Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

lichen. In den Städten mag. wenn sie keinen besondern Schulinspektor haben,
der Rektor oder der Geistliche Lokalschulinspektor sein. Beide Stände, der
Lehrer- wie der geistliche Stand, sind tagtäglich mit Lehren und Unterrichten
beschäftigt. Viele Geistliche waren längere Zeit in ihrem Leben nur im Lehr¬
fache thätig, und deshalb sind wir nicht gewillt, wie es andre für ratsam und
wünschenswert halten, sie von der Schulaufsicht prinzipiell auszuschließen. Wir
würden das für eine Unbilligkeit halten. Ist in einem Städtchen ein dazu ge¬
eigneter tüchtiger Oberlehrer oder Rektor vorhanden, so mag dieser die Lokal-
schnlcmfsicht führen, im andern Falle und vorausgesetzt, daß ihm Erfahrung und
Einsicht zur Seite steht, der Geistliche. Die evangelische Kirche wird, wenn die
Schulaufsicht in guten Händen liegt und gewissenhaft geführt wird, darob nicht
Streite". Ihr gilt das Wort: Lasset uns nicht eitler Ehre geizig sein!

Auch auf dem Lande, in den Dörfern scheint uns eine Lokalschulaufsicht
notwendig zu sein, und wir glauben nicht, daß der preußische Staat sie schlecht¬
weg beseitigen wird. Sie kann nur in der Hand des Geistlichen liegen, wenn
der Lehrer sich nicht selber beaufsichtigen soll. In der großen Mehrzahl der
Dörfer kann hinsichtlich der Lokalschulaufsicht nur der Pfarrer in Frage kommen.
Der Grund hierfür liegt in dem bereits Ausgeführten.

Wir wissen, daß in dieser Frage manche Lehrer nicht unsrer Ansicht sind.
Sie begehren aller Lokalaufsicht enthoben zu sein. Ob das angehen und wün¬
schenswert sein würde? Wir bezweifeln es. Den tüchtigen, gewissenhaften Lehrer
wird die Lokalschulaufsicht nicht geniren. Er thut seiue Pflicht und geht an
seine Tagesarbeit mit Freuden und innerer Genugthuung. Ihn kann und wird
der Lokalschulaufseher nur stützen und schützen. Aber der junge, noch uner¬
fahrene, oder der einer Leidenschaft fröhnende, gewissenlose, zu Jähzorn oder
Mißhandlungen geneigte Lehrer bedarf eines Mannes, der ihm -- am Orte
selbst -- zur Seite steht, ihn warnt, mahnt und korrigirt. Es kann nicht jede
berechtigte Klage über einen ungetreuen oder leidenschaftlichen Lehrer in die
Kreisstadt zum Kreisschulinspektor wandern. Manches muß kurzer Hand er¬
ledigt und abgethan werden.

Es dürfte kaum genügen, wenn der Kreisschulinspektor im Jahre einmal,
oder, wie neuerdings verfügt sein soll, zweimal die Schulen des Kreises besucht
und etwaige Klagen und Beschwerden über den Lehrer oder auch des Lehrers
gegen einzelne Schulkinder und deren Eltern einer näheren Untersuchung unter¬
zieht. Unsers Erachtens ist es durchaus ratsam, ja notwendig, wenn neben dem
Lehrer und ihm übergeordnet ein Mann von höherer Bildung steht, der um die
Schule und ihre Lehrgegenstände Bescheid weiß, dem jüngeren, unerfahrenen,
zuweilen wohl auch noch unbesonnene" Manne Rat erteilt und ihn auch gegen
unbegründete und unberechtigte Klagen oder Vorwürfe zu schützen versteht. Der¬
jenige Lokalschulaufseher würde seinen Beruf nicht richtig auffassen, der etwa
nur tadeln und zurechtrücken, nicht auch verteidigen, schützen und die Autorität


