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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Fortschritte der sozialpolitischen Debatte.

auf seine eignen Kosten und seine eigne Gefahr hin im Interesse der Antisklaverci-
gcsellschaft vollständig wieder zu erobern. Die militärische Frage haben Fach¬
leute ohne Verzug zu entscheiden; das moralische Problem muß allmählich ge¬
löst werden. Aber da wir die Schutzherren Ägyptens sind, so haben wir und
nicht die Minister des Khedive zu bestimmen, ob sofort wieder gegen den Mähdi
vorgerückt oder weiter zurückgewichen werden soll. Als im Märchen der Niese
und der Zwerg verbündet waren, kämpften sie unter allen Umständen Seite an
Seite, selbst wenn -der kleine Mann mehr als sein billiges Teil Schläge bekam;
aber der Riese ließ den Zwerg niemals allein kämpfen. Was wir in Betreff
des Sudan gethan haben, bestand darin, daß wir alles dem Zwerge überließen."

Die nächste Frage ist jetzt: Was wird die britische Regierung thun? Die
nächsten Wochen werden das beantworten müssen, denn es ist Gefahr im Ver¬
züge. Entschlösse man sich in London, den Ägyptern zur Wiedereroberung des
Sudan beizustehen -- was wir bezweifeln --, fo müßte man unverweilt die in
Ägypten noch stehenden englischen Truppen erheblich verstärken.




Fortschritte der sozialpolitischen Debatte.
1.

^/^MA)
:^c^chon in unsrer vorjährigen Erörterung über die sozialpolitische
Debatte (Grenzboten 1883, IV, 425 ff.) haben wir hingewiesen
auf den bedeutungsvollen Unterschied in der Behandlung der
sozialpolitischen Angelegenheiten, einerseits innerhalb der wissen-
I schaftlichen Welt der Universitätsgelehrten und Professoren der
Nationalökonomie und Sozialpolitik, sowie auch innerhalb der Kreise der soge¬
nannten Politiker, andrerseits innerhalb derjenigen Kreise, welche im Leben selbst
stehen und dssscn Erscheinungen und Bewegungen nicht nur unmittelbar über¬
blicken, sondern mehr oder weniger sie auch mitempfinden. Und wir haben damals
aus guten Gründen insbesondre die praktische Richtung der katholischen Sozial-
Politikcr, deren es insbesondre unter dem Klerus uicht wenige "ut nicht unbe-
deutende giebt, ebensowohl dem eigentlichen Manchestertum wie dem Kcitheder-
svzialismus gegenübergestellt.

Schon seit dem ersten Auftreten des Kathcdcrsozialismus hat sich uns die
Überzeugung aufgedrängt, daß zwischen ihm und dem Manchestertum mir ein
"theoretischer" Unterschied bestehe. Wir meinen damit natürlich nur die Er


Fortschritte der sozialpolitischen Debatte.

auf seine eignen Kosten und seine eigne Gefahr hin im Interesse der Antisklaverci-
gcsellschaft vollständig wieder zu erobern. Die militärische Frage haben Fach¬
leute ohne Verzug zu entscheiden; das moralische Problem muß allmählich ge¬
löst werden. Aber da wir die Schutzherren Ägyptens sind, so haben wir und
nicht die Minister des Khedive zu bestimmen, ob sofort wieder gegen den Mähdi
vorgerückt oder weiter zurückgewichen werden soll. Als im Märchen der Niese
und der Zwerg verbündet waren, kämpften sie unter allen Umständen Seite an
Seite, selbst wenn -der kleine Mann mehr als sein billiges Teil Schläge bekam;
aber der Riese ließ den Zwerg niemals allein kämpfen. Was wir in Betreff
des Sudan gethan haben, bestand darin, daß wir alles dem Zwerge überließen."

Die nächste Frage ist jetzt: Was wird die britische Regierung thun? Die
nächsten Wochen werden das beantworten müssen, denn es ist Gefahr im Ver¬
züge. Entschlösse man sich in London, den Ägyptern zur Wiedereroberung des
Sudan beizustehen — was wir bezweifeln —, fo müßte man unverweilt die in
Ägypten noch stehenden englischen Truppen erheblich verstärken.




