Betriebes entgegenstellen, denken wir endlich an die wachsende Belastung des Bauern¬ standes, welche ohne eine Steuerreform aus dem Wachsen der Staatsbedürf¬ nisse sich ergeben würde, so tritt uns die Neigung zur Verschlimmerung sofort klar vor das Auge. Dies beweist mehr als die Berechnung der heutigen Nentabilitätsverhältnisse das Vorhandensein des Notstandes und die Notwendig¬ keit außergewöhnlicher Hilfe. Als allgemeine Ursachen der geringen Rentabilität nennt die zusammen¬ fassende Darstellung der Erhebungsresultate eine Reihe von Umständen, auf welche wir hier nur soweit eingehen können, als wir dadurch nicht in die Lage kommen, schon Berührtes wiederholen zu müssen. Ungünstige Boden- und Klimaverhältnisse, Parzellirnng und Flurzwaug; Umstände von welchen wir bereits gesprochen haben. Das Gleiche gilt d) sür hohe Boden- und Pachtpreise. v) Mißverhältnisse zwischen Grund- und Gebäudckapital. Es ist dies ein sehr beachtenswerter Punkt, denn die Zinsen und Abgaben einer unvernünftig hohen Gcbändelast haben allein schon manche Wirtschaft ruinirt, die sich sonst wenigstens notdürftig über Wasser gehalten hätte. Wir glauben übrigens, daß der beregte Mißstand in Süddeutschland in stärkerem Maße vorhanden sei als in Norddeutschland. et) Mängel in der Technik und Ökonomie des Betriebes. Es handelt sich hier um eine Reihe von einzelnen Vorschlagen, welche dem Bauern gemacht nierden, und welche meist von seiner Seite alle Berücksichtigung verdienen. Ob¬ gleich die meisten Mängel, welche die Erhebungen zu tage förderten, schon früher mehr oder minder bekannt waren und bekämpft wurden, durften dieselben nicht nebensächlich behandelt werden. Gerade die bekanntesten hausbackene» Lebens¬ vorschriften bedürfen eben, wie für alle Stände, auch für den Bauern der häufigsten Wiederholung. Einige der gemachten Vorschlüge wollen wir näher betrachten. Da wird zunächst die Ausdehnung und rationellere Handhabung der Viehzucht und folge¬ richtig auch des Fntterbaues empfohlen. Es ist dies ein ebenso alter wie gewichtiger Vorschlag zur Förderung der Landwirtschaft, und wir glauben, daß auf diesem Gebiete, zumal da es an staatlicher Aufmunterung allenthalben nicht fehlt, gerade in den letzten Jahrzehnten in Deutschland viel geleistet worden ist, und zweifellos könnte noch viel mehr geleistet werden. Wir glauben indessen, daß die gegenwärtige Gestaltung des Viehhandels, welche einzig auf eine schamlose Ausbeutung der Landwirtschaft hinausläuft, mehr als irgend etwas andres einer gedeihlichen Weiterentwicklung der Viehzucht im Wege steht. Ferner wird mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/512>, abgerufen am 27.09.2024.