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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Desideria der Llementarlehrer.

lehrer sich bewegen sollten oder könnten. Wir wünschen, daß durch günstige
Erledigung dieser Angelegenheit den fortschrittlichen Agitationen der Boden unter
den Füßen weggezogen werde.

Mit der Schulaufsichtsfrage hat sich dies Jahr der zweite deutsche evange¬
lische Schulkongreß zu Kassel vom 25. bis zum 27. September eingehend beschäftigt.
Die Verhandlungen des ersten und des zweiten deutschen Schulkongresses sind
im Druck erschienen und enthalten eine Reihe sehr tüchtiger und fesselnder Re¬
ferate über pädagogische Fragen aus der Feder von Gymnasialdirektoren, Rek¬
toren, Gymnasial- und Elementarlehrern. Bei diesen Kongressen reichen sich
nämlich Gymnasium, Realschule und Volksschule die Hand; sie wollen für den
christlichen und den evangelischen Charakter der Schulen eintreten. Die Ver¬
handlungen waren ungemein anregend, und es ist sür das Jahr 1884 ein dritter
Schulkongreß in Stuttgart in Aussicht genommen. Die Freunde der evange¬
lischen Schule insonderheit werden an dem gediegenen und mannichfaltigen In¬
halt der Kvngreßverhandlnngen ihre Freude haben.

Pastor Zillessen von Orsoy (Rheinprovinz), dieser warme und sachkundige
Freund der evangelischen Schule, erstattete das Referat über die Schulaufsichts-
srage, mit welchem wir uns im wesentlichen einverstanden erklären. Seine For¬
derungen und Anträge entsprechen in der Hauptsache den Wünschen vieler Ele¬
mentarlehrer. Es sind die folgenden: Die Schulaufsicht im Kreis und an
mehrklassigcn Schulen möchte, mehr als bisher, von tüchtigen, dazu geeigneten
Lehrern geführt werden, sodaß für begabte und dazu die Vorbedingungen in
sich tragende Kräfte ein Aufrücken zu höhern Ämtern stattfände, so zum Amte
des Krcisschulinspcktors, des Rektors, des Hcmptlchrers. Die beiden letztern
würden an der Spitze stehen und verantwortlich sein für die Leitung eines Kom¬
plexes von Schulen in Städten und in größern Orten. Die andern Lehrer
würden ihrer Aufsicht unterstellt sein und jene sich übergeordnet wissen; dem
Kreisschulinspektor läge es ob, die Schulen eines Kreises zu Visitiren, die Lehrer¬
konferenzen abzuhalten und so weiter.

Diese Ämter waren bisher schon an einzelnen Orten Elementarlehrern oder
Seminarlehrcrn anvertraut, bei welchen man die notwendige Qualifikation hierzu
gefunden hatte, oder die ihre Tüchtigkeit in der Praxis und dnrch Examen an
den Tag gelegt hatten. Man wünscht jedoch Vonseiten des Lehrerstandes, daß
dergleichen Aufsichtsämter möglichst überall Lehrern und Pädagogen anvertraut
würden, und zwar aus zwei Gründen: einmal damit eine Gelegenheit zum
Aufrücken für tüchtige Lehrkräfte geboten werde, sodann weil der Lehrerstand,
wie es vielfach auch bei andern Berufsarten üblich ist, gern von Leuten aus
seiner Mitte, von Amts- und Fachgenossen sich beaufsichtigt und beurteilt sähe.
An den Schulen selbst, bei Rektor- und Oberlehrcrstellen, wird dem auch nichts
im Wege stehen, und die Praxis hat es bisher schon meist mit sich gebracht,
daß tüchtige Lehrer in diese Aufsichtsstelleu aufrückten. Schwieriger erscheint


Grenzboten IV. 1833. 76
Desideria der Llementarlehrer.

lehrer sich bewegen sollten oder könnten. Wir wünschen, daß durch günstige
Erledigung dieser Angelegenheit den fortschrittlichen Agitationen der Boden unter
den Füßen weggezogen werde.

Mit der Schulaufsichtsfrage hat sich dies Jahr der zweite deutsche evange¬
lische Schulkongreß zu Kassel vom 25. bis zum 27. September eingehend beschäftigt.
Die Verhandlungen des ersten und des zweiten deutschen Schulkongresses sind
im Druck erschienen und enthalten eine Reihe sehr tüchtiger und fesselnder Re¬
ferate über pädagogische Fragen aus der Feder von Gymnasialdirektoren, Rek¬
toren, Gymnasial- und Elementarlehrern. Bei diesen Kongressen reichen sich
nämlich Gymnasium, Realschule und Volksschule die Hand; sie wollen für den
christlichen und den evangelischen Charakter der Schulen eintreten. Die Ver¬
handlungen waren ungemein anregend, und es ist sür das Jahr 1884 ein dritter
Schulkongreß in Stuttgart in Aussicht genommen. Die Freunde der evange¬
lischen Schule insonderheit werden an dem gediegenen und mannichfaltigen In¬
halt der Kvngreßverhandlnngen ihre Freude haben.

