Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.vie Lngel auf Lrden. Die ganze Truppe ging zu Fuße, mit Ausnahme von Carajo und Cota, Als er Cerci vorbeigehen sah, erhob er sich aus seiner Lage und rief ihn Cerci gab seine Ungeduld über das Geschwätz des Trunkenen durch eine Zu Hause erwähnte er gegen niemand das Ergebnis seines Gesprächs mit Was es giebt? antwortete Cerci mit einem Ausbruche des Aergers, den Adele sah ihren Ehemann mit weit aufgerissenen Augen an, und da sie Aber was ist denn eigentlich passirt? Ist dir irgend ein Unrecht ge¬ Zu rechter Zeit kam Devcumis an und zog den Doktor aus der Verlegenheit. vie Lngel auf Lrden. Die ganze Truppe ging zu Fuße, mit Ausnahme von Carajo und Cota, Als er Cerci vorbeigehen sah, erhob er sich aus seiner Lage und rief ihn Cerci gab seine Ungeduld über das Geschwätz des Trunkenen durch eine Zu Hause erwähnte er gegen niemand das Ergebnis seines Gesprächs mit Was es giebt? antwortete Cerci mit einem Ausbruche des Aergers, den Adele sah ihren Ehemann mit weit aufgerissenen Augen an, und da sie Aber was ist denn eigentlich passirt? Ist dir irgend ein Unrecht ge¬ Zu rechter Zeit kam Devcumis an und zog den Doktor aus der Verlegenheit. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0397" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156668"/> <fw type="header" place="top"> vie Lngel auf Lrden.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1681"> Die ganze Truppe ging zu Fuße, mit Ausnahme von Carajo und Cota,<lb/> welche sich auf der letzten Karrete mitten unter den Gerätschaften ihrer Kunst<lb/> ausgestreckt hatten. Der letztere von beiden war von dem am Abend vorher<lb/> geschluckten Branntwein noch so betrunken, daß er wie ein Leichnam dalag, und<lb/> Carajo, welcher in keinem bessern Zustande gewesen, aber dank seiner kräftigern<lb/> Natur an dergleichen Ausschweifungen gewöhnt, längst wieder zu Sinnen ge¬<lb/> kommen war, streckte sein entblößtes Haupt, um es abzukühlen, in die frische<lb/> Luft und schien das Rütteln und Schütteln der Karrete nicht zu spüren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1682"> Als er Cerci vorbeigehen sah, erhob er sich aus seiner Lage und rief ihn<lb/> an: El, Herr Doktor! Ich grüße Sie, Herr Doktor. Wie Sie sehen, sind wir<lb/> da, wie ich Ihnen gestern gesagt habe. Wir stehen im Begriff, unser Zelt auf¬<lb/> zuschlagen. Ich will nicht gesagt haben, hente. denn heute — nun, wir sind<lb/> Künstler, welche wie die Primadonnen eine plötzliche chronische Indisposition<lb/> haben, aber morgen, morgen werden wir ganz sicher die erste Vorstellung geben.<lb/> Wir werde» die große Trompete ertönen lassen, um die vornehmen Herrschaften<lb/> einzuladen. Ich hoffe, daß auch Sie und Ihre Freunde, um im vorschriftsmüßigen<lb/> Stil zu sprechen, die Vorstellung mit Ihrer Gegenwart beehren werden. Geben<lb/> Sie Acht, Herr Doktor, unsre Ankunft wird ein Ereignis sein, man wird etwas<lb/> ganz neues sehen, ich sage Ihnen, was noch nicht dagewesen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1683"> Cerci gab seine Ungeduld über das Geschwätz des Trunkenen durch eine<lb/> Geste kund und setzte seinen Weg fort.</p><lb/> <p xml:id="ID_1684"> Zu Hause erwähnte er gegen niemand das Ergebnis seines Gesprächs mit<lb/> dem Grafen, verschwieg es sogar, daß er ihn gesehen hatte; aber er war den<lb/> ganzen Tag über in der übelsten Laune, was die gute Adele umsomehr be¬<lb/> unruhigte, als sie dies von ihrem Gatten garnicht gewohnt war. Sie fragte<lb/> ihn deshalb unter vier Augen, ob ihm irgendetwas Unangenehmes begegnet sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1685"> Was es giebt? antwortete Cerci mit einem Ausbruche des Aergers, den<lb/> er seit dem Vormittage in sich verschluckt hatte. Ich weiß jetzt, daß die feine<lb/> Welt eine Bestie ist, und daß der, welcher mit ihr auch nur in die leiseste<lb/> Berührung kommt, Schaden und Aerger davon hat. Diese elegante Gesellschaft,<lb/> welche sich hier im Bade versammelt hat, ist vielleicht der albernste und erbärm¬<lb/> lichste Teil dieser albernen Welt. Kokette Frauen und weibische Männer, lang¬<lb/> weilig und gelangweilt, die weiter keine Beschäftigung kennen als galante Affektirt-<lb/> heiten, welche einem übel machen, und Klatschereien, die sich bis zur Verleumdung<lb/> versteigen. Jeder, der über ihre müßigen, neidischen, genieinen, dummen und<lb/> boshaften Klatschereien erhaben ist, ist ihr geschworner Feind, sie beschmutzen<lb/> ihn mit den allerboshaftesten und infamsten Verleumdungen. Eine ehrenhafte<lb/> Frau, welche eine ehrenhafte Liebe im Herzen trägt, ein braver Mann, welcher<lb/> sich untersteht, mit seinem eignen Kopfe zu denken, werden verhöhnt, verdammt,<lb/> verachtet, ein betrügerischer Bankier, der wer weiß wieviel Millionen aufge¬<lb/> speichert hat, eine adliche Phryne genießen die demütigster Huldigungen dieser<lb/> Wackerer, welche sich anmaßen, die Blüte, sozusagen die Crßme der gebildeten<lb/> Gesellschaft zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1686"> Adele sah ihren Ehemann mit weit aufgerissenen Augen an, und da sie<lb/> die Ursache seines Zornausbruches nicht begriff, so ängstigte sie der Gedanke an<lb/> ein bevorstehendes Unheil nur noch mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1687"> Aber was ist denn eigentlich passirt? Ist dir irgend ein Unrecht ge¬<lb/> schehen? Sage mir alles, ich bitte dich!</p><lb/> <p xml:id="ID_1688"> Zu rechter Zeit kam Devcumis an und zog den Doktor aus der Verlegenheit.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0397]
vie Lngel auf Lrden.
