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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das französische Gelbbuch über Conti",

ich auf "den Besitz von Tonkin" als auf das Ziel hinwies, dem die Bemühungen
meiner Vorgänger gegolten hätten, Sie fragen, ob diese Erklärungen nicht eine
Wendung unsrer Politik bezeichnen, und ob es nicht unmöglich ist, sie mit der
Versicherung in Einklang zu bringen, die 1881 Herr Barthelemy Samt Hilaire
abgab, daß "die Regierung der Republik in Übereinstimmung mit den Bestimmungen
des Vertrages von 1874 zu handeln beabsichtigt und die Verpflichtungen erfüllen
will, zu welchen er führt," In Betreff dieses Punktes freut es mich, jedes
Mißverständnis beseitigen zu können. Unsre Absichten haben sich in den letzt-
verflossenen drei Jahren nicht geändert, und unsre Politik hat nicht aufgehört,
den Grundsätzen zu folgen, welche die Basis des französisch-annamitischen Ver¬
trages von 1874 bilden, .. Die Ereignisse, die sich seit dieser Zeit begeben haben,
der Widerstand, dem wir begegneten, und der Kampf, den wir noch jetzt zu be¬
stehen haben, haben unsern Entschluß nicht geändert. Noch heute wie vor drei
Jahre" denken wir an keine Eroberung, Unsre einzige Absicht geht dahin, uns
durch Aufrichtung einer Schutzherrschaft, wie sie uns der Vertrag von 1874
zugesteht, die freie Schifffahrt auf dem Songkoi und die zur Entwicklung
kommerzieller Beziehungen in Tonkin erforderliche Ruhe zu sichern. . . . Unser
aufrichtiger Wunsch, jeder Möglichkeit eines Konflikts aus dem Wege zu gehen,
solange die Aufgabe vorliegt, das von uns ins Auge gefaßte Resultat zu er¬
reichen, veranlaßte mich, der kaiserlichen Regierung den Vorschlag zu machen,
man solle die beiderseitigen Befehlshaber zur Ziehung einer Demarkationslinie
zwischen ihren Stellungen veranlassen. Da Sie diese Eröffnungen nicht für
vereinbar mit dem damaligen Stande der Dinge in Tonkin erachteten, so
wiederholten Sie einen Vorschlag, den Sie am 1, August meinem Vorgänger
machten, und der dahin ging, die besagte Demarkationslinie solle zwischen
den in Hanoi und in songeai sowie in den Städten auf dem rechten
und linken Ufer des Roten Stromes stehenden Armeen gezogen werden. Ge¬
statten Sie mir, Sie daran zu erinnern, daß Sie bei derselben Zusammen¬
kunft am 1. August erklärten, es befänden sich keine chinesischen Truppe" in
Tonkin, und falls deren in der That dort wären, so könnten sie nur in den
Bezirken stehen, die an der ungenau abgesteckten Grenze zwischen den beiden
Ländern liegen. Es konnte sich damals also nicht um eine Demarkationslinie
handeln, die, zwischen Hanoi und songeai gezogen, weiterhin dem Laufe des
Roten Flusses folgen sollte. Herr Challemel-Lacour bemerkte ferner bei einer
zweiten Zusammenkunft am 2. August, daß keine Gefahr eines Zusammenstoßes
vorzuliegen scheine, da unser Expeditionskorps nicht bis nach dem nördlichen
Teile von Tonkin vorrücken solle, daß das Resultat aber ein andres sein würde,
wenn man die chinesischen Truppen näher bei den Festungen aufstellen wollte,
die wir anzugreifen beabsichtigen, da sie sich dann der Gefahr aussetzen würden,
als Verbündete der Anmänner behandelt zu werden. Seit jener Zeit hat sich
die Lage, was uns betrifft, nicht verändert; denn unsre Pläne haben keine


Das französische Gelbbuch über Conti»,

ich auf »den Besitz von Tonkin« als auf das Ziel hinwies, dem die Bemühungen
meiner Vorgänger gegolten hätten, Sie fragen, ob diese Erklärungen nicht eine
Wendung unsrer Politik bezeichnen, und ob es nicht unmöglich ist, sie mit der
Versicherung in Einklang zu bringen, die 1881 Herr Barthelemy Samt Hilaire
abgab, daß »die Regierung der Republik in Übereinstimmung mit den Bestimmungen
des Vertrages von 1874 zu handeln beabsichtigt und die Verpflichtungen erfüllen
will, zu welchen er führt,« In Betreff dieses Punktes freut es mich, jedes
Mißverständnis beseitigen zu können. Unsre Absichten haben sich in den letzt-
verflossenen drei Jahren nicht geändert, und unsre Politik hat nicht aufgehört,
den Grundsätzen zu folgen, welche die Basis des französisch-annamitischen Ver¬
trages von 1874 bilden, .. Die Ereignisse, die sich seit dieser Zeit begeben haben,
der Widerstand, dem wir begegneten, und der Kampf, den wir noch jetzt zu be¬
stehen haben, haben unsern Entschluß nicht geändert. Noch heute wie vor drei
Jahre» denken wir an keine Eroberung, Unsre einzige Absicht geht dahin, uns
durch Aufrichtung einer Schutzherrschaft, wie sie uns der Vertrag von 1874
zugesteht, die freie Schifffahrt auf dem Songkoi und die zur Entwicklung
kommerzieller Beziehungen in Tonkin erforderliche Ruhe zu sichern. . . . Unser
aufrichtiger Wunsch, jeder Möglichkeit eines Konflikts aus dem Wege zu gehen,
solange die Aufgabe vorliegt, das von uns ins Auge gefaßte Resultat zu er¬
reichen, veranlaßte mich, der kaiserlichen Regierung den Vorschlag zu machen,
man solle die beiderseitigen Befehlshaber zur Ziehung einer Demarkationslinie
zwischen ihren Stellungen veranlassen. Da Sie diese Eröffnungen nicht für
vereinbar mit dem damaligen Stande der Dinge in Tonkin erachteten, so
wiederholten Sie einen Vorschlag, den Sie am 1, August meinem Vorgänger
machten, und der dahin ging, die besagte Demarkationslinie solle zwischen
den in Hanoi und in songeai sowie in den Städten auf dem rechten
und linken Ufer des Roten Stromes stehenden Armeen gezogen werden. Ge¬
statten Sie mir, Sie daran zu erinnern, daß Sie bei derselben Zusammen¬
kunft am 1. August erklärten, es befänden sich keine chinesischen Truppe» in
Tonkin, und falls deren in der That dort wären, so könnten sie nur in den
Bezirken stehen, die an der ungenau abgesteckten Grenze zwischen den beiden
Ländern liegen. Es konnte sich damals also nicht um eine Demarkationslinie
handeln, die, zwischen Hanoi und songeai gezogen, weiterhin dem Laufe des
Roten Flusses folgen sollte. Herr Challemel-Lacour bemerkte ferner bei einer
zweiten Zusammenkunft am 2. August, daß keine Gefahr eines Zusammenstoßes
vorzuliegen scheine, da unser Expeditionskorps nicht bis nach dem nördlichen
Teile von Tonkin vorrücken solle, daß das Resultat aber ein andres sein würde,
wenn man die chinesischen Truppen näher bei den Festungen aufstellen wollte,
die wir anzugreifen beabsichtigen, da sie sich dann der Gefahr aussetzen würden,
als Verbündete der Anmänner behandelt zu werden. Seit jener Zeit hat sich
die Lage, was uns betrifft, nicht verändert; denn unsre Pläne haben keine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/598>, abgerufen am 28.07.2024.