Fortschritte der sozialpolitischen Debatte.
1.

^/^MA)
:^c^chon in unsrer vorjährigen Erörterung über die sozialpolitische
Debatte (Grenzboten 1883, IV, 425 ff.) haben wir hingewiesen
auf den bedeutungsvollen Unterschied in der Behandlung der
sozialpolitischen Angelegenheiten, einerseits innerhalb der wissen-
I schaftlichen Welt der Universitätsgelehrten und Professoren der
Nationalökonomie und Sozialpolitik, sowie auch innerhalb der Kreise der soge¬
nannten Politiker, andrerseits innerhalb derjenigen Kreise, welche im Leben selbst
stehen und dssscn Erscheinungen und Bewegungen nicht nur unmittelbar über¬
blicken, sondern mehr oder weniger sie auch mitempfinden. Und wir haben damals
aus guten Gründen insbesondre die praktische Richtung der katholischen Sozial-
Politikcr, deren es insbesondre unter dem Klerus uicht wenige »ut nicht unbe-
deutende giebt, ebensowohl dem eigentlichen Manchestertum wie dem Kcitheder-
svzialismus gegenübergestellt.

Schon seit dem ersten Auftreten des Kathcdcrsozialismus hat sich uns die
Überzeugung aufgedrängt, daß zwischen ihm und dem Manchestertum mir ein
„theoretischer" Unterschied bestehe. Wir meinen damit natürlich nur die Er


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[0545] Fortschritte der sozialpolitischen Debatte. auf seine eignen Kosten und seine eigne Gefahr hin im Interesse der Antisklaverci- gcsellschaft vollständig wieder zu erobern. Die militärische Frage haben Fach¬ leute ohne Verzug zu entscheiden; das moralische Problem muß allmählich ge¬ löst werden. Aber da wir die Schutzherren Ägyptens sind, so haben wir und nicht die Minister des Khedive zu bestimmen, ob sofort wieder gegen den Mähdi vorgerückt oder weiter zurückgewichen werden soll. Als im Märchen der Niese und der Zwerg verbündet waren, kämpften sie unter allen Umständen Seite an Seite, selbst wenn -der kleine Mann mehr als sein billiges Teil Schläge bekam; aber der Riese ließ den Zwerg niemals allein kämpfen. Was wir in Betreff des Sudan gethan haben, bestand darin, daß wir alles dem Zwerge überließen." Die nächste Frage ist jetzt: Was wird die britische Regierung thun? Die nächsten Wochen werden das beantworten müssen, denn es ist Gefahr im Ver¬ züge. Entschlösse man sich in London, den Ägyptern zur Wiedereroberung des Sudan beizustehen — was wir bezweifeln —, fo müßte man unverweilt die in Ägypten noch stehenden englischen Truppen erheblich verstärken. Fortschritte der sozialpolitischen Debatte. 1. ^/^MA) :^c^chon in unsrer vorjährigen Erörterung über die sozialpolitische Debatte (Grenzboten 1883, IV, 425 ff.) haben wir hingewiesen auf den bedeutungsvollen Unterschied in der Behandlung der sozialpolitischen Angelegenheiten, einerseits innerhalb der wissen- I schaftlichen Welt der Universitätsgelehrten und Professoren der Nationalökonomie und Sozialpolitik, sowie auch innerhalb der Kreise der soge¬ nannten Politiker, andrerseits innerhalb derjenigen Kreise, welche im Leben selbst stehen und dssscn Erscheinungen und Bewegungen nicht nur unmittelbar über¬ blicken, sondern mehr oder weniger sie auch mitempfinden. Und wir haben damals aus guten Gründen insbesondre die praktische Richtung der katholischen Sozial- Politikcr, deren es insbesondre unter dem Klerus uicht wenige »ut nicht unbe- deutende giebt, ebensowohl dem eigentlichen Manchestertum wie dem Kcitheder- svzialismus gegenübergestellt. Schon seit dem ersten Auftreten des Kathcdcrsozialismus hat sich uns die Überzeugung aufgedrängt, daß zwischen ihm und dem Manchestertum mir ein „theoretischer" Unterschied bestehe. Wir meinen damit natürlich nur die Er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/545>, abgerufen am 13.11.2024.