Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.Deutsche Aolonialpolitik. Beziehungen bedeuten bürgerliche Zwistigkeiten in Australien, Kanada und Süd¬ Das ist alles sehr richtig, und es läßt sich nur noch eins hinzufügen. Blicken wir zurück, so hat Fürst Bismarck seine frühere Ansicht, daß Ko¬ Deutsche Aolonialpolitik. Beziehungen bedeuten bürgerliche Zwistigkeiten in Australien, Kanada und Süd¬ Das ist alles sehr richtig, und es läßt sich nur noch eins hinzufügen. Blicken wir zurück, so hat Fürst Bismarck seine frühere Ansicht, daß Ko¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0173" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156444"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Aolonialpolitik.</fw><lb/> <p xml:id="ID_718" prev="#ID_717"> Beziehungen bedeuten bürgerliche Zwistigkeiten in Australien, Kanada und Süd¬<lb/> afrika."</p><lb/> <p xml:id="ID_719"> Das ist alles sehr richtig, und es läßt sich nur noch eins hinzufügen.<lb/> England wird, wie die Dinge sich in der letzten Zeit und namentlich nnter der<lb/> Herrschaft der Gladstoneschen Politik gestaltet haben, wohlthu», in seiner<lb/> Kolonialpolitik nicht an Erweiterung, sondern an Erhaltung seines Besitzes zu<lb/> denken. Wem Parteiliebe, wem der Liberalismus nicht die Augen verschließt,<lb/> muß sich in betreff dieses Besitzes stark beunruhigt fühlen. In Ostindien ist<lb/> das einheimische Volk durch die Herrschaft John Bulls in empörendein Maße<lb/> ausgesogen, tief verstimmt und in weiten Schichten zu einem neuen Aufstande<lb/> reif, während sich auf der einen Seite Rußland, auf der andern Frankreich<lb/> Wege gebahnt und Operationsbasen geschaffen haben, den dortigen Engländern<lb/> bei Gelegenheit in die Flanke zu fallen. Im Kaplande regt sich das „Afri-<lb/> kandertum," das schon im Boerenkrieg trotz dem Mangel an einem regelmäßigen<lb/> Heere mit Kanonen über die britischen Notröcke hoffnungsreiche Siege erfocht<lb/> und nicht bloß unter den Boeren Anhänger hat, welche die englische Herrschaft<lb/> als hassenswertes Joch betrachten und sie beim ersten günstigen Anlaß abzu¬<lb/> schütteln gesonnen sind. Ägypten endlich, wo die arabische Volkserhebung unter<lb/> dem Mahdi unaufhaltsam nach Norden vordringt und wo selbst am mittlern und<lb/> untern Nil Revolten sich vorbereiten, wird über kurz oder lang für England<lb/> verloren sein, wenn dieses nicht alle seine irgend verfügbaren Kräfte zur Ver¬<lb/> teidigung anspornt.</p><lb/> <p xml:id="ID_720"> Blicken wir zurück, so hat Fürst Bismarck seine frühere Ansicht, daß Ko¬<lb/> lonien für Deutschland überflüssig seien, insofern aufgegeben, als er zwar keine<lb/> Kolonien von Neichswegen gegründet wissen, Wohl aber Privatunternehmungen<lb/> nach dieser Richtung hin vom Reiche fördern und schützen lassen will. Dieser<lb/> Gedanke, der an die Anfänge des anglo-ostindischen Reiches erinnert, führt<lb/> uns in die große Konkurrenz um die noch nicht vergebenen überseeischen Preise<lb/> ein, wenn auch nicht direkt, als Staat, und manches blieb bei der Erörterung<lb/> der Angelegenheit wohl unausgesprochen, obwohl es nicht an einer leisen An¬<lb/> deutung weiterer Pläne fehlte. Man darf dabei an Neuguinea und vielleicht<lb/> auch an andre Punkte in Polynesien denken. In einigen Jahren wird die<lb/> darische Landenge durchstochen und damit die reiche Inselwelt des Stillen<lb/> Ozeans und der Südsee, die jetzt noch großenteils herrenloses Land ist, für<lb/> Europa verhältnismäßig nahe gerückt sein. Es wird ein Wettstreit der Nationen<lb/> um diese Gebiete beginnen, und wenn Deutschland, mit seiner Handelsflotte,<lb/> der dritten im Range, in dieser Beziehung nur schwächer als Großbritannien<lb/> und die nordamerikanische Union, davon nicht ausgeschlossen sein will, muß es<lb/> sich in der Zeit, wo der Wettstreit beginnt, wie andre Mächte dort schon an<lb/> einigen Punkten festgesetzt haben. Die Postdampfer, welche snbventionirt werden<lb/> sollen, könnten das vorbereiten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0173]
Deutsche Aolonialpolitik.