lichen. In den Städten mag. wenn sie keinen besondern Schulinspektor haben,
der Rektor oder der Geistliche Lokalschulinspektor sein. Beide Stände, der
Lehrer- wie der geistliche Stand, sind tagtäglich mit Lehren und Unterrichten
beschäftigt. Viele Geistliche waren längere Zeit in ihrem Leben nur im Lehr¬
fache thätig, und deshalb sind wir nicht gewillt, wie es andre für ratsam und
wünschenswert halten, sie von der Schulaufsicht prinzipiell auszuschließen. Wir
würden das für eine Unbilligkeit halten. Ist in einem Städtchen ein dazu ge¬
eigneter tüchtiger Oberlehrer oder Rektor vorhanden, so mag dieser die Lokal-
schnlcmfsicht führen, im andern Falle und vorausgesetzt, daß ihm Erfahrung und
Einsicht zur Seite steht, der Geistliche. Die evangelische Kirche wird, wenn die
Schulaufsicht in guten Händen liegt und gewissenhaft geführt wird, darob nicht
Streite». Ihr gilt das Wort: Lasset uns nicht eitler Ehre geizig sein!

Auch auf dem Lande, in den Dörfern scheint uns eine Lokalschulaufsicht
notwendig zu sein, und wir glauben nicht, daß der preußische Staat sie schlecht¬
weg beseitigen wird. Sie kann nur in der Hand des Geistlichen liegen, wenn
der Lehrer sich nicht selber beaufsichtigen soll. In der großen Mehrzahl der
Dörfer kann hinsichtlich der Lokalschulaufsicht nur der Pfarrer in Frage kommen.
Der Grund hierfür liegt in dem bereits Ausgeführten.

Wir wissen, daß in dieser Frage manche Lehrer nicht unsrer Ansicht sind.
Sie begehren aller Lokalaufsicht enthoben zu sein. Ob das angehen und wün¬
schenswert sein würde? Wir bezweifeln es. Den tüchtigen, gewissenhaften Lehrer
wird die Lokalschulaufsicht nicht geniren. Er thut seiue Pflicht und geht an
seine Tagesarbeit mit Freuden und innerer Genugthuung. Ihn kann und wird
der Lokalschulaufseher nur stützen und schützen. Aber der junge, noch uner¬
fahrene, oder der einer Leidenschaft fröhnende, gewissenlose, zu Jähzorn oder
Mißhandlungen geneigte Lehrer bedarf eines Mannes, der ihm — am Orte
selbst — zur Seite steht, ihn warnt, mahnt und korrigirt. Es kann nicht jede
berechtigte Klage über einen ungetreuen oder leidenschaftlichen Lehrer in die
Kreisstadt zum Kreisschulinspektor wandern. Manches muß kurzer Hand er¬
ledigt und abgethan werden.

Es dürfte kaum genügen, wenn der Kreisschulinspektor im Jahre einmal,
oder, wie neuerdings verfügt sein soll, zweimal die Schulen des Kreises besucht
und etwaige Klagen und Beschwerden über den Lehrer oder auch des Lehrers
gegen einzelne Schulkinder und deren Eltern einer näheren Untersuchung unter¬
zieht. Unsers Erachtens ist es durchaus ratsam, ja notwendig, wenn neben dem
Lehrer und ihm übergeordnet ein Mann von höherer Bildung steht, der um die
Schule und ihre Lehrgegenstände Bescheid weiß, dem jüngeren, unerfahrenen,
zuweilen wohl auch noch unbesonnene» Manne Rat erteilt und ihn auch gegen
unbegründete und unberechtigte Klagen oder Vorwürfe zu schützen versteht. Der¬
jenige Lokalschulaufseher würde seinen Beruf nicht richtig auffassen, der etwa
nur tadeln und zurechtrücken, nicht auch verteidigen, schützen und die Autorität


