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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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König Alfons und die Pariser Chauvinisten.

ihre Leser vor unvorsichtiger Beurteilung. Den König Alfons trifft nach dem
erstem allerdings keinerlei Verantwortlichkeit. Aber "es liegt auf der Hand,
daß der Kaiser und sein großer Minister in der Sache außer und über dem
zarten Vergnügen, den König von Spanien zu moralischer Gutheißung der
beiden letzten Eroberungen Preußens zu nötige", auch noch eine glückliche Methode
fanden, ihm in Frankreich einen Empfang zu bereiten, kalt genug vielleicht, um
das Siegel auf eine deutsch-spanische Allianz zu setzen." Das ^ouriuü ass
vsdats aber hat zwar durchaus nichts gegen die Ernennung einzuwenden, sieht
jedoch in der Wahl gerade des betreffenden Regiments einen Versuch, die patrio¬
tische Reizbarkeit der Franzosen aufzuregen, und will nur hoffen, daß der gesunde
Sinn des Publikums ein Manöver vereiteln werde, welches einzig dazu bestimmt
sein könne, Zwietracht zwischen zwei Nationen zu stiften, die in Wahrheit keine
Ursache zu Streitigkeiten haben -- wobei man sich an die Unterstützung erinnern
darf, welcher Don Carlos, der Prätendent, während des letzten Bürgerkrieges
von feiten Frankreichs sich zu erfreuen hatte.

Die ?rMvs endlich ist durch das Urteil der gemäßigten Journale nicht
zum Schweigen gebracht worden. Sie ließ einen zweiten Artikel vom Stapel,
der zwar nicht so pöbelhaft stilisirt war wie der erste, aber immer noch zu einer
Haltung studirter Kälte und Nichtachtung gegen den königlichen Besuch auf¬
forderte. Es hieß da: "Wenn das Ministerium in Mißachtung seiner Pflicht
als Vertretung der Nation und mit Vernachlässigung aller Vorsicht taub bleibt
gegen die sehr deutlichen Kundgebungen der öffentlichen Meinung, so ist es an
der Presse, dem Organe dieser Meinung, an der Presse, die alles gesagt hat,
was sie zu sagen verpflichtet war, den Bürgern, deren patriotische Mißbilligung
sie in Worte gefaßt hat, kühle Ruhe bei dem betrübenden Schauspiel anzu¬
empfehlen, das sich für den 28. September vorbereitet. Möge man keinen Ruf
vernehmen, möge man keine tumultarischen Zusammenläufe in den Straßen sehen.
Antworten wir auf Herausforderung und großthuerischem Hohn mit verächt¬
lichem Schweigen."

Tableau! Attitüde! Höchst bühnengerechter Rat! Aber lassen wir den
Schauspieler und fragen wir, was dabei herauskommt, wenn solche Stimmen
immer von neuem laut werden. Das unaufhörliche leichtfertige Großthun, das
sich in diesem und ähnlichem Geräusche kundgiebt, macht die Franzosen, die man
doch gern achten möchte, nicht nur lächerlich, sondern hat auch eine andre und
bedenklichere Folge. Es verleitet Leute, die mehr zu vertreten und zu verant¬
worten haben als die Zeitungsschreiber, Konsuln z. B., Land- und Seeoffiziere,
zu Versuchen, sich durch arrogantes Auftreten im Auslande daheim populär zu
machen, und es kann andrerseits nur die Geduld und Langmut derjenigen, gegen
die man solche Versuche spielen läßt, in ihrer Dauer kürzen. Wir werden uns,
mit andern Worten, leichter beleidigt fühlen, wenn der Beleidiger sich vorher
in den Ruf gebracht hat, andre Leute absichtlich von oben herab zu behandeln.


König Alfons und die Pariser Chauvinisten.

ihre Leser vor unvorsichtiger Beurteilung. Den König Alfons trifft nach dem
erstem allerdings keinerlei Verantwortlichkeit. Aber „es liegt auf der Hand,
daß der Kaiser und sein großer Minister in der Sache außer und über dem
zarten Vergnügen, den König von Spanien zu moralischer Gutheißung der
beiden letzten Eroberungen Preußens zu nötige», auch noch eine glückliche Methode
fanden, ihm in Frankreich einen Empfang zu bereiten, kalt genug vielleicht, um
das Siegel auf eine deutsch-spanische Allianz zu setzen." Das ^ouriuü ass
vsdats aber hat zwar durchaus nichts gegen die Ernennung einzuwenden, sieht
jedoch in der Wahl gerade des betreffenden Regiments einen Versuch, die patrio¬
tische Reizbarkeit der Franzosen aufzuregen, und will nur hoffen, daß der gesunde
Sinn des Publikums ein Manöver vereiteln werde, welches einzig dazu bestimmt
sein könne, Zwietracht zwischen zwei Nationen zu stiften, die in Wahrheit keine
Ursache zu Streitigkeiten haben — wobei man sich an die Unterstützung erinnern
darf, welcher Don Carlos, der Prätendent, während des letzten Bürgerkrieges
von feiten Frankreichs sich zu erfreuen hatte.

