Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.Fortschritte der sozialpolitischen Debatte. ziehen suchte, ist er fast immer auf den Sand geraten. Er scheute sich fast Damit an sich ist freilich kein Fortschritt in der sozialpolitischen Debatte Grenzboten IV. 1883. 68
Fortschritte der sozialpolitischen Debatte. ziehen suchte, ist er fast immer auf den Sand geraten. Er scheute sich fast Damit an sich ist freilich kein Fortschritt in der sozialpolitischen Debatte Grenzboten IV. 1883. 68
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0547" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154712"/> <fw type="header" place="top"> Fortschritte der sozialpolitischen Debatte.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1632" prev="#ID_1631"> ziehen suchte, ist er fast immer auf den Sand geraten. Er scheute sich fast<lb/> immer, mit logischer Konsequenz den letzten Punkt der Entwicklungskette fest¬<lb/> zuhalten, oder — er vermochte es nicht. Wirklich scheint es, als träfe das<lb/> letztere, das Unvermögen, zu. Oft kommt es n»s vor, als wäre das Studium<lb/> der Logik, wie vielleicht das Studium der philosophischen Fächer überhaupt, in<lb/> den jüngeren Kreisen der akademisch gebildeten Welt mehr, als erwünscht ist,<lb/> vernachlässigt worden. Nicht nur die Unsicherheit und Halbheit der meisten<lb/> Nationalökonomen und Sozialpolitiker deutet darauf hin, sondern auch viele<lb/> Erscheinungen innerhalb der juristischen Welt. Es herrscht eben auch hier der<lb/> sogenannte „praktische" Zug vor, der Drang nach dem Verdienen, das man<lb/> „groß schreibt"; man sucht daher nur in möglichster Eile das „Technische" des<lb/> Faches, das für die gewöhnliche Praxis, die sich um die Folgen ihres Thuns<lb/> nicht weiter kümmert, ausreicht, sich anzueignen; und da wird die geistige<lb/> Vertiefung, welche sowohl Fähigkeit als Kraft giebt, die Verhältnisse und die ge¬<lb/> setzten Aufgaben bis zur letzten Konsequenz logisch durchzuarbeiten, vernachlässigt.<lb/> Ist es doch dem Professor Schmoller, der sich unter die Führer der Kathcdcr-<lb/> sozialisten zählt, begegnet, durch die „Frankfurter Zeitung" gegen die wirtschaft¬<lb/> lichen Absichten des Reichskanzlers sowie gegen die korporativen Bestrebungen<lb/> in den Kreisen der Landwirte ausgespielt zu werden! Ja sogar als Verfechter<lb/> des manchesterlichen Subjektivismus gegenüber dem gewerblichen und landwirt¬<lb/> schaftlichen Korvvrationsgedcmken wurde der Herr Professor von der genannten<lb/> Zeitung vorgeführt, und zwar mit vollem Recht. Denn alles Ernstes empfiehlt<lb/> er den Landwirten als das einzige Mittel, aus ihren Kalamitäten herauszu¬<lb/> kommen, — zu spekuliren. Zuvor hat er sie des „behaglichen Rcntenverzehrens"<lb/> beschuldigt!</p><lb/> <p xml:id="ID_1633" next="#ID_1634"> Damit an sich ist freilich kein Fortschritt in der sozialpolitischen Debatte<lb/> bezeichnet. Denn ein Herausgeber der Berichte über „bäuerliche Zustände,"<lb/> der den Landwirten „behagliches Rentenverzehren" vorwirft, hat schwerlich diese<lb/> Berichte selbst gelesen; und wenn er auf Grund derselben den Landwirten aurae,<lb/> sich durch die Spekulation zu helfen, so wird von ihm auch kaum in Zukunft<lb/> weder tieferes Erfassen der Verhältnisse noch logische und sachgemäße Durch¬<lb/> arbeitung derselben zu erwarten sein. Indes liegt doch ein Fortschritt darin,<lb/> daß das Manchestertum, wie von der „Frankfurter Zeitung" geschehen, ganz<lb/> einfach in Anspruch nimmt, was ihm gehört, und daß es damit auch sich selbst in<lb/> seinem Wesen genauer erkennen läßt auch da, wo es bisher heuchlerisch sich den<lb/> Anschein sozial-gestaltender Tendenzen zu geben suchte. Das offene Ausspielen<lb/> einer kathedersozialistischcn Kapazität gegen den wirtschaftspolitischen Korpora¬<lb/> tionsgedanken durch das Hauptorgan der demagogischen Plutokratie, als das<lb/> wir die „Frankfurter Zeitung" anzusehen haben, ist daher allerdings geeignet,<lb/> dem Fortschritt der sozialpolitischen Debatte zu dienen und auch die praktische<lb/> Thätigkeit auf unserm Gebiete zu fördern. Die wirklich thatkräftigen Elemente'</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1883. 68</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0547]
Fortschritte der sozialpolitischen Debatte.