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0613" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154778"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1821" prev="#ID_1820"> lichen. In den Städten mag. wenn sie keinen besondern Schulinspektor haben,<lb/>
der Rektor oder der Geistliche Lokalschulinspektor sein. Beide Stände, der<lb/>
Lehrer- wie der geistliche Stand, sind tagtäglich mit Lehren und Unterrichten<lb/>
beschäftigt. Viele Geistliche waren längere Zeit in ihrem Leben nur im Lehr¬<lb/>
fache thätig, und deshalb sind wir nicht gewillt, wie es andre für ratsam und<lb/>
wünschenswert halten, sie von der Schulaufsicht prinzipiell auszuschließen. Wir<lb/>
würden das für eine Unbilligkeit halten. Ist in einem Städtchen ein dazu ge¬<lb/>
eigneter tüchtiger Oberlehrer oder Rektor vorhanden, so mag dieser die Lokal-<lb/>
schnlcmfsicht führen, im andern Falle und vorausgesetzt, daß ihm Erfahrung und<lb/>
Einsicht zur Seite steht, der Geistliche. Die evangelische Kirche wird, wenn die<lb/>
Schulaufsicht in guten Händen liegt und gewissenhaft geführt wird, darob nicht<lb/>
Streite». Ihr gilt das Wort: Lasset uns nicht eitler Ehre geizig sein!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1822"> Auch auf dem Lande, in den Dörfern scheint uns eine Lokalschulaufsicht<lb/>
notwendig zu sein, und wir glauben nicht, daß der preußische Staat sie schlecht¬<lb/>
weg beseitigen wird. Sie kann nur in der Hand des Geistlichen liegen, wenn<lb/>
der Lehrer sich nicht selber beaufsichtigen soll. In der großen Mehrzahl der<lb/>
Dörfer kann hinsichtlich der Lokalschulaufsicht nur der Pfarrer in Frage kommen.<lb/>
Der Grund hierfür liegt in dem bereits Ausgeführten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1823"> Wir wissen, daß in dieser Frage manche Lehrer nicht unsrer Ansicht sind.<lb/>
Sie begehren aller Lokalaufsicht enthoben zu sein. Ob das angehen und wün¬<lb/>
schenswert sein würde? Wir bezweifeln es. Den tüchtigen, gewissenhaften Lehrer<lb/>
wird die Lokalschulaufsicht nicht geniren. Er thut seiue Pflicht und geht an<lb/>
seine Tagesarbeit mit Freuden und innerer Genugthuung. Ihn kann und wird<lb/>
der Lokalschulaufseher nur stützen und schützen. Aber der junge, noch uner¬<lb/>
fahrene, oder der einer Leidenschaft fröhnende, gewissenlose, zu Jähzorn oder<lb/>
Mißhandlungen geneigte Lehrer bedarf eines Mannes, der ihm &#x2014; am Orte<lb/>
selbst &#x2014; zur Seite steht, ihn warnt, mahnt und korrigirt. Es kann nicht jede<lb/>
berechtigte Klage über einen ungetreuen oder leidenschaftlichen Lehrer in die<lb/>
Kreisstadt zum Kreisschulinspektor wandern. Manches muß kurzer Hand er¬<lb/>
ledigt und abgethan werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1824" next="#ID_1825"> Es dürfte kaum genügen, wenn der Kreisschulinspektor im Jahre einmal,<lb/>
oder, wie neuerdings verfügt sein soll, zweimal die Schulen des Kreises besucht<lb/>
und etwaige Klagen und Beschwerden über den Lehrer oder auch des Lehrers<lb/>
gegen einzelne Schulkinder und deren Eltern einer näheren Untersuchung unter¬<lb/>
zieht. Unsers Erachtens ist es durchaus ratsam, ja notwendig, wenn neben dem<lb/>
Lehrer und ihm übergeordnet ein Mann von höherer Bildung steht, der um die<lb/>
Schule und ihre Lehrgegenstände Bescheid weiß, dem jüngeren, unerfahrenen,<lb/>
zuweilen wohl auch noch unbesonnene» Manne Rat erteilt und ihn auch gegen<lb/>
unbegründete und unberechtigte Klagen oder Vorwürfe zu schützen versteht. Der¬<lb/>