Die ?rMvs endlich ist durch das Urteil der gemäßigten Journale nicht
zum Schweigen gebracht worden. Sie ließ einen zweiten Artikel vom Stapel,
der zwar nicht so pöbelhaft stilisirt war wie der erste, aber immer noch zu einer
Haltung studirter Kälte und Nichtachtung gegen den königlichen Besuch auf¬
forderte. Es hieß da: „Wenn das Ministerium in Mißachtung seiner Pflicht
als Vertretung der Nation und mit Vernachlässigung aller Vorsicht taub bleibt
gegen die sehr deutlichen Kundgebungen der öffentlichen Meinung, so ist es an
der Presse, dem Organe dieser Meinung, an der Presse, die alles gesagt hat,
was sie zu sagen verpflichtet war, den Bürgern, deren patriotische Mißbilligung
sie in Worte gefaßt hat, kühle Ruhe bei dem betrübenden Schauspiel anzu¬
empfehlen, das sich für den 28. September vorbereitet. Möge man keinen Ruf
vernehmen, möge man keine tumultarischen Zusammenläufe in den Straßen sehen.
Antworten wir auf Herausforderung und großthuerischem Hohn mit verächt¬
lichem Schweigen."

Tableau! Attitüde! Höchst bühnengerechter Rat! Aber lassen wir den
Schauspieler und fragen wir, was dabei herauskommt, wenn solche Stimmen
immer von neuem laut werden. Das unaufhörliche leichtfertige Großthun, das
sich in diesem und ähnlichem Geräusche kundgiebt, macht die Franzosen, die man
doch gern achten möchte, nicht nur lächerlich, sondern hat auch eine andre und
bedenklichere Folge. Es verleitet Leute, die mehr zu vertreten und zu verant¬
worten haben als die Zeitungsschreiber, Konsuln z. B., Land- und Seeoffiziere,
zu Versuchen, sich durch arrogantes Auftreten im Auslande daheim populär zu
machen, und es kann andrerseits nur die Geduld und Langmut derjenigen, gegen
die man solche Versuche spielen läßt, in ihrer Dauer kürzen. Wir werden uns,
mit andern Worten, leichter beleidigt fühlen, wenn der Beleidiger sich vorher
in den Ruf gebracht hat, andre Leute absichtlich von oben herab zu behandeln.


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[0071] König Alfons und die Pariser Chauvinisten. ihre Leser vor unvorsichtiger Beurteilung. Den König Alfons trifft nach dem erstem allerdings keinerlei Verantwortlichkeit. Aber „es liegt auf der Hand, daß der Kaiser und sein großer Minister in der Sache außer und über dem zarten Vergnügen, den König von Spanien zu moralischer Gutheißung der beiden letzten Eroberungen Preußens zu nötige», auch noch eine glückliche Methode fanden, ihm in Frankreich einen Empfang zu bereiten, kalt genug vielleicht, um das Siegel auf eine deutsch-spanische Allianz zu setzen." Das ^ouriuü ass vsdats aber hat zwar durchaus nichts gegen die Ernennung einzuwenden, sieht jedoch in der Wahl gerade des betreffenden Regiments einen Versuch, die patrio¬ tische Reizbarkeit der Franzosen aufzuregen, und will nur hoffen, daß der gesunde Sinn des Publikums ein Manöver vereiteln werde, welches einzig dazu bestimmt sein könne, Zwietracht zwischen zwei Nationen zu stiften, die in Wahrheit keine Ursache zu Streitigkeiten haben — wobei man sich an die Unterstützung erinnern darf, welcher Don Carlos, der Prätendent, während des letzten Bürgerkrieges von feiten Frankreichs sich zu erfreuen hatte. Die ?rMvs endlich ist durch das Urteil der gemäßigten Journale nicht zum Schweigen gebracht worden. Sie ließ einen zweiten Artikel vom Stapel, der zwar nicht so pöbelhaft stilisirt war wie der erste, aber immer noch zu einer Haltung studirter Kälte und Nichtachtung gegen den königlichen Besuch auf¬ forderte. Es hieß da: „Wenn das Ministerium in Mißachtung seiner Pflicht als Vertretung der Nation und mit Vernachlässigung aller Vorsicht taub bleibt gegen die sehr deutlichen Kundgebungen der öffentlichen Meinung, so ist es an der Presse, dem Organe dieser Meinung, an der Presse, die alles gesagt hat, was sie zu sagen verpflichtet war, den Bürgern, deren patriotische Mißbilligung sie in Worte gefaßt hat, kühle Ruhe bei dem betrübenden Schauspiel anzu¬ empfehlen, das sich für den 28. September vorbereitet. Möge man keinen Ruf vernehmen, möge man keine tumultarischen Zusammenläufe in den Straßen sehen. Antworten wir auf Herausforderung und großthuerischem Hohn mit verächt¬ lichem Schweigen." Tableau! Attitüde! Höchst bühnengerechter Rat! Aber lassen wir den Schauspieler und fragen wir, was dabei herauskommt, wenn solche Stimmen immer von neuem laut werden. Das unaufhörliche leichtfertige Großthun, das sich in diesem und ähnlichem Geräusche kundgiebt, macht die Franzosen, die man doch gern achten möchte, nicht nur lächerlich, sondern hat auch eine andre und bedenklichere Folge. Es verleitet Leute, die mehr zu vertreten und zu verant¬ worten haben als die Zeitungsschreiber, Konsuln z. B., Land- und Seeoffiziere, zu Versuchen, sich durch arrogantes Auftreten im Auslande daheim populär zu machen, und es kann andrerseits nur die Geduld und Langmut derjenigen, gegen die man solche Versuche spielen läßt, in ihrer Dauer kürzen. Wir werden uns, mit andern Worten, leichter beleidigt fühlen, wenn der Beleidiger sich vorher in den Ruf gebracht hat, andre Leute absichtlich von oben herab zu behandeln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/71>, abgerufen am 01.09.2024.