Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.Die deutsche Diaspora im Osten Europas. haben ; man wird daher die Zahl der in Bukarest lebenden Deutschen und dentsch- Die deutsche Diaspora im Osten Europas. haben ; man wird daher die Zahl der in Bukarest lebenden Deutschen und dentsch- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156627"/> <fw type="header" place="top"> Die deutsche Diaspora im Osten Europas.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1548" prev="#ID_1547" next="#ID_1549"> haben ; man wird daher die Zahl der in Bukarest lebenden Deutschen und dentsch-<lb/> redenden Österreicher auf wenigstens 20 000 und, wenn man die Juden hinzu¬<lb/> zählt, die sich im Hause unsrer Sprache bedienen, aus das Doppelte davon ver¬<lb/> anschlagen dürfen." Die Mehrheit der rumänischen Deutschen bekennt sich zum Pro¬<lb/> testantismus, und die evangelische Kirche ist durch die Schulen, die sie geschaffen hat<lb/> und zu denen auch eine Real- und eine höhere Töchterschule gehören, ein recht wirk¬<lb/> samer Faktor zur Erhaltung der deutschen Nationalität in der Metropole Ru¬<lb/> mäniens. Eine Geschichte der gewerblichen Thätigkeit in der letztern würde un¬<lb/> gefähr mit einer Geschichte ihrer deutschen Kolonie zusammenfallen. „Thatsächlich,<lb/> sagt unsre Schrift, existirt. . . kein Gebiet industrieller und kaufmännischer Ar¬<lb/> beit, auf welchem die Deutschen Bukarests nicht in erster Linie vertreten wären.<lb/> Unter den Buchdruckereien, lithographischen Anstalten und Buchhandlungen nehmen<lb/> die von Deutschen gegründeten und geleiteten unbestritten die oberste Stelle ein,<lb/> die erste Juweliersirma und die bedeutendste Fabrik chirurgischer Instrumente<lb/> sind deutschen Ursprungs, dasselbe gilt von den rcnommirtesten Möbel- und Wagen¬<lb/> fabrikanten, endlich haben die Gewerbe der Bäcker, Brauer und Fleischer vielen<lb/> unsrer hier eingewanderten Landsleuten zu großem Wohlstande verholfen. Die<lb/> gesuchtesten Arzte, die am meisten beschäftigten Baumeister Bukarests sind Deut¬<lb/> sche, desgleichen stammen die meisten dortigen Apotheker aus deutschen Orten,<lb/> vorzüglich aus Siebenbürgen." Selbstverständlich blüht unter solchen Umständen<lb/> dort auch das deutsche Vereinswesen in erfreulicher Weise. Schon 1852 ent¬<lb/> stand eine deutsche Liedertafel, 1856 kamen ein Unterstützungs-, ein Turm-, ein<lb/> Kranken- und Gewerbeverein und später auch eine Schntzengesellschcift, an der<lb/> sich u. a. deutsche Schweizer beteiligten, hinzu. Die Gesamtzahl der in andern<lb/> Mittelpunkten des Verkehrs Rumäniens, in Jassy, Krajowa, Turnul-Severin,<lb/> Braila, Galatz und Plojesti lebenden Deutschen übersteigt die der in Bukarest<lb/> ansässigen nicht erheblich, aber auch in diesen Städten sind sie durch Errichtung<lb/> von Schulen aus die Erhaltung ihrer Nationalität bedacht gewesen. Nament¬<lb/> lich hat sich das deutsche Element in der sogenannten Kleinen Walachei, dem<lb/> besten Striche des Königreichs, gedeihlich entwickelt. Nicht dasselbe läßt sich von<lb/> den deutschen Ansiedlern der Dobrutscha behaupten. Dieselben kamen nicht direkt<lb/> aus Deutschland, sondern aus Südrußland hierher, wo die Regierung sie bei<lb/> ihrem Eintreffen günstig gestellt, sie vielfach unterstützt und ihnen wert¬<lb/> volle Privilegien erteilt hatte, von wo sie aber auf türkisches Gebiet auswan¬<lb/> derten, als man sie gegen anfängliche Zusicherungen zur Ableistung der Militär¬<lb/> pflicht nötigen wollte. Unter der Herrschaft der Pforte ging es ihnen in<lb/> ihren Dörfern bei Tultscha recht Wohl. Als das Land aber 1878 mit Rumä¬<lb/> nien vereinigt worden war, trübte sich ihr Himmel. „Die Verfassung von 1866<lb/> hatte nämlich für die Erwerbung von Nuraleigcntum als unerläßliche Vorbe¬<lb/> dingung den Besitz des rumänischen Vollbürgerrechts vorgeschrieben. Man konnte<lb/> freilich dem Gesetze nicht rückwirkende Kraft geben, aber an Chikanen und Planke-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0356]
Die deutsche Diaspora im Osten Europas.
haben ; man wird daher die Zahl der in Bukarest lebenden Deutschen und dentsch-
redenden Österreicher auf wenigstens 20 000 und, wenn man die Juden hinzu¬
zählt, die sich im Hause unsrer Sprache bedienen, aus das Doppelte davon ver¬
anschlagen dürfen." Die Mehrheit der rumänischen Deutschen bekennt sich zum Pro¬
testantismus, und die evangelische Kirche ist durch die Schulen, die sie geschaffen hat
und zu denen auch eine Real- und eine höhere Töchterschule gehören, ein recht wirk¬
samer Faktor zur Erhaltung der deutschen Nationalität in der Metropole Ru¬
mäniens. Eine Geschichte der gewerblichen Thätigkeit in der letztern würde un¬
gefähr mit einer Geschichte ihrer deutschen Kolonie zusammenfallen. „Thatsächlich,
sagt unsre Schrift, existirt. . . kein Gebiet industrieller und kaufmännischer Ar¬
beit, auf welchem die Deutschen Bukarests nicht in erster Linie vertreten wären.
Unter den Buchdruckereien, lithographischen Anstalten und Buchhandlungen nehmen
die von Deutschen gegründeten und geleiteten unbestritten die oberste Stelle ein,
die erste Juweliersirma und die bedeutendste Fabrik chirurgischer Instrumente
sind deutschen Ursprungs, dasselbe gilt von den rcnommirtesten Möbel- und Wagen¬
fabrikanten, endlich haben die Gewerbe der Bäcker, Brauer und Fleischer vielen
unsrer hier eingewanderten Landsleuten zu großem Wohlstande verholfen. Die
gesuchtesten Arzte, die am meisten beschäftigten Baumeister Bukarests sind Deut¬
sche, desgleichen stammen die meisten dortigen Apotheker aus deutschen Orten,
vorzüglich aus Siebenbürgen." Selbstverständlich blüht unter solchen Umständen
dort auch das deutsche Vereinswesen in erfreulicher Weise. Schon 1852 ent¬
stand eine deutsche Liedertafel, 1856 kamen ein Unterstützungs-, ein Turm-, ein
Kranken- und Gewerbeverein und später auch eine Schntzengesellschcift, an der
sich u. a. deutsche Schweizer beteiligten, hinzu. Die Gesamtzahl der in andern
Mittelpunkten des Verkehrs Rumäniens, in Jassy, Krajowa, Turnul-Severin,
Braila, Galatz und Plojesti lebenden Deutschen übersteigt die der in Bukarest
ansässigen nicht erheblich, aber auch in diesen Städten sind sie durch Errichtung
von Schulen aus die Erhaltung ihrer Nationalität bedacht gewesen. Nament¬
lich hat sich das deutsche Element in der sogenannten Kleinen Walachei, dem
besten Striche des Königreichs, gedeihlich entwickelt. Nicht dasselbe läßt sich von
den deutschen Ansiedlern der Dobrutscha behaupten. Dieselben kamen nicht direkt
aus Deutschland, sondern aus Südrußland hierher, wo die Regierung sie bei
ihrem Eintreffen günstig gestellt, sie vielfach unterstützt und ihnen wert¬
volle Privilegien erteilt hatte, von wo sie aber auf türkisches Gebiet auswan¬
derten, als man sie gegen anfängliche Zusicherungen zur Ableistung der Militär¬
pflicht nötigen wollte. Unter der Herrschaft der Pforte ging es ihnen in
ihren Dörfern bei Tultscha recht Wohl. Als das Land aber 1878 mit Rumä¬
nien vereinigt worden war, trübte sich ihr Himmel. „Die Verfassung von 1866
hatte nämlich für die Erwerbung von Nuraleigcntum als unerläßliche Vorbe¬
dingung den Besitz des rumänischen Vollbürgerrechts vorgeschrieben. Man konnte
freilich dem Gesetze nicht rückwirkende Kraft geben, aber an Chikanen und Planke-
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