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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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ihn selbst zurückwirkt. Und umgekehrt wird der Arbeitsertrag umsomehr ge¬
fährdet und jedenfalls umso geringer werden, je entfernter die Absatzpnnkte
sind; umso leichter können aber auch die Absatzpunkte durch die Konkurrenz
und selbst durch bloße Zufälligkeiten abgeschnitten werden, wodurch die Gewerb-
thätigkeit, welche vorzugsweise oder vielleicht gar ausschließlich auf den Export
zugeschnitten und angewiesen ist, den innern Halt verliert und in fortwährendem
Schwanken sich befindet. Es entspricht vollkommen diesem Zustande, wenn der
jährliche Durchschnittssatz der Bankerotte in England die Zahl von 10 000
übersteigt. Nicht minder giebt das fortwährende Aufsteigen und Zurückfallen
von praktischen gewerblichen und industriellen Bestrebungen für diese Verhält¬
nisse eine Probe, die man sicher nicht als gut bezeichnen kann.

Gleichwohl müßte auch die Zunft mit diesen Verhältnissen rechnen, denn
sie bestehen in höchst einflußreicher Wirksamkeit und das Handgcwerbe leidet
nicht wenig uuter denselben. Daher niüßte denn auch eine Aufgabe der Zunft
in der Emanzipation von diesen Verhältnissen, ja sogar in der Überwindung
derselben bestehen. Allein zunächst muß auch sie sich in die geschaffenen Ver¬
hältnisse schicken und es ihre" Genossen ermöglichen, in die vorhandene Kon¬
kurrenz ebenfalls erfolgreich einzutreten. Das wird man aber praktisch nicht
erreichen durch die sogenannte Verbesserung der Kreditverhältnisse, welche für
den, dein sie nützen sollen, immer eine Verschlechterung der Lage nach sich ziehen,
auch nicht durch bloße polizeiliche Maßnahmen -- Prüfung der Arbeiten der
Zunftgenossen durch die Zunft --sondern durch eine Organisation, welche
die Zunftgenossen unmittelbar auf den Gebrauchsmarkt führt. Letzteres bedingt
natürlich einerseits, daß die Zunft in erster Linie auf dem Rohstoffmarkt bis
zu den Quellen vordringe und den Zunftgenossen den Bezug der Rohstoffe
nicht nur zu den billigsten Preisen, sondern auch zu denselben "koulanten"
Bedingungen, welche die moderne wucherische Konkurrenz bietet, gestattet. Ja
sie muß diese Konkurrenz sogar unterbieten, muß ihr die Spitze abbrechen durch
Vorteile, welche die Wucherkonkurrenz zu bieten gar nicht imstande ist.

Allerdings hat es in neuerer Zeit nicht an Versuchen gefehlt, welche
scheinbar auf dasselbe, was hier gefordert wird, hinauslaufen. Man hat die
sogenannten "Rohstoffgenossenschaftcn" auf Schulze-Dclitzschen Prinzipien; aber
sämtlich bestehen sie nur mit Mühe, wenn sie sich überhaupt gehalten haben,
und sie vermögen gegen die Privatkonkurrenz nicht auszukommen. Indes beruht
dies lediglich darauf, daß die Schutze-Delitzschschen sogenannten Genossenschafts-
pnnzipicn keinerlei sozialen Wert haben und sich völlig innerhalb des manchestcr-
lichen Mißwirtschaftszirkels bewegen. Alle Schulze-Dclitzschschen Gründungen sind
kapitalistischer Art und haben den kapitalistischen Zweck der Dividenden- und
Tantiemenreißerei. Die Schulze-Delitzschschen "Genossenschaften" sind gar keine Ge-
"vssenschaften im deutschen Sinne, sondern lediglich Aktiengesellschaften mit un¬
beschränkter Haftbarkeit. Die Genossenschafter haben der Genossenschaft gegenüber


ihn selbst zurückwirkt. Und umgekehrt wird der Arbeitsertrag umsomehr ge¬
fährdet und jedenfalls umso geringer werden, je entfernter die Absatzpnnkte
sind; umso leichter können aber auch die Absatzpunkte durch die Konkurrenz
und selbst durch bloße Zufälligkeiten abgeschnitten werden, wodurch die Gewerb-
thätigkeit, welche vorzugsweise oder vielleicht gar ausschließlich auf den Export
zugeschnitten und angewiesen ist, den innern Halt verliert und in fortwährendem
Schwanken sich befindet. Es entspricht vollkommen diesem Zustande, wenn der
jährliche Durchschnittssatz der Bankerotte in England die Zahl von 10 000
übersteigt. Nicht minder giebt das fortwährende Aufsteigen und Zurückfallen
von praktischen gewerblichen und industriellen Bestrebungen für diese Verhält¬
nisse eine Probe, die man sicher nicht als gut bezeichnen kann.

Gleichwohl müßte auch die Zunft mit diesen Verhältnissen rechnen, denn
sie bestehen in höchst einflußreicher Wirksamkeit und das Handgcwerbe leidet
nicht wenig uuter denselben. Daher niüßte denn auch eine Aufgabe der Zunft
in der Emanzipation von diesen Verhältnissen, ja sogar in der Überwindung
derselben bestehen. Allein zunächst muß auch sie sich in die geschaffenen Ver¬
hältnisse schicken und es ihre» Genossen ermöglichen, in die vorhandene Kon¬
kurrenz ebenfalls erfolgreich einzutreten. Das wird man aber praktisch nicht
erreichen durch die sogenannte Verbesserung der Kreditverhältnisse, welche für
den, dein sie nützen sollen, immer eine Verschlechterung der Lage nach sich ziehen,
auch nicht durch bloße polizeiliche Maßnahmen — Prüfung der Arbeiten der
Zunftgenossen durch die Zunft —sondern durch eine Organisation, welche
die Zunftgenossen unmittelbar auf den Gebrauchsmarkt führt. Letzteres bedingt
natürlich einerseits, daß die Zunft in erster Linie auf dem Rohstoffmarkt bis
zu den Quellen vordringe und den Zunftgenossen den Bezug der Rohstoffe
nicht nur zu den billigsten Preisen, sondern auch zu denselben „koulanten"
Bedingungen, welche die moderne wucherische Konkurrenz bietet, gestattet. Ja
sie muß diese Konkurrenz sogar unterbieten, muß ihr die Spitze abbrechen durch
Vorteile, welche die Wucherkonkurrenz zu bieten gar nicht imstande ist.

