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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die landwirtschaftliche Muster - Enquete in Baden.

dem Einflüsse, den solche Ausdehnung der Waldfläche auf die Absatzverhältnisse
der Forstprodukte ausüben würde, die Frage endlich, ob nicht hie und da andre
Verhältnisse mitreden und berücksichtigt sein wollen, dies alles sind Fragen, deren
Wichtigkeit für den Gegenstand niemand bestreikn wird, deren Beantwortung
aber nur auf Grund genauerer Erhebungen mit einiger Sicherheit erfolgen kann.*)

Sehr richtig ist es, wenn der badische Erhebuugsbericht hervorhebt, daß,
je vielseitiger der landwirtschaftliche Betrieb sich gestaltet und eine je mannich-
faltigere Benutzung die Beschaffenheit des Bodens und des Klimas zuläßt, umso
befriedigendere Zustände für die bäuerliche Bevölkerung sich zu entwickeln pflegen,
und daß die prekärsten und unter Umständen kritischsten Verhältnisse sehr leicht
da entstehen, wo alles, sozusagen, auf eine Karte gesetzt ist. Gegenden, welche
sich allzusehr auf irgendwelche Spezialkultnren verlegen (der Bericht hebt die
Rebgemeinden besonders hervor), haben wohl in guten Jahren mitunter außer¬
ordentliche Resultate zu verzeichnen, aber sie schweben stets in der Gefahr, ein
paar Jahre hintereinander garnichts zu erzielen und auf diese Weise rasch an
den Bettelstab zu gelangen. Der Bericht empfiehlt für Gegenden, welche not¬
gedrungen ihre ganze Hoffnung auf ein einzelnes Gewächs setzen müssen, eine
gute lokale Krcditorganisation als geeignetstes Mittel zur Bewerkstelligung eines
gewissen Ausgleiches zwischen guten und schlechten Jahren, und wir glauben,
daß damit das Richtige getroffen sei. Doch auch für diese Frage wäre weiteres
Material von Wert.

2. Besitzverteilung und Erbrecht.

Diesem Teile der landwirtschaftlichen Frage ist bei den Erhebungen mit
Recht große Aufmerksamkeit zugewendet worden. Im wesentlichen ist, wie der
Bericht sagt, die Besitzverteilung ein Produkt der bestehenden bäuerlichen Erb¬
folge, von der sich im Großherzogtum drei Arten unterscheiden lassen, nämlich:
1. das Hofgüterrecht des Schwarzwaldes, auf dem Edikt vom 13. März 1808
und den Landrechissätzen 827 o. beruhend, mit gesetzlicher Unteilbarkeit der
Güter und dem Recht des Anerben (in der Regel des jüngsten Sohnes oder
der ältesten unversorgten Tochter) auf einen "kindlichen Anschlag" des Guts-
wcrts; 2. ein lediglich auf Sitte und Herkommen beruhendes Anerbenrecht bei
übrigens völliger Gleichberechtigung der Geschwister und 3. die Erbfvlgeordnung
des badischen Landrechts, wonach jeder Miterbe seinen Anteil an liegender Habe
im Stück erhält und ein gesetzlicher Zwang zur Teilung besteht, falls auch nur
einer der Miterben dieselbe begehrt oder falls nicht alle Miterben anwesend
sind oder einer derselben mundlos oder minderjährig ist (Landrechtssatz 745
und 815).



*) So hat sich auch die badische Regierung seitdem veranlaßt gesehen, durch die Bezirks-
forsteien nähere Erhebungen veranstalten zu lassen.
Die landwirtschaftliche Muster - Enquete in Baden.

dem Einflüsse, den solche Ausdehnung der Waldfläche auf die Absatzverhältnisse
der Forstprodukte ausüben würde, die Frage endlich, ob nicht hie und da andre
Verhältnisse mitreden und berücksichtigt sein wollen, dies alles sind Fragen, deren
Wichtigkeit für den Gegenstand niemand bestreikn wird, deren Beantwortung
aber nur auf Grund genauerer Erhebungen mit einiger Sicherheit erfolgen kann.*)

Sehr richtig ist es, wenn der badische Erhebuugsbericht hervorhebt, daß,
je vielseitiger der landwirtschaftliche Betrieb sich gestaltet und eine je mannich-
faltigere Benutzung die Beschaffenheit des Bodens und des Klimas zuläßt, umso
befriedigendere Zustände für die bäuerliche Bevölkerung sich zu entwickeln pflegen,
und daß die prekärsten und unter Umständen kritischsten Verhältnisse sehr leicht
da entstehen, wo alles, sozusagen, auf eine Karte gesetzt ist. Gegenden, welche
sich allzusehr auf irgendwelche Spezialkultnren verlegen (der Bericht hebt die
Rebgemeinden besonders hervor), haben wohl in guten Jahren mitunter außer¬
ordentliche Resultate zu verzeichnen, aber sie schweben stets in der Gefahr, ein
paar Jahre hintereinander garnichts zu erzielen und auf diese Weise rasch an
den Bettelstab zu gelangen. Der Bericht empfiehlt für Gegenden, welche not¬
gedrungen ihre ganze Hoffnung auf ein einzelnes Gewächs setzen müssen, eine
gute lokale Krcditorganisation als geeignetstes Mittel zur Bewerkstelligung eines
gewissen Ausgleiches zwischen guten und schlechten Jahren, und wir glauben,
daß damit das Richtige getroffen sei. Doch auch für diese Frage wäre weiteres
Material von Wert.