Beziehungen bedeuten bürgerliche Zwistigkeiten in Australien, Kanada und Süd¬
afrika."
Das ist alles sehr richtig, und es läßt sich nur noch eins hinzufügen.
England wird, wie die Dinge sich in der letzten Zeit und namentlich nnter der
Herrschaft der Gladstoneschen Politik gestaltet haben, wohlthu», in seiner
Kolonialpolitik nicht an Erweiterung, sondern an Erhaltung seines Besitzes zu
denken. Wem Parteiliebe, wem der Liberalismus nicht die Augen verschließt,
muß sich in betreff dieses Besitzes stark beunruhigt fühlen. In Ostindien ist
das einheimische Volk durch die Herrschaft John Bulls in empörendein Maße
ausgesogen, tief verstimmt und in weiten Schichten zu einem neuen Aufstande
reif, während sich auf der einen Seite Rußland, auf der andern Frankreich
Wege gebahnt und Operationsbasen geschaffen haben, den dortigen Engländern
bei Gelegenheit in die Flanke zu fallen. Im Kaplande regt sich das „Afri-
kandertum," das schon im Boerenkrieg trotz dem Mangel an einem regelmäßigen
Heere mit Kanonen über die britischen Notröcke hoffnungsreiche Siege erfocht
und nicht bloß unter den Boeren Anhänger hat, welche die englische Herrschaft
als hassenswertes Joch betrachten und sie beim ersten günstigen Anlaß abzu¬
schütteln gesonnen sind. Ägypten endlich, wo die arabische Volkserhebung unter
dem Mahdi unaufhaltsam nach Norden vordringt und wo selbst am mittlern und
untern Nil Revolten sich vorbereiten, wird über kurz oder lang für England
verloren sein, wenn dieses nicht alle seine irgend verfügbaren Kräfte zur Ver¬
teidigung anspornt.
Blicken wir zurück, so hat Fürst Bismarck seine frühere Ansicht, daß Ko¬
lonien für Deutschland überflüssig seien, insofern aufgegeben, als er zwar keine
Kolonien von Neichswegen gegründet wissen, Wohl aber Privatunternehmungen
nach dieser Richtung hin vom Reiche fördern und schützen lassen will. Dieser
Gedanke, der an die Anfänge des anglo-ostindischen Reiches erinnert, führt
uns in die große Konkurrenz um die noch nicht vergebenen überseeischen Preise
ein, wenn auch nicht direkt, als Staat, und manches blieb bei der Erörterung
der Angelegenheit wohl unausgesprochen, obwohl es nicht an einer leisen An¬
deutung weiterer Pläne fehlte. Man darf dabei an Neuguinea und vielleicht
auch an andre Punkte in Polynesien denken. In einigen Jahren wird die
darische Landenge durchstochen und damit die reiche Inselwelt des Stillen
Ozeans und der Südsee, die jetzt noch großenteils herrenloses Land ist, für
Europa verhältnismäßig nahe gerückt sein. Es wird ein Wettstreit der Nationen
um diese Gebiete beginnen, und wenn Deutschland, mit seiner Handelsflotte,
der dritten im Range, in dieser Beziehung nur schwächer als Großbritannien
und die nordamerikanische Union, davon nicht ausgeschlossen sein will, muß es
sich in der Zeit, wo der Wettstreit beginnt, wie andre Mächte dort schon an
einigen Punkten festgesetzt haben. Die Postdampfer, welche snbventionirt werden
sollen, könnten das vorbereiten.
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