Allerdings hat es in neuerer Zeit nicht an Versuchen gefehlt, welche
scheinbar auf dasselbe, was hier gefordert wird, hinauslaufen. Man hat die
sogenannten „Rohstoffgenossenschaftcn" auf Schulze-Dclitzschen Prinzipien; aber
sämtlich bestehen sie nur mit Mühe, wenn sie sich überhaupt gehalten haben,
und sie vermögen gegen die Privatkonkurrenz nicht auszukommen. Indes beruht
dies lediglich darauf, daß die Schutze-Delitzschschen sogenannten Genossenschafts-
pnnzipicn keinerlei sozialen Wert haben und sich völlig innerhalb des manchestcr-
lichen Mißwirtschaftszirkels bewegen. Alle Schulze-Dclitzschschen Gründungen sind
kapitalistischer Art und haben den kapitalistischen Zweck der Dividenden- und
Tantiemenreißerei. Die Schulze-Delitzschschen „Genossenschaften" sind gar keine Ge-
"vssenschaften im deutschen Sinne, sondern lediglich Aktiengesellschaften mit un¬
beschränkter Haftbarkeit. Die Genossenschafter haben der Genossenschaft gegenüber


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[0605] ihn selbst zurückwirkt. Und umgekehrt wird der Arbeitsertrag umsomehr ge¬ fährdet und jedenfalls umso geringer werden, je entfernter die Absatzpnnkte sind; umso leichter können aber auch die Absatzpunkte durch die Konkurrenz und selbst durch bloße Zufälligkeiten abgeschnitten werden, wodurch die Gewerb- thätigkeit, welche vorzugsweise oder vielleicht gar ausschließlich auf den Export zugeschnitten und angewiesen ist, den innern Halt verliert und in fortwährendem Schwanken sich befindet. Es entspricht vollkommen diesem Zustande, wenn der jährliche Durchschnittssatz der Bankerotte in England die Zahl von 10 000 übersteigt. Nicht minder giebt das fortwährende Aufsteigen und Zurückfallen von praktischen gewerblichen und industriellen Bestrebungen für diese Verhält¬ nisse eine Probe, die man sicher nicht als gut bezeichnen kann. Gleichwohl müßte auch die Zunft mit diesen Verhältnissen rechnen, denn sie bestehen in höchst einflußreicher Wirksamkeit und das Handgcwerbe leidet nicht wenig uuter denselben. Daher niüßte denn auch eine Aufgabe der Zunft in der Emanzipation von diesen Verhältnissen, ja sogar in der Überwindung derselben bestehen. Allein zunächst muß auch sie sich in die geschaffenen Ver¬ hältnisse schicken und es ihre» Genossen ermöglichen, in die vorhandene Kon¬ kurrenz ebenfalls erfolgreich einzutreten. Das wird man aber praktisch nicht erreichen durch die sogenannte Verbesserung der Kreditverhältnisse, welche für den, dein sie nützen sollen, immer eine Verschlechterung der Lage nach sich ziehen, auch nicht durch bloße polizeiliche Maßnahmen — Prüfung der Arbeiten der Zunftgenossen durch die Zunft —sondern durch eine Organisation, welche die Zunftgenossen unmittelbar auf den Gebrauchsmarkt führt. Letzteres bedingt natürlich einerseits, daß die Zunft in erster Linie auf dem Rohstoffmarkt bis zu den Quellen vordringe und den Zunftgenossen den Bezug der Rohstoffe nicht nur zu den billigsten Preisen, sondern auch zu denselben „koulanten" Bedingungen, welche die moderne wucherische Konkurrenz bietet, gestattet. Ja sie muß diese Konkurrenz sogar unterbieten, muß ihr die Spitze abbrechen durch Vorteile, welche die Wucherkonkurrenz zu bieten gar nicht imstande ist. Allerdings hat es in neuerer Zeit nicht an Versuchen gefehlt, welche scheinbar auf dasselbe, was hier gefordert wird, hinauslaufen. Man hat die sogenannten „Rohstoffgenossenschaftcn" auf Schulze-Dclitzschen Prinzipien; aber sämtlich bestehen sie nur mit Mühe, wenn sie sich überhaupt gehalten haben, und sie vermögen gegen die Privatkonkurrenz nicht auszukommen. Indes beruht dies lediglich darauf, daß die Schutze-Delitzschschen sogenannten Genossenschafts- pnnzipicn keinerlei sozialen Wert haben und sich völlig innerhalb des manchestcr- lichen Mißwirtschaftszirkels bewegen. Alle Schulze-Dclitzschschen Gründungen sind kapitalistischer Art und haben den kapitalistischen Zweck der Dividenden- und Tantiemenreißerei. Die Schulze-Delitzschschen „Genossenschaften" sind gar keine Ge- "vssenschaften im deutschen Sinne, sondern lediglich Aktiengesellschaften mit un¬ beschränkter Haftbarkeit. Die Genossenschafter haben der Genossenschaft gegenüber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/605>, abgerufen am 28.07.2024.