Die ganze Truppe ging zu Fuße, mit Ausnahme von Carajo und Cota,
welche sich auf der letzten Karrete mitten unter den Gerätschaften ihrer Kunst
ausgestreckt hatten. Der letztere von beiden war von dem am Abend vorher
geschluckten Branntwein noch so betrunken, daß er wie ein Leichnam dalag, und
Carajo, welcher in keinem bessern Zustande gewesen, aber dank seiner kräftigern
Natur an dergleichen Ausschweifungen gewöhnt, längst wieder zu Sinnen ge¬
kommen war, streckte sein entblößtes Haupt, um es abzukühlen, in die frische
Luft und schien das Rütteln und Schütteln der Karrete nicht zu spüren.
Als er Cerci vorbeigehen sah, erhob er sich aus seiner Lage und rief ihn
an: El, Herr Doktor! Ich grüße Sie, Herr Doktor. Wie Sie sehen, sind wir
da, wie ich Ihnen gestern gesagt habe. Wir stehen im Begriff, unser Zelt auf¬
zuschlagen. Ich will nicht gesagt haben, hente. denn heute — nun, wir sind
Künstler, welche wie die Primadonnen eine plötzliche chronische Indisposition
haben, aber morgen, morgen werden wir ganz sicher die erste Vorstellung geben.
Wir werde» die große Trompete ertönen lassen, um die vornehmen Herrschaften
einzuladen. Ich hoffe, daß auch Sie und Ihre Freunde, um im vorschriftsmüßigen
Stil zu sprechen, die Vorstellung mit Ihrer Gegenwart beehren werden. Geben
Sie Acht, Herr Doktor, unsre Ankunft wird ein Ereignis sein, man wird etwas
ganz neues sehen, ich sage Ihnen, was noch nicht dagewesen ist.
Cerci gab seine Ungeduld über das Geschwätz des Trunkenen durch eine
Geste kund und setzte seinen Weg fort.
Zu Hause erwähnte er gegen niemand das Ergebnis seines Gesprächs mit
dem Grafen, verschwieg es sogar, daß er ihn gesehen hatte; aber er war den
ganzen Tag über in der übelsten Laune, was die gute Adele umsomehr be¬
unruhigte, als sie dies von ihrem Gatten garnicht gewohnt war. Sie fragte
ihn deshalb unter vier Augen, ob ihm irgendetwas Unangenehmes begegnet sei.
Was es giebt? antwortete Cerci mit einem Ausbruche des Aergers, den
er seit dem Vormittage in sich verschluckt hatte. Ich weiß jetzt, daß die feine
Welt eine Bestie ist, und daß der, welcher mit ihr auch nur in die leiseste
Berührung kommt, Schaden und Aerger davon hat. Diese elegante Gesellschaft,
welche sich hier im Bade versammelt hat, ist vielleicht der albernste und erbärm¬
lichste Teil dieser albernen Welt. Kokette Frauen und weibische Männer, lang¬
weilig und gelangweilt, die weiter keine Beschäftigung kennen als galante Affektirt-
heiten, welche einem übel machen, und Klatschereien, die sich bis zur Verleumdung
versteigen. Jeder, der über ihre müßigen, neidischen, genieinen, dummen und
boshaften Klatschereien erhaben ist, ist ihr geschworner Feind, sie beschmutzen
ihn mit den allerboshaftesten und infamsten Verleumdungen. Eine ehrenhafte
Frau, welche eine ehrenhafte Liebe im Herzen trägt, ein braver Mann, welcher
sich untersteht, mit seinem eignen Kopfe zu denken, werden verhöhnt, verdammt,
verachtet, ein betrügerischer Bankier, der wer weiß wieviel Millionen aufge¬
speichert hat, eine adliche Phryne genießen die demütigster Huldigungen dieser
Wackerer, welche sich anmaßen, die Blüte, sozusagen die Crßme der gebildeten
Gesellschaft zu sein.
Adele sah ihren Ehemann mit weit aufgerissenen Augen an, und da sie
die Ursache seines Zornausbruches nicht begriff, so ängstigte sie der Gedanke an
ein bevorstehendes Unheil nur noch mehr.
Aber was ist denn eigentlich passirt? Ist dir irgend ein Unrecht ge¬
schehen? Sage mir alles, ich bitte dich!
Zu rechter Zeit kam Devcumis an und zog den Doktor aus der Verlegenheit.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |