Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.Die Börsensteuerdebatte. derselben, und für Personen, deren Identität nicht feststeht, Aufträge zu Börsen¬ Man wird uns beistimmen, wenn wir dieses Gesetz als einen bedeutungs¬ Die Börsensteuerdebatte. derselben, und für Personen, deren Identität nicht feststeht, Aufträge zu Börsen¬ Man wird uns beistimmen, wenn wir dieses Gesetz als einen bedeutungs¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156583"/> <fw type="header" place="top"> Die Börsensteuerdebatte.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1378" prev="#ID_1377"> derselben, und für Personen, deren Identität nicht feststeht, Aufträge zu Börsen¬<lb/> geschäften anzunehmen." Hier sehen wir den praktischen Punkt getroffen, der<lb/> für die Annahme des Gesetzes den Ausschlag gegeben hat. Die steigende<lb/> Bedrohung öffentlicher Ämter und privater Vertrauensstellungen, sowie des<lb/> ganzen Geschäftslebens durch Unterschlagung, durch Betrug und durch Bankerotte,<lb/> die ihre Veranlassung im Börsenspiel haben, wird von weiten Kreisen schwer<lb/> empfunden. Auch in der Schweiz find die Kreditgenossenschaften Schulze-<lb/> Delitzschscher Reklame weit verbreitet; und die Erfahrungen, die man mit ungetreuen<lb/> Vorständen und Kassirern gemacht hat, sind dieselben wie bei uns. Thatsächlich<lb/> sind eben gerade die ungetreuen Beamten, welche mit dem fremden Gelde für<lb/> sich selbst an der Börse ein ungeheures Vermögen zu erspielen hoffen, besonders<lb/> für die kleineren Börsenagenten die gesuchtesten Geschäftsfreunde. Durch jene<lb/> Bestimmung wird dieser Art von Beziehungen der Boden wenigstens einiger¬<lb/> maßen untergraben. Denn Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz find bedroht<lb/> mit Geldstrafe im Betrage bis zu 5000 Franks und Gefängnisstrafe bei<lb/> schweren Fällen, sodann — was das wichtigste ist — mit Schadenersatzpflicht,<lb/> sodaß ein Bankier, durch den z. B. ein Kreditvereinstassirer das Geld seiner<lb/> Genossen an die Börse brachte, zur vollen Erstattung der Unterschlagungssumme<lb/> gezwungen werden kann. Zu dieser Strafe kann auch noch die zeitweilige oder<lb/> dauernde Konzessionsentziehung treten. Zur Sicherung haben die Bankiers<lb/> 10- bis 20 000 Franks, die Makler 3- bis 5000 Franks als Kaution bei der<lb/> Behörde niederzulegen. Wenn eine Kaution strafweise gänzlich oder zum Teil<lb/> eingezogen worden ist, so muß dieselbe binnen Monatsfrist ergänzt werden,<lb/> widrigenfalls die Konzession erlischt. Auch dürfen weder Bankiers noch Makler<lb/> Einverständnisse zur Treibung der Kurse eingehen, und die Verbreitung falscher<lb/> Nachrichten wird insbesondre bestraft. Bankerotterklärungen veranlassen sofortigen<lb/> Ausschluß von der Börse.</p><lb/> <p xml:id="ID_1379" next="#ID_1380"> Man wird uns beistimmen, wenn wir dieses Gesetz als einen bedeutungs¬<lb/> vollen Schritt bezeichnet haben. Es bleibt nun nur zu wünschen, daß dasselbe<lb/> auch gehandhabt werde. Dies scheint zu geschehen. Als die Züricher Börse sah,<lb/> daß alle ihre Anstrengungen, das Gesetz zu hintertreiben, vergeblich waren, erklärte<lb/> sie sich auflösen zu wollen und vollzog diese Auflösung thatsächlich mit Beginn<lb/> des Jahres 1884, wo das neue Gesetz in Kraft trat. In der Stille aber<lb/> versammelte man sich weiter und veröffentlichte sogar in den Zeitungen<lb/> Züricher Kurse. Da aber durch das Gesetz die Winkelbörsen untersagt find, so<lb/> schritt die Kantonalbehörde sofort ein, unterdrückte die Winkelbörse und verbot<lb/> den Zeitungen Züricher Kurse zu veröffentlichen. Die Zeitungen wollten sich<lb/> zwar gegen das Verbot auflehnen, aber da sie die Entschlossenheit der Negierung<lb/> bemerkten, hielten sie es für gut, klein beizugeben. Letzteres hat schließlich die.<lb/> ganze Züricher Jobberei gethan, indem sie erklärte, sich dem Gesetz unterwerfen<lb/> zu wollen, worauf am 1. April die Wiedereröffnung der Börse erfolgte. Daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0312]
Die Börsensteuerdebatte.
derselben, und für Personen, deren Identität nicht feststeht, Aufträge zu Börsen¬
geschäften anzunehmen." Hier sehen wir den praktischen Punkt getroffen, der
für die Annahme des Gesetzes den Ausschlag gegeben hat. Die steigende
Bedrohung öffentlicher Ämter und privater Vertrauensstellungen, sowie des
ganzen Geschäftslebens durch Unterschlagung, durch Betrug und durch Bankerotte,
die ihre Veranlassung im Börsenspiel haben, wird von weiten Kreisen schwer
empfunden. Auch in der Schweiz find die Kreditgenossenschaften Schulze-
Delitzschscher Reklame weit verbreitet; und die Erfahrungen, die man mit ungetreuen
Vorständen und Kassirern gemacht hat, sind dieselben wie bei uns. Thatsächlich
sind eben gerade die ungetreuen Beamten, welche mit dem fremden Gelde für
sich selbst an der Börse ein ungeheures Vermögen zu erspielen hoffen, besonders
für die kleineren Börsenagenten die gesuchtesten Geschäftsfreunde. Durch jene
Bestimmung wird dieser Art von Beziehungen der Boden wenigstens einiger¬
maßen untergraben. Denn Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz find bedroht
mit Geldstrafe im Betrage bis zu 5000 Franks und Gefängnisstrafe bei
schweren Fällen, sodann — was das wichtigste ist — mit Schadenersatzpflicht,
sodaß ein Bankier, durch den z. B. ein Kreditvereinstassirer das Geld seiner
Genossen an die Börse brachte, zur vollen Erstattung der Unterschlagungssumme
gezwungen werden kann. Zu dieser Strafe kann auch noch die zeitweilige oder
dauernde Konzessionsentziehung treten. Zur Sicherung haben die Bankiers
10- bis 20 000 Franks, die Makler 3- bis 5000 Franks als Kaution bei der
Behörde niederzulegen. Wenn eine Kaution strafweise gänzlich oder zum Teil
eingezogen worden ist, so muß dieselbe binnen Monatsfrist ergänzt werden,
widrigenfalls die Konzession erlischt. Auch dürfen weder Bankiers noch Makler
Einverständnisse zur Treibung der Kurse eingehen, und die Verbreitung falscher
Nachrichten wird insbesondre bestraft. Bankerotterklärungen veranlassen sofortigen
Ausschluß von der Börse.
Man wird uns beistimmen, wenn wir dieses Gesetz als einen bedeutungs¬
vollen Schritt bezeichnet haben. Es bleibt nun nur zu wünschen, daß dasselbe
auch gehandhabt werde. Dies scheint zu geschehen. Als die Züricher Börse sah,
daß alle ihre Anstrengungen, das Gesetz zu hintertreiben, vergeblich waren, erklärte
sie sich auflösen zu wollen und vollzog diese Auflösung thatsächlich mit Beginn
des Jahres 1884, wo das neue Gesetz in Kraft trat. In der Stille aber
versammelte man sich weiter und veröffentlichte sogar in den Zeitungen
Züricher Kurse. Da aber durch das Gesetz die Winkelbörsen untersagt find, so
schritt die Kantonalbehörde sofort ein, unterdrückte die Winkelbörse und verbot
den Zeitungen Züricher Kurse zu veröffentlichen. Die Zeitungen wollten sich
zwar gegen das Verbot auflehnen, aber da sie die Entschlossenheit der Negierung
bemerkten, hielten sie es für gut, klein beizugeben. Letzteres hat schließlich die.
ganze Züricher Jobberei gethan, indem sie erklärte, sich dem Gesetz unterwerfen
zu wollen, worauf am 1. April die Wiedereröffnung der Börse erfolgte. Daß
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