Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.Das Unwesen der Lotterien, und eines zoologischen Gartens erlauben. Bezahlt sie aber diesen Luxus allein? Bei der Erteilung der obrigkeitlichen Erlaubnis wird öfters davon aus¬ Das Unwesen der Lotterien, und eines zoologischen Gartens erlauben. Bezahlt sie aber diesen Luxus allein? Bei der Erteilung der obrigkeitlichen Erlaubnis wird öfters davon aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0577" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154742"/> <fw type="header" place="top"> Das Unwesen der Lotterien,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1713" prev="#ID_1712"> und eines zoologischen Gartens erlauben. Bezahlt sie aber diesen Luxus allein?<lb/> Nein, die Direktion des zoologischen Gartens veranstaltet Lotterien, deren Loose<lb/> sie in alle Welt schickt. In Mainz soll eine neue katholische Kirche gebaut<lb/> werden. Man sollte glauben, die Kosten dafür müßten die Mainzer selbst be¬<lb/> zahlen. Nein! man veranstaltet eine Lotterie und rechnet darauf, durch dieses<lb/> Hilfsmittel Beisteuern allerorten zu erlangen. Daß man dabei nicht bloß auf<lb/> den kirchlichen Sinn der Menschen rechnet, ergiebt sich daraus, daß man die<lb/> Loose auch in protestantischen Orten ankündigt. Das vor kurzem veranstaltete<lb/> Niederwaldsfest war gewiß eine erhebende Feier. Fragen wir aber, wer den<lb/> materiellen Nutzen von der Errichtung des Nationaldenkmals hat, so sind es<lb/> ohne Zweifel die Städte am Rhein, vor allen die Stadt Rüdesheim, welche<lb/> dadurch das Ziel vieler Fremden werden wird. Man sollte denken, auf diesen<lb/> zu erwartenden Nutzen könnten die Rüdesheimer auch wohl die, wenn auch<lb/> uicht ganz unerheblichen Kosten des von ihnen veranstalteten Festes sich an¬<lb/> rechnen. Doch man errichtet dort eine Lotterie und sendet die Loose in die<lb/> Welt hinaus, um sich auf diese Weise eine Beisteuer zu den Kosten des Festes<lb/> zu erbitten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1714" next="#ID_1715"> Bei der Erteilung der obrigkeitlichen Erlaubnis wird öfters davon aus¬<lb/> gegangen, daß zwar den Lotterien mit Geldgewinnen entgegenzutreten, dagegen<lb/> die Ausspielung von andern Gegenständen unbedenklich zu gestatten sei. Ja<lb/> man führt diesen Grundsatz sogar soweit durch, daß man den Unternehmern<lb/> nicht erlaubt, den Gewinnern für ihren Gewinn eine Geldsumme zu bieten.<lb/> Damit gerät man aber nur aus dem Regen unter die Traufe. Haben die<lb/> Gegenstände der Ausspielung einen namhaften Geldwert, so spekuliren die Spieler<lb/> natürlich auf diesen, und bei der Umsetzung derselben in Geld erleiden sie<lb/> wiederum Verluste. In einer größern Stadt wurde für einen Kirchenbau eine<lb/> Lotterie veranstaltet. Der erste Gewinn sollte ein Goldbarren sein. Dies ward<lb/> nicht gestattet. Da verwandelte man den Goldbarren in eine kleine künstlerisch<lb/> gestaltete Goldsäule. Nun war es ein „Kunstwerk," welches ausgespielt werden<lb/> durfte. Natürlich brachte es der Gewinner sofort zum Goldschmied, welcher<lb/> aber für den Kunstwert nichts vergütete. In einer Stadt Mitteldeutschlands<lb/> wird alljährlich ein großer Tiermarkt mit obligatem Pferderennen gehalten.<lb/> Für diesen Zweck hat man auch eine Lotterie errichtet, Aus dem Erlös werden<lb/> Gegenstände des Marktes angekauft und verlooft. Der erste Gewinn ist ein<lb/> Vierspänner; dann folgen kleinere Equipagen, Reitpferde, Sattelzeug?e. Glaubt<lb/> man nun wohl, die Loose, welche drei Mark kosten, werden nur vou solchen<lb/> genommen, welche sich den Besitz einer Equipage :e. wünschen? Weit gefehlt!<lb/> Sie werden überall gekauft und wandern bis in die untersten Volksschichten.<lb/> Sie werden unter andern auch von den Schaffnern der Straßenbahn vertrieben.<lb/> Dienstmädchen, Kellnern, Tagelöhnern werden sie von den Kolporteuren auf¬<lb/> geschwatzt. Was geschieht nun, wenn z, B. ein Dienstmädchen ein kostbares</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0577]
Das Unwesen der Lotterien,
und eines zoologischen Gartens erlauben. Bezahlt sie aber diesen Luxus allein?
Nein, die Direktion des zoologischen Gartens veranstaltet Lotterien, deren Loose
sie in alle Welt schickt. In Mainz soll eine neue katholische Kirche gebaut
werden. Man sollte glauben, die Kosten dafür müßten die Mainzer selbst be¬
zahlen. Nein! man veranstaltet eine Lotterie und rechnet darauf, durch dieses
Hilfsmittel Beisteuern allerorten zu erlangen. Daß man dabei nicht bloß auf
den kirchlichen Sinn der Menschen rechnet, ergiebt sich daraus, daß man die
Loose auch in protestantischen Orten ankündigt. Das vor kurzem veranstaltete
Niederwaldsfest war gewiß eine erhebende Feier. Fragen wir aber, wer den
materiellen Nutzen von der Errichtung des Nationaldenkmals hat, so sind es
ohne Zweifel die Städte am Rhein, vor allen die Stadt Rüdesheim, welche
dadurch das Ziel vieler Fremden werden wird. Man sollte denken, auf diesen
zu erwartenden Nutzen könnten die Rüdesheimer auch wohl die, wenn auch
uicht ganz unerheblichen Kosten des von ihnen veranstalteten Festes sich an¬
rechnen. Doch man errichtet dort eine Lotterie und sendet die Loose in die
Welt hinaus, um sich auf diese Weise eine Beisteuer zu den Kosten des Festes
zu erbitten.
Bei der Erteilung der obrigkeitlichen Erlaubnis wird öfters davon aus¬
gegangen, daß zwar den Lotterien mit Geldgewinnen entgegenzutreten, dagegen
die Ausspielung von andern Gegenständen unbedenklich zu gestatten sei. Ja
man führt diesen Grundsatz sogar soweit durch, daß man den Unternehmern
nicht erlaubt, den Gewinnern für ihren Gewinn eine Geldsumme zu bieten.
Damit gerät man aber nur aus dem Regen unter die Traufe. Haben die
Gegenstände der Ausspielung einen namhaften Geldwert, so spekuliren die Spieler
natürlich auf diesen, und bei der Umsetzung derselben in Geld erleiden sie
wiederum Verluste. In einer größern Stadt wurde für einen Kirchenbau eine
Lotterie veranstaltet. Der erste Gewinn sollte ein Goldbarren sein. Dies ward
nicht gestattet. Da verwandelte man den Goldbarren in eine kleine künstlerisch
gestaltete Goldsäule. Nun war es ein „Kunstwerk," welches ausgespielt werden
durfte. Natürlich brachte es der Gewinner sofort zum Goldschmied, welcher
aber für den Kunstwert nichts vergütete. In einer Stadt Mitteldeutschlands
wird alljährlich ein großer Tiermarkt mit obligatem Pferderennen gehalten.
Für diesen Zweck hat man auch eine Lotterie errichtet, Aus dem Erlös werden
Gegenstände des Marktes angekauft und verlooft. Der erste Gewinn ist ein
Vierspänner; dann folgen kleinere Equipagen, Reitpferde, Sattelzeug?e. Glaubt
man nun wohl, die Loose, welche drei Mark kosten, werden nur vou solchen
genommen, welche sich den Besitz einer Equipage :e. wünschen? Weit gefehlt!
Sie werden überall gekauft und wandern bis in die untersten Volksschichten.
Sie werden unter andern auch von den Schaffnern der Straßenbahn vertrieben.
Dienstmädchen, Kellnern, Tagelöhnern werden sie von den Kolporteuren auf¬
geschwatzt. Was geschieht nun, wenn z, B. ein Dienstmädchen ein kostbares
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