jenige Lokalschulaufseher würde seinen Beruf nicht richtig auffassen, der etwa<lb/>
nur tadeln und zurechtrücken, nicht auch verteidigen, schützen und die Autorität</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0613] lichen. In den Städten mag. wenn sie keinen besondern Schulinspektor haben, der Rektor oder der Geistliche Lokalschulinspektor sein. Beide Stände, der Lehrer- wie der geistliche Stand, sind tagtäglich mit Lehren und Unterrichten beschäftigt. Viele Geistliche waren längere Zeit in ihrem Leben nur im Lehr¬ fache thätig, und deshalb sind wir nicht gewillt, wie es andre für ratsam und wünschenswert halten, sie von der Schulaufsicht prinzipiell auszuschließen. Wir würden das für eine Unbilligkeit halten. Ist in einem Städtchen ein dazu ge¬ eigneter tüchtiger Oberlehrer oder Rektor vorhanden, so mag dieser die Lokal- schnlcmfsicht führen, im andern Falle und vorausgesetzt, daß ihm Erfahrung und Einsicht zur Seite steht, der Geistliche. Die evangelische Kirche wird, wenn die Schulaufsicht in guten Händen liegt und gewissenhaft geführt wird, darob nicht Streite». Ihr gilt das Wort: Lasset uns nicht eitler Ehre geizig sein! Auch auf dem Lande, in den Dörfern scheint uns eine Lokalschulaufsicht notwendig zu sein, und wir glauben nicht, daß der preußische Staat sie schlecht¬ weg beseitigen wird. Sie kann nur in der Hand des Geistlichen liegen, wenn der Lehrer sich nicht selber beaufsichtigen soll. In der großen Mehrzahl der Dörfer kann hinsichtlich der Lokalschulaufsicht nur der Pfarrer in Frage kommen. Der Grund hierfür liegt in dem bereits Ausgeführten. Wir wissen, daß in dieser Frage manche Lehrer nicht unsrer Ansicht sind. Sie begehren aller Lokalaufsicht enthoben zu sein. Ob das angehen und wün¬ schenswert sein würde? Wir bezweifeln es. Den tüchtigen, gewissenhaften Lehrer wird die Lokalschulaufsicht nicht geniren. Er thut seiue Pflicht und geht an seine Tagesarbeit mit Freuden und innerer Genugthuung. Ihn kann und wird der Lokalschulaufseher nur stützen und schützen. Aber der junge, noch uner¬ fahrene, oder der einer Leidenschaft fröhnende, gewissenlose, zu Jähzorn oder Mißhandlungen geneigte Lehrer bedarf eines Mannes, der ihm — am Orte selbst — zur Seite steht, ihn warnt, mahnt und korrigirt. Es kann nicht jede berechtigte Klage über einen ungetreuen oder leidenschaftlichen Lehrer in die Kreisstadt zum Kreisschulinspektor wandern. Manches muß kurzer Hand er¬ ledigt und abgethan werden. Es dürfte kaum genügen, wenn der Kreisschulinspektor im Jahre einmal, oder, wie neuerdings verfügt sein soll, zweimal die Schulen des Kreises besucht und etwaige Klagen und Beschwerden über den Lehrer oder auch des Lehrers gegen einzelne Schulkinder und deren Eltern einer näheren Untersuchung unter¬ zieht. Unsers Erachtens ist es durchaus ratsam, ja notwendig, wenn neben dem Lehrer und ihm übergeordnet ein Mann von höherer Bildung steht, der um die Schule und ihre Lehrgegenstände Bescheid weiß, dem jüngeren, unerfahrenen, zuweilen wohl auch noch unbesonnene» Manne Rat erteilt und ihn auch gegen unbegründete und unberechtigte Klagen oder Vorwürfe zu schützen versteht. Der¬ jenige Lokalschulaufseher würde seinen Beruf nicht richtig auffassen, der etwa nur tadeln und zurechtrücken, nicht auch verteidigen, schützen und die Autorität

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/613
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/613>, abgerufen am 28.07.2024.