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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Lngel auf Lrden.

Aber er sagte mir, er wäre nur unter gewissen Bedingungen bereit, mir
diesen Stoß zu zeigen.

Ach was! Die Bedingungen, welche diese Leute stellen, kommen alle auf
das magische Wort Geld hinaus. Wir werden ihm seinen Stoß abkaufen.
Bleibt hier stehen, ich will selbst mit ihm unterhandeln.

Und so eilig, als es ihm seine Jahre und seine Gebrechen erlaubte", bewegte
sich Laurettens Gatte, auf seinen Krückstock gestützt, auf Carcijo zu. Dieser blieb
ruhig stehen und maß den Grafen mit forschenden und spöttischen Blicken.

Der Graf Beldoni pflanzte seinen Stock ans den Erdboden und stützte sich
mit beiden Händen auf die Krücke. Die beiden sahen sich einen Augenblick an,
als wollten sie einander in der Seele lesen.

Der Graf war der erste, der anfing zu reden. Ist es wahr, daß Ihr das
Geheimnis lehren könnt, wie man seinen Gegner im Duell auf die schönste Weise
töten kann?

Carajo lächelte höhnisch. Das ist wahr! antwortete er.

Aber versteht mich wohl, ich habe nicht gesagt, treffen oder besiegen, ich
habe gesagt töten.

Die beiden Männer wechselten einen Blick.

Ich Habs verstanden, sagte Carajo kalt, und wiederhole meine Bejahung.

Da ist mein guter Freund Valgrcmde, der sich morgen früh schlagen muß.

Ich weiß es und kenne seinen Gegner, ich habe den Wortwechsel mit angehört.

Ich wünsche, daß er siegt.

So! rief der Gaukler, indem er dem Grafen scharf ins Auge blickte.

Würdet Ihr geneigt sein, ihm eine Unterweisung zu erteilen?

Ja!

Aber derart --

Der Graf stockte.

Derart? wiederholte Carajo, indem er sich zu dem Grafen beugte, welcher
leise gesprochen hatte.

Beldoni sah sich um und fügte dann eilends hinzu: Zehn Napoleons für
Euch, wenn Valgrcmdes Gegner im Duell unterliegt.

Verkrüppelt oder tot?

Der Graf warf ihm einen eiskalten Blick zu.

Carajo verbeugte sich tief. Auch bei einem Alten, dachte er, ist der Haß
der Eifersucht zu fürchten.

Teuerster Valgrande, sagte der Graf, dieser brave Mann ist geneigt, Euch
alle Geheimnisse seiner Kunst zu lehren. --

Paul hatte eine heftige Auseinandersetzung mit der Gräfin gehabt. Un-
verholcn seine Verachtung zeigend, hatte er sie zornig über den Rina zugefügten
Affront zur Rede gestellt und gedroht, daß er die seiner Verlobten gebührende
Achtung erzwingen werde. Sie hatte sich, nachdem er sie verlassen, außer sich
vor Wut und Schmerz über die erlittene Demütigung in ihrem Zimmer auf
den Divan geworfen und zerquälte sich das Hirn mit Racheplänen, als wie ein
heraufbeschworener Dämon mit seinem finstern Gesicht Carajo vor ihr erschien.

Ihr habt mir befohlen, zu kommen; hier bin ich, sagte er. Er kam zu
guter Stunde.

Laurette fühlte sich diesem Menschen, der, obgleich ihr völlig unbekannt,
bereits in geheime Beziehung zu ihr getreten war, durch das Band gemein¬
schaftlichen Hasses verbunden, und sie ergriff gierig die Gelegenheit, sich seiner


Die Lngel auf Lrden.

Aber er sagte mir, er wäre nur unter gewissen Bedingungen bereit, mir
diesen Stoß zu zeigen.

Ach was! Die Bedingungen, welche diese Leute stellen, kommen alle auf
das magische Wort Geld hinaus. Wir werden ihm seinen Stoß abkaufen.
Bleibt hier stehen, ich will selbst mit ihm unterhandeln.

Und so eilig, als es ihm seine Jahre und seine Gebrechen erlaubte», bewegte
sich Laurettens Gatte, auf seinen Krückstock gestützt, auf Carcijo zu. Dieser blieb
ruhig stehen und maß den Grafen mit forschenden und spöttischen Blicken.

Der Graf Beldoni pflanzte seinen Stock ans den Erdboden und stützte sich
mit beiden Händen auf die Krücke. Die beiden sahen sich einen Augenblick an,
als wollten sie einander in der Seele lesen.

Der Graf war der erste, der anfing zu reden. Ist es wahr, daß Ihr das
Geheimnis lehren könnt, wie man seinen Gegner im Duell auf die schönste Weise
töten kann?

Carajo lächelte höhnisch. Das ist wahr! antwortete er.

Aber versteht mich wohl, ich habe nicht gesagt, treffen oder besiegen, ich
habe gesagt töten.

Die beiden Männer wechselten einen Blick.

Ich Habs verstanden, sagte Carajo kalt, und wiederhole meine Bejahung.

Da ist mein guter Freund Valgrcmde, der sich morgen früh schlagen muß.

Ich weiß es und kenne seinen Gegner, ich habe den Wortwechsel mit angehört.

Ich wünsche, daß er siegt.

So! rief der Gaukler, indem er dem Grafen scharf ins Auge blickte.