2. Besitzverteilung und Erbrecht.

Diesem Teile der landwirtschaftlichen Frage ist bei den Erhebungen mit
Recht große Aufmerksamkeit zugewendet worden. Im wesentlichen ist, wie der
Bericht sagt, die Besitzverteilung ein Produkt der bestehenden bäuerlichen Erb¬
folge, von der sich im Großherzogtum drei Arten unterscheiden lassen, nämlich:
1. das Hofgüterrecht des Schwarzwaldes, auf dem Edikt vom 13. März 1808
und den Landrechissätzen 827 o. beruhend, mit gesetzlicher Unteilbarkeit der
Güter und dem Recht des Anerben (in der Regel des jüngsten Sohnes oder
der ältesten unversorgten Tochter) auf einen „kindlichen Anschlag" des Guts-
wcrts; 2. ein lediglich auf Sitte und Herkommen beruhendes Anerbenrecht bei
übrigens völliger Gleichberechtigung der Geschwister und 3. die Erbfvlgeordnung
des badischen Landrechts, wonach jeder Miterbe seinen Anteil an liegender Habe
im Stück erhält und ein gesetzlicher Zwang zur Teilung besteht, falls auch nur
einer der Miterben dieselbe begehrt oder falls nicht alle Miterben anwesend
sind oder einer derselben mundlos oder minderjährig ist (Landrechtssatz 745
und 815).



*) So hat sich auch die badische Regierung seitdem veranlaßt gesehen, durch die Bezirks-
forsteien nähere Erhebungen veranstalten zu lassen.
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[0458] Die landwirtschaftliche Muster - Enquete in Baden. dem Einflüsse, den solche Ausdehnung der Waldfläche auf die Absatzverhältnisse der Forstprodukte ausüben würde, die Frage endlich, ob nicht hie und da andre Verhältnisse mitreden und berücksichtigt sein wollen, dies alles sind Fragen, deren Wichtigkeit für den Gegenstand niemand bestreikn wird, deren Beantwortung aber nur auf Grund genauerer Erhebungen mit einiger Sicherheit erfolgen kann.*) Sehr richtig ist es, wenn der badische Erhebuugsbericht hervorhebt, daß, je vielseitiger der landwirtschaftliche Betrieb sich gestaltet und eine je mannich- faltigere Benutzung die Beschaffenheit des Bodens und des Klimas zuläßt, umso befriedigendere Zustände für die bäuerliche Bevölkerung sich zu entwickeln pflegen, und daß die prekärsten und unter Umständen kritischsten Verhältnisse sehr leicht da entstehen, wo alles, sozusagen, auf eine Karte gesetzt ist. Gegenden, welche sich allzusehr auf irgendwelche Spezialkultnren verlegen (der Bericht hebt die Rebgemeinden besonders hervor), haben wohl in guten Jahren mitunter außer¬ ordentliche Resultate zu verzeichnen, aber sie schweben stets in der Gefahr, ein paar Jahre hintereinander garnichts zu erzielen und auf diese Weise rasch an den Bettelstab zu gelangen. Der Bericht empfiehlt für Gegenden, welche not¬ gedrungen ihre ganze Hoffnung auf ein einzelnes Gewächs setzen müssen, eine gute lokale Krcditorganisation als geeignetstes Mittel zur Bewerkstelligung eines gewissen Ausgleiches zwischen guten und schlechten Jahren, und wir glauben, daß damit das Richtige getroffen sei. Doch auch für diese Frage wäre weiteres Material von Wert. 2. Besitzverteilung und Erbrecht. Diesem Teile der landwirtschaftlichen Frage ist bei den Erhebungen mit Recht große Aufmerksamkeit zugewendet worden. Im wesentlichen ist, wie der Bericht sagt, die Besitzverteilung ein Produkt der bestehenden bäuerlichen Erb¬ folge, von der sich im Großherzogtum drei Arten unterscheiden lassen, nämlich: 1. das Hofgüterrecht des Schwarzwaldes, auf dem Edikt vom 13. März 1808 und den Landrechissätzen 827 o. beruhend, mit gesetzlicher Unteilbarkeit der Güter und dem Recht des Anerben (in der Regel des jüngsten Sohnes oder der ältesten unversorgten Tochter) auf einen „kindlichen Anschlag" des Guts- wcrts; 2. ein lediglich auf Sitte und Herkommen beruhendes Anerbenrecht bei übrigens völliger Gleichberechtigung der Geschwister und 3. die Erbfvlgeordnung des badischen Landrechts, wonach jeder Miterbe seinen Anteil an liegender Habe im Stück erhält und ein gesetzlicher Zwang zur Teilung besteht, falls auch nur einer der Miterben dieselbe begehrt oder falls nicht alle Miterben anwesend sind oder einer derselben mundlos oder minderjährig ist (Landrechtssatz 745 und 815). *) So hat sich auch die badische Regierung seitdem veranlaßt gesehen, durch die Bezirks- forsteien nähere Erhebungen veranstalten zu lassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/458>, abgerufen am 27.09.2024.