Pastor Zillessen von Orsoy (Rheinprovinz), dieser warme und sachkundige
Freund der evangelischen Schule, erstattete das Referat über die Schulaufsichts-
srage, mit welchem wir uns im wesentlichen einverstanden erklären. Seine For¬
derungen und Anträge entsprechen in der Hauptsache den Wünschen vieler Ele¬
mentarlehrer. Es sind die folgenden: Die Schulaufsicht im Kreis und an
mehrklassigcn Schulen möchte, mehr als bisher, von tüchtigen, dazu geeigneten
Lehrern geführt werden, sodaß für begabte und dazu die Vorbedingungen in
sich tragende Kräfte ein Aufrücken zu höhern Ämtern stattfände, so zum Amte
des Krcisschulinspcktors, des Rektors, des Hcmptlchrers. Die beiden letztern
würden an der Spitze stehen und verantwortlich sein für die Leitung eines Kom¬
plexes von Schulen in Städten und in größern Orten. Die andern Lehrer
würden ihrer Aufsicht unterstellt sein und jene sich übergeordnet wissen; dem
Kreisschulinspektor läge es ob, die Schulen eines Kreises zu Visitiren, die Lehrer¬
konferenzen abzuhalten und so weiter.

Diese Ämter waren bisher schon an einzelnen Orten Elementarlehrern oder
Seminarlehrcrn anvertraut, bei welchen man die notwendige Qualifikation hierzu
gefunden hatte, oder die ihre Tüchtigkeit in der Praxis und dnrch Examen an
den Tag gelegt hatten. Man wünscht jedoch Vonseiten des Lehrerstandes, daß
dergleichen Aufsichtsämter möglichst überall Lehrern und Pädagogen anvertraut
würden, und zwar aus zwei Gründen: einmal damit eine Gelegenheit zum
Aufrücken für tüchtige Lehrkräfte geboten werde, sodann weil der Lehrerstand,
wie es vielfach auch bei andern Berufsarten üblich ist, gern von Leuten aus
seiner Mitte, von Amts- und Fachgenossen sich beaufsichtigt und beurteilt sähe.
An den Schulen selbst, bei Rektor- und Oberlehrcrstellen, wird dem auch nichts
im Wege stehen, und die Praxis hat es bisher schon meist mit sich gebracht,
daß tüchtige Lehrer in diese Aufsichtsstelleu aufrückten. Schwieriger erscheint


Grenzboten IV. 1833. 76
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[0611] Desideria der Llementarlehrer. lehrer sich bewegen sollten oder könnten. Wir wünschen, daß durch günstige Erledigung dieser Angelegenheit den fortschrittlichen Agitationen der Boden unter den Füßen weggezogen werde. Mit der Schulaufsichtsfrage hat sich dies Jahr der zweite deutsche evange¬ lische Schulkongreß zu Kassel vom 25. bis zum 27. September eingehend beschäftigt. Die Verhandlungen des ersten und des zweiten deutschen Schulkongresses sind im Druck erschienen und enthalten eine Reihe sehr tüchtiger und fesselnder Re¬ ferate über pädagogische Fragen aus der Feder von Gymnasialdirektoren, Rek¬ toren, Gymnasial- und Elementarlehrern. Bei diesen Kongressen reichen sich nämlich Gymnasium, Realschule und Volksschule die Hand; sie wollen für den christlichen und den evangelischen Charakter der Schulen eintreten. Die Ver¬ handlungen waren ungemein anregend, und es ist sür das Jahr 1884 ein dritter Schulkongreß in Stuttgart in Aussicht genommen. Die Freunde der evange¬ lischen Schule insonderheit werden an dem gediegenen und mannichfaltigen In¬ halt der Kvngreßverhandlnngen ihre Freude haben. Pastor Zillessen von Orsoy (Rheinprovinz), dieser warme und sachkundige Freund der evangelischen Schule, erstattete das Referat über die Schulaufsichts- srage, mit welchem wir uns im wesentlichen einverstanden erklären. Seine For¬ derungen und Anträge entsprechen in der Hauptsache den Wünschen vieler Ele¬ mentarlehrer. Es sind die folgenden: Die Schulaufsicht im Kreis und an mehrklassigcn Schulen möchte, mehr als bisher, von tüchtigen, dazu geeigneten Lehrern geführt werden, sodaß für begabte und dazu die Vorbedingungen in sich tragende Kräfte ein Aufrücken zu höhern Ämtern stattfände, so zum Amte des Krcisschulinspcktors, des Rektors, des Hcmptlchrers. Die beiden letztern würden an der Spitze stehen und verantwortlich sein für die Leitung eines Kom¬ plexes von Schulen in Städten und in größern Orten. Die andern Lehrer würden ihrer Aufsicht unterstellt sein und jene sich übergeordnet wissen; dem Kreisschulinspektor läge es ob, die Schulen eines Kreises zu Visitiren, die Lehrer¬ konferenzen abzuhalten und so weiter. Diese Ämter waren bisher schon an einzelnen Orten Elementarlehrern oder Seminarlehrcrn anvertraut, bei welchen man die notwendige Qualifikation hierzu gefunden hatte, oder die ihre Tüchtigkeit in der Praxis und dnrch Examen an den Tag gelegt hatten. Man wünscht jedoch Vonseiten des Lehrerstandes, daß dergleichen Aufsichtsämter möglichst überall Lehrern und Pädagogen anvertraut würden, und zwar aus zwei Gründen: einmal damit eine Gelegenheit zum Aufrücken für tüchtige Lehrkräfte geboten werde, sodann weil der Lehrerstand, wie es vielfach auch bei andern Berufsarten üblich ist, gern von Leuten aus seiner Mitte, von Amts- und Fachgenossen sich beaufsichtigt und beurteilt sähe. An den Schulen selbst, bei Rektor- und Oberlehrcrstellen, wird dem auch nichts im Wege stehen, und die Praxis hat es bisher schon meist mit sich gebracht, daß tüchtige Lehrer in diese Aufsichtsstelleu aufrückten. Schwieriger erscheint Grenzboten IV. 1833. 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/611>, abgerufen am 28.07.2024.