ziehen suchte, ist er fast immer auf den Sand geraten. Er scheute sich fast
immer, mit logischer Konsequenz den letzten Punkt der Entwicklungskette fest¬
zuhalten, oder — er vermochte es nicht. Wirklich scheint es, als träfe das
letztere, das Unvermögen, zu. Oft kommt es n»s vor, als wäre das Studium
der Logik, wie vielleicht das Studium der philosophischen Fächer überhaupt, in
den jüngeren Kreisen der akademisch gebildeten Welt mehr, als erwünscht ist,
vernachlässigt worden. Nicht nur die Unsicherheit und Halbheit der meisten
Nationalökonomen und Sozialpolitiker deutet darauf hin, sondern auch viele
Erscheinungen innerhalb der juristischen Welt. Es herrscht eben auch hier der
sogenannte „praktische" Zug vor, der Drang nach dem Verdienen, das man
„groß schreibt"; man sucht daher nur in möglichster Eile das „Technische" des
Faches, das für die gewöhnliche Praxis, die sich um die Folgen ihres Thuns
nicht weiter kümmert, ausreicht, sich anzueignen; und da wird die geistige
Vertiefung, welche sowohl Fähigkeit als Kraft giebt, die Verhältnisse und die ge¬
setzten Aufgaben bis zur letzten Konsequenz logisch durchzuarbeiten, vernachlässigt.
Ist es doch dem Professor Schmoller, der sich unter die Führer der Kathcdcr-
sozialisten zählt, begegnet, durch die „Frankfurter Zeitung" gegen die wirtschaft¬
lichen Absichten des Reichskanzlers sowie gegen die korporativen Bestrebungen
in den Kreisen der Landwirte ausgespielt zu werden! Ja sogar als Verfechter
des manchesterlichen Subjektivismus gegenüber dem gewerblichen und landwirt¬
schaftlichen Korvvrationsgedcmken wurde der Herr Professor von der genannten
Zeitung vorgeführt, und zwar mit vollem Recht. Denn alles Ernstes empfiehlt
er den Landwirten als das einzige Mittel, aus ihren Kalamitäten herauszu¬
kommen, — zu spekuliren. Zuvor hat er sie des „behaglichen Rcntenverzehrens"
beschuldigt!
Damit an sich ist freilich kein Fortschritt in der sozialpolitischen Debatte
bezeichnet. Denn ein Herausgeber der Berichte über „bäuerliche Zustände,"
der den Landwirten „behagliches Rentenverzehren" vorwirft, hat schwerlich diese
Berichte selbst gelesen; und wenn er auf Grund derselben den Landwirten aurae,
sich durch die Spekulation zu helfen, so wird von ihm auch kaum in Zukunft
weder tieferes Erfassen der Verhältnisse noch logische und sachgemäße Durch¬
arbeitung derselben zu erwarten sein. Indes liegt doch ein Fortschritt darin,
daß das Manchestertum, wie von der „Frankfurter Zeitung" geschehen, ganz
einfach in Anspruch nimmt, was ihm gehört, und daß es damit auch sich selbst in
seinem Wesen genauer erkennen läßt auch da, wo es bisher heuchlerisch sich den
Anschein sozial-gestaltender Tendenzen zu geben suchte. Das offene Ausspielen
einer kathedersozialistischcn Kapazität gegen den wirtschaftspolitischen Korpora¬
tionsgedanken durch das Hauptorgan der demagogischen Plutokratie, als das
wir die „Frankfurter Zeitung" anzusehen haben, ist daher allerdings geeignet,
dem Fortschritt der sozialpolitischen Debatte zu dienen und auch die praktische
Thätigkeit auf unserm Gebiete zu fördern. Die wirklich thatkräftigen Elemente'
Grenzboten IV. 1883. 68
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