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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Englische Politik und deutsche Interessen.

aber konnte man beruhigt sein; denn als man 1754 in Paris den König von
Preußen zu einer Unternehmung gegen dasselbe aufgefordert hatte, war man
einer entschiedenen Weigerung begegnet. Als der Krieg ausgebrochen war,
unterstützte man Friedrich englischerseits gegen die Franzosen nur unzureichend
und mit wenig Geschick, und erst als Hannover von jenen erobert worden war
und nun von ihnen ausgesogen wurde, entschloß sich der Londoner Hof zu nach-
drücklicheren Beistande mit Truppen und Hilfsgeldern, wobei auch der Eindruck,
den der Sieg bei Roßbach auf die öffentliche Meinung in England gemacht
hatte, wesentlich einwirkte. Aber erst nachdem Ferdinand von Braunschweig bei
Krefeld gesiegt hatte, erschienen ans dem Kriegsschauplatze die ersten 10000 von
den 18000 Engländern, die das Parlament für die Teilnahme am Kampfe be¬
willigt hatte. Wäre dies früher geschehen, so würde sich Ferdinand jenseits des
Rheins behauptet, auch wahrscheinlich Wesel in seine Gewalt bekommen haben.
Immerhin erwies sich die englische Hilfe in dieser und der nächsten Zeit sehr
wertvoll für Friedrich. Dies währte indes nur bis zum Tode König Georgs II.
Unter dessen Nachfolger sah Pitt sich genötigt, dem Lord Bude am Staats¬
ruder Platz zu machen, der wie sein Gebieter dem König Friedrich persönlich
abgeneigt war und schleunige Wiederherstellung des Friedens wünschte. Der¬
selbe bewirkte gegen den Willen des Parlaments, daß der Subsidienvertrag
zwischen England und Preußen nicht erneuert wurde, und machte sich in Peters¬
burg gewisser Intriguen schuldig, die einen ganz entschieden verräterischen Cha¬
rakter trugen. Unbekannt damit, daß der Kaiser Peter ein Verehrer Friedrichs
war, erbot er sich, demselben alle während des Krieges von den Russen besetzten
preußischen Provinzen zu verschaffen, wenn er seine Truppen noch ferner in
Gemeinschaft mit den österreichischen Friedrich bekämpfen lassen wolle. Mit
diesem Anerbieten in verächtlichen Worten abgewiesen, wendete sich Bude an
den Wiener Hof, um einen Frieden zwischen Friedrich und Maria Theresia zu¬
stande zu bringen, wobei er wieder hinter Preußens Rücken handelte, wieder
eine starke Freigebigkeit mit dem Länderbesitz des bisherigen Verbündeten seines
Gebieters kundgab und wieder eine demütigende Antwort davontrug. Bessern
Erfolg hatte er Paris, und am 10. Februar 1763 wurde hier ein Friedensver¬
trag unterzeichnet, der verschiedne für Preußen nachteilige Artikel enthielt, wo¬
gegen er den Engländern alles gewährte, was sie sich nach Lage der Dinge
wünschen konnten; denn sie bekamen, nachdem sie, von Friedrich in Europa vor
Frankreich gedeckt, die Seemacht ihrer französischen und spanischen Gegner ver¬
nichtet hatten, Kanada und Neuschottland, Florida, mehrere Inseln Westindiens,
das Gebiet am Senegal und alles, was Frankreich seit 1749 in Ostindien in
seinen Besitz gebracht hatte. Das Bündnis mit Preußen hatte also zu einem
ungemein lohnenden Geschäfte jenseits der Meere geführt, und wenn es die Na¬
tionalschuld um etwa achtzig Millionen Pfund vermehrt hatte, so verzinste sich
diese Auslage in der Folge reichlich.


Englische Politik und deutsche Interessen.

aber konnte man beruhigt sein; denn als man 1754 in Paris den König von
Preußen zu einer Unternehmung gegen dasselbe aufgefordert hatte, war man
einer entschiedenen Weigerung begegnet. Als der Krieg ausgebrochen war,
unterstützte man Friedrich englischerseits gegen die Franzosen nur unzureichend
und mit wenig Geschick, und erst als Hannover von jenen erobert worden war
und nun von ihnen ausgesogen wurde, entschloß sich der Londoner Hof zu nach-
drücklicheren Beistande mit Truppen und Hilfsgeldern, wobei auch der Eindruck,
den der Sieg bei Roßbach auf die öffentliche Meinung in England gemacht
hatte, wesentlich einwirkte. Aber erst nachdem Ferdinand von Braunschweig bei
Krefeld gesiegt hatte, erschienen ans dem Kriegsschauplatze die ersten 10000 von
den 18000 Engländern, die das Parlament für die Teilnahme am Kampfe be¬
willigt hatte. Wäre dies früher geschehen, so würde sich Ferdinand jenseits des
Rheins behauptet, auch wahrscheinlich Wesel in seine Gewalt bekommen haben.
Immerhin erwies sich die englische Hilfe in dieser und der nächsten Zeit sehr
wertvoll für Friedrich. Dies währte indes nur bis zum Tode König Georgs II.
Unter dessen Nachfolger sah Pitt sich genötigt, dem Lord Bude am Staats¬
ruder Platz zu machen, der wie sein Gebieter dem König Friedrich persönlich
abgeneigt war und schleunige Wiederherstellung des Friedens wünschte. Der¬
selbe bewirkte gegen den Willen des Parlaments, daß der Subsidienvertrag
zwischen England und Preußen nicht erneuert wurde, und machte sich in Peters¬
burg gewisser Intriguen schuldig, die einen ganz entschieden verräterischen Cha¬
rakter trugen. Unbekannt damit, daß der Kaiser Peter ein Verehrer Friedrichs
war, erbot er sich, demselben alle während des Krieges von den Russen besetzten
preußischen Provinzen zu verschaffen, wenn er seine Truppen noch ferner in
Gemeinschaft mit den österreichischen Friedrich bekämpfen lassen wolle. Mit
diesem Anerbieten in verächtlichen Worten abgewiesen, wendete sich Bude an
den Wiener Hof, um einen Frieden zwischen Friedrich und Maria Theresia zu¬
stande zu bringen, wobei er wieder hinter Preußens Rücken handelte, wieder
eine starke Freigebigkeit mit dem Länderbesitz des bisherigen Verbündeten seines
Gebieters kundgab und wieder eine demütigende Antwort davontrug. Bessern
Erfolg hatte er Paris, und am 10. Februar 1763 wurde hier ein Friedensver¬
trag unterzeichnet, der verschiedne für Preußen nachteilige Artikel enthielt, wo¬
gegen er den Engländern alles gewährte, was sie sich nach Lage der Dinge
wünschen konnten; denn sie bekamen, nachdem sie, von Friedrich in Europa vor
Frankreich gedeckt, die Seemacht ihrer französischen und spanischen Gegner ver¬
nichtet hatten, Kanada und Neuschottland, Florida, mehrere Inseln Westindiens,
das Gebiet am Senegal und alles, was Frankreich seit 1749 in Ostindien in
seinen Besitz gebracht hatte. Das Bündnis mit Preußen hatte also zu einem
ungemein lohnenden Geschäfte jenseits der Meere geführt, und wenn es die Na¬
tionalschuld um etwa achtzig Millionen Pfund vermehrt hatte, so verzinste sich
diese Auslage in der Folge reichlich.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/498>, abgerufen am 27.09.2024.