Würdet Ihr geneigt sein, ihm eine Unterweisung zu erteilen?

Ja!

Aber derart —

Der Graf stockte.

Derart? wiederholte Carajo, indem er sich zu dem Grafen beugte, welcher
leise gesprochen hatte.

Beldoni sah sich um und fügte dann eilends hinzu: Zehn Napoleons für
Euch, wenn Valgrcmdes Gegner im Duell unterliegt.

Verkrüppelt oder tot?

Der Graf warf ihm einen eiskalten Blick zu.

Carajo verbeugte sich tief. Auch bei einem Alten, dachte er, ist der Haß
der Eifersucht zu fürchten.

Teuerster Valgrande, sagte der Graf, dieser brave Mann ist geneigt, Euch
alle Geheimnisse seiner Kunst zu lehren. —

Paul hatte eine heftige Auseinandersetzung mit der Gräfin gehabt. Un-
verholcn seine Verachtung zeigend, hatte er sie zornig über den Rina zugefügten
Affront zur Rede gestellt und gedroht, daß er die seiner Verlobten gebührende
Achtung erzwingen werde. Sie hatte sich, nachdem er sie verlassen, außer sich
vor Wut und Schmerz über die erlittene Demütigung in ihrem Zimmer auf
den Divan geworfen und zerquälte sich das Hirn mit Racheplänen, als wie ein
heraufbeschworener Dämon mit seinem finstern Gesicht Carajo vor ihr erschien.

Ihr habt mir befohlen, zu kommen; hier bin ich, sagte er. Er kam zu
guter Stunde.

Laurette fühlte sich diesem Menschen, der, obgleich ihr völlig unbekannt,
bereits in geheime Beziehung zu ihr getreten war, durch das Band gemein¬
schaftlichen Hasses verbunden, und sie ergriff gierig die Gelegenheit, sich seiner


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[0494] Die Lngel auf Lrden. Aber er sagte mir, er wäre nur unter gewissen Bedingungen bereit, mir diesen Stoß zu zeigen. Ach was! Die Bedingungen, welche diese Leute stellen, kommen alle auf das magische Wort Geld hinaus. Wir werden ihm seinen Stoß abkaufen. Bleibt hier stehen, ich will selbst mit ihm unterhandeln. Und so eilig, als es ihm seine Jahre und seine Gebrechen erlaubte», bewegte sich Laurettens Gatte, auf seinen Krückstock gestützt, auf Carcijo zu. Dieser blieb ruhig stehen und maß den Grafen mit forschenden und spöttischen Blicken. Der Graf Beldoni pflanzte seinen Stock ans den Erdboden und stützte sich mit beiden Händen auf die Krücke. Die beiden sahen sich einen Augenblick an, als wollten sie einander in der Seele lesen. Der Graf war der erste, der anfing zu reden. Ist es wahr, daß Ihr das Geheimnis lehren könnt, wie man seinen Gegner im Duell auf die schönste Weise töten kann? Carajo lächelte höhnisch. Das ist wahr! antwortete er. Aber versteht mich wohl, ich habe nicht gesagt, treffen oder besiegen, ich habe gesagt töten. Die beiden Männer wechselten einen Blick. Ich Habs verstanden, sagte Carajo kalt, und wiederhole meine Bejahung. Da ist mein guter Freund Valgrcmde, der sich morgen früh schlagen muß. Ich weiß es und kenne seinen Gegner, ich habe den Wortwechsel mit angehört. Ich wünsche, daß er siegt. So! rief der Gaukler, indem er dem Grafen scharf ins Auge blickte. Würdet Ihr geneigt sein, ihm eine Unterweisung zu erteilen? Ja! Aber derart — Der Graf stockte. Derart? wiederholte Carajo, indem er sich zu dem Grafen beugte, welcher leise gesprochen hatte. Beldoni sah sich um und fügte dann eilends hinzu: Zehn Napoleons für Euch, wenn Valgrcmdes Gegner im Duell unterliegt. Verkrüppelt oder tot? Der Graf warf ihm einen eiskalten Blick zu. Carajo verbeugte sich tief. Auch bei einem Alten, dachte er, ist der Haß der Eifersucht zu fürchten. Teuerster Valgrande, sagte der Graf, dieser brave Mann ist geneigt, Euch alle Geheimnisse seiner Kunst zu lehren. — Paul hatte eine heftige Auseinandersetzung mit der Gräfin gehabt. Un- verholcn seine Verachtung zeigend, hatte er sie zornig über den Rina zugefügten Affront zur Rede gestellt und gedroht, daß er die seiner Verlobten gebührende Achtung erzwingen werde. Sie hatte sich, nachdem er sie verlassen, außer sich vor Wut und Schmerz über die erlittene Demütigung in ihrem Zimmer auf den Divan geworfen und zerquälte sich das Hirn mit Racheplänen, als wie ein heraufbeschworener Dämon mit seinem finstern Gesicht Carajo vor ihr erschien. Ihr habt mir befohlen, zu kommen; hier bin ich, sagte er. Er kam zu guter Stunde. Laurette fühlte sich diesem Menschen, der, obgleich ihr völlig unbekannt, bereits in geheime Beziehung zu ihr getreten war, durch das Band gemein¬ schaftlichen Hasses verbunden, und sie ergriff gierig die Gelegenheit, sich seiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/494>, abgerufen am 27.09.2024.