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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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König Alfons und die Pariser Chauvinisten.

novem und Revuen! Gleichviel, der gegenwärtige Fall macht eine Ausnahme,
die dem König Alfons erwiesene Auszeichnung ist offenbar wohl überlegt und
berechnet, das Selbstgefühl der französischen Nation zu reizen, sie zu kranken
und herauszufordern, der König hat, als er sie annahm, sich zum Werkzeug
einer Beleidigung gemacht, und das muß ihm eingetränkt werden. Ein hoch¬
sinniges, sich seiner Würde bewußtes Volk darf ein solches Unterfangen gar¬
nicht stillschweigend über sich ergehen lassen.

Die Sache erscheint unglaublich, sie sieht wie eine recht krasse und plumpe
Satire auf die nörgelnde Eitelkeit des französischen Chauvinismus aus. Leider
aber ist sie nur zu begründet. Ja es wurde sogar berichtet, daß die Ernen¬
nung des König Alfons zum Ehrenobersten eines deutschen Regiments eine
Änderung im Programme der Festlichkeiten herbeigeführt habe, mit welchen
die französische Regierung ihren hohen Gast während seines Aufenthaltes in
Paris ursprünglich zu ehren gedachte. Die militärischen Übungen, bei denen
er zugegen sein sollte, sollten ausfallen, weil man dabei Kundgebungen verdrie߬
licher Art befürchtete. Natürlich wurde diesem Berichte schleunigst widersprochen,
aber inzwischen hatte ein vielverbreitetes Pariser Blatt, die Kranes, die Ge¬
legenheit ergriffen, einen Artikel in die Welt zu schicken, der mit seinem Ge¬
misch von kindischer Thorheit und gemeiner Dreistigkeit umso widerwärtiger
aussah, als er aus der Mitte einer Nation hervorgegangen war, die sich immer
als die erleuchtetste und höflichste auf Erden betrachtet wissen will. In
der That, wären alle, wären auch nur viele Franzosen von der Art, so
könnte man sich nur der Meinung anschließen, daß Frankreich durch die Repu¬
blik auch in Sachen des Verstandes und der guten Lebensart erheblich her¬
untergekommen sei. Die betreffende Tirade gegen "den Ulanen, Herrn Alfons
von Bourbon," in welcher vermutet wurde, Seine Majestät der König von
Spanien werde "als der gute Spion, der er nun geworden sein müsse, ohne
Zweifel die Gelegenheit ergreifen, Pläne vom Fort von Vincennes aufzunehmen
und den deutschen Heerführern nützliche Winke zu geben," war von der Be¬
schaffenheit, daß man nicht recht wußte, was darin mehr zu bewundern war,
die Tiefe der Gemeinheit oder die Größe der Albernheit des Verfassers und
des Publikums, dem er dergleichen zu bieten wagen durfte. Es folgten aber
noch anmutigere Leistungen: der Autor empfahl seinen Landsleuten, auf ihre
Pendulen Acht zu geben," und erteilte dem Gaste Frankreichs "den wohlge¬
meinten Rat, sich von dem Eintrachtsplatze fernzuhalten, da der Tag nahe
sei, wo "die Bewohner des Elsaß, die für Frankreich votirt haben," an diesem
Orte zusammenkommen würden, um die Bildsäule Straßburgs zu bekränzen.

Wir würden von diesen ebenso knabenhaften und rohen Ausbrüchen übler
Laune keinerlei Notiz genommen haben, wenn nicht in andern Blättern ähn¬
liches geäußert worden wäre, und wenn wir daraufhin nicht zu dem Schlüsse
berechtigt wären, daß die Meinung, die sich in solchen Ausschreitungen kund-


König Alfons und die Pariser Chauvinisten.

novem und Revuen! Gleichviel, der gegenwärtige Fall macht eine Ausnahme,
die dem König Alfons erwiesene Auszeichnung ist offenbar wohl überlegt und
berechnet, das Selbstgefühl der französischen Nation zu reizen, sie zu kranken
und herauszufordern, der König hat, als er sie annahm, sich zum Werkzeug
einer Beleidigung gemacht, und das muß ihm eingetränkt werden. Ein hoch¬
sinniges, sich seiner Würde bewußtes Volk darf ein solches Unterfangen gar¬
nicht stillschweigend über sich ergehen lassen.

Die Sache erscheint unglaublich, sie sieht wie eine recht krasse und plumpe
Satire auf die nörgelnde Eitelkeit des französischen Chauvinismus aus. Leider
aber ist sie nur zu begründet. Ja es wurde sogar berichtet, daß die Ernen¬
nung des König Alfons zum Ehrenobersten eines deutschen Regiments eine
Änderung im Programme der Festlichkeiten herbeigeführt habe, mit welchen
die französische Regierung ihren hohen Gast während seines Aufenthaltes in
Paris ursprünglich zu ehren gedachte. Die militärischen Übungen, bei denen
er zugegen sein sollte, sollten ausfallen, weil man dabei Kundgebungen verdrie߬
licher Art befürchtete. Natürlich wurde diesem Berichte schleunigst widersprochen,
aber inzwischen hatte ein vielverbreitetes Pariser Blatt, die Kranes, die Ge¬
legenheit ergriffen, einen Artikel in die Welt zu schicken, der mit seinem Ge¬
misch von kindischer Thorheit und gemeiner Dreistigkeit umso widerwärtiger
aussah, als er aus der Mitte einer Nation hervorgegangen war, die sich immer
als die erleuchtetste und höflichste auf Erden betrachtet wissen will. In
der That, wären alle, wären auch nur viele Franzosen von der Art, so
könnte man sich nur der Meinung anschließen, daß Frankreich durch die Repu¬
blik auch in Sachen des Verstandes und der guten Lebensart erheblich her¬
untergekommen sei. Die betreffende Tirade gegen „den Ulanen, Herrn Alfons
von Bourbon," in welcher vermutet wurde, Seine Majestät der König von
Spanien werde „als der gute Spion, der er nun geworden sein müsse, ohne
Zweifel die Gelegenheit ergreifen, Pläne vom Fort von Vincennes aufzunehmen
und den deutschen Heerführern nützliche Winke zu geben," war von der Be¬
schaffenheit, daß man nicht recht wußte, was darin mehr zu bewundern war,
die Tiefe der Gemeinheit oder die Größe der Albernheit des Verfassers und
des Publikums, dem er dergleichen zu bieten wagen durfte. Es folgten aber
noch anmutigere Leistungen: der Autor empfahl seinen Landsleuten, auf ihre
Pendulen Acht zu geben," und erteilte dem Gaste Frankreichs „den wohlge¬
meinten Rat, sich von dem Eintrachtsplatze fernzuhalten, da der Tag nahe
sei, wo „die Bewohner des Elsaß, die für Frankreich votirt haben," an diesem
Orte zusammenkommen würden, um die Bildsäule Straßburgs zu bekränzen.

Wir würden von diesen ebenso knabenhaften und rohen Ausbrüchen übler
Laune keinerlei Notiz genommen haben, wenn nicht in andern Blättern ähn¬
liches geäußert worden wäre, und wenn wir daraufhin nicht zu dem Schlüsse
berechtigt wären, daß die Meinung, die sich in solchen Ausschreitungen kund-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/68>, abgerufen am 27.07.2024.