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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Her Sieg des Aiahdi im Sudan.

Ausgange ihm nichts eintragen konnte, da die europäischen Mächte nicht ge¬
duldet haben würden, daß er, der Muslim, von Christen bewohnte Gebiete seinem
Reiche einverleibe. Verlor er dagegen eine große Schlacht, so wurde sein An¬
sehen im innern Afrika geschwächt. Der letztere Fall trat ein, der Feldzug
gegen Habesch endigte mit schweren Niederlagen der Ägypter, die ebensoviele
Einbußen an Einfluß im Sudan bedeuteten und sehr bald Aufstände in dessen
Provinzen, in Senciar, Kordofan und Darfur zur Folge hatten. Die nationale
Bewegung, an deren Spitze Arabi Pascha stand, und die mit der Vernichtung
der ägyptischen Armee verbundene Unterdrückung dieser Bewegung that das Übrige.
Das von Mehemed Ali gegründete ostafrikanische Reich, welches die Interessen der
Zivilisation in diesen Gegenden mächtig hätte fördern können, begann nach dem
Treffen bei Tel El Kabir rasch zu zerfallen. Das Auftreten des Mcchdi
Muhamed Achmed, der seiner Nationalität nach ein Araber ist, sein Widerstand
gegen die Regierung und sein schließlichcr Sieg sind sehr wahrscheinlich der
Anfang einer neuen Ordnung der Dinge am obern Nil. Berauscht von ihrem
Waffenglück, werden die Anhänger des Propheten in ihn dringen, seine Er¬
oberung weiter zu verfolgen. Ziemlich gut mit Gewehren, auch mit Geschützen
aus der Beute von Obeid versehen, desgleichen durch Überläufer aus den Reihen
der ägyptischen Regularen verstärkt, werden seine fanatischen Schaaren zunächst'
nach Chartum und dann nilabwärts nach Berber vorrücken. Einmal in den
Besitz der letztem Stadt gelangt, wird der Mcchdi das nach Succkim führende
Thal und die einzige Straße beherrschen, die den obern Nil mit dem Roten
Meere verbindet. Ismail Paschas Scharfblick brachte ihn einmal auf den
Gedanken, diesen Hafen durch eine Eisenbahn mit Berber und Chartum zu ver¬
binden, derselbe wurde aber nicht ansgeführt.

Was sollte die ägyptische Negierung jetzt thun? Die Südhälfte des Reiches
aufgeben und dem Propheten überlassen? Sofort einen zweiten Feldzug gegen
ihn eröffnen? Beides würde ein großer Mißgriff sein. Richtig allein würde sein,
wenn man so rasch als möglich Truppen zusammenzöge und Chartum, Berber
und Dongola in guten Verteidigungszustand setzte. Mit diesem Dreieck könnte man
weiteren Fortschritten der Aufständischen nach Norden hin Halt gebieten. Dann
sollte man einen geeigneten Punkt auf dem Wege zwischen Berber und Snakiin
befestigen und besetzen und letztere Stadt durch eine starke Garnison gegen einen
Handstreich sichern. Zwischen diesen vier Punkten müßten endlich fliegende
Kolonnen von einigen tausend Mann die Verbindung aufrecht erhalten. Damit
wäre alles gethan, was fürs erste erforderlich ist. Es fragt sich mir, ob man
dazu die Mittel in der Hand hat, und das scheint bei der Schwäche und der
kläglichen Beschaffenheit der jetzigen ägyptischen Armee sehr zweifelhaft, fast
unmöglich. Geschehen aber muß etwas der Art, wenn nicht nach und nach
ganz Ägypten dem Mcchdi und seiner Gefolgschaft zur Beute werden soll, und
so werden die Engländer dem Khedive ihren Beistand leihen müsse"..


Her Sieg des Aiahdi im Sudan.

Ausgange ihm nichts eintragen konnte, da die europäischen Mächte nicht ge¬
duldet haben würden, daß er, der Muslim, von Christen bewohnte Gebiete seinem
Reiche einverleibe. Verlor er dagegen eine große Schlacht, so wurde sein An¬
sehen im innern Afrika geschwächt. Der letztere Fall trat ein, der Feldzug
gegen Habesch endigte mit schweren Niederlagen der Ägypter, die ebensoviele
Einbußen an Einfluß im Sudan bedeuteten und sehr bald Aufstände in dessen
Provinzen, in Senciar, Kordofan und Darfur zur Folge hatten. Die nationale
Bewegung, an deren Spitze Arabi Pascha stand, und die mit der Vernichtung
der ägyptischen Armee verbundene Unterdrückung dieser Bewegung that das Übrige.
Das von Mehemed Ali gegründete ostafrikanische Reich, welches die Interessen der
Zivilisation in diesen Gegenden mächtig hätte fördern können, begann nach dem
Treffen bei Tel El Kabir rasch zu zerfallen. Das Auftreten des Mcchdi
Muhamed Achmed, der seiner Nationalität nach ein Araber ist, sein Widerstand
gegen die Regierung und sein schließlichcr Sieg sind sehr wahrscheinlich der
Anfang einer neuen Ordnung der Dinge am obern Nil. Berauscht von ihrem
Waffenglück, werden die Anhänger des Propheten in ihn dringen, seine Er¬
oberung weiter zu verfolgen. Ziemlich gut mit Gewehren, auch mit Geschützen
aus der Beute von Obeid versehen, desgleichen durch Überläufer aus den Reihen
der ägyptischen Regularen verstärkt, werden seine fanatischen Schaaren zunächst'
nach Chartum und dann nilabwärts nach Berber vorrücken. Einmal in den
Besitz der letztem Stadt gelangt, wird der Mcchdi das nach Succkim führende
Thal und die einzige Straße beherrschen, die den obern Nil mit dem Roten
Meere verbindet. Ismail Paschas Scharfblick brachte ihn einmal auf den
Gedanken, diesen Hafen durch eine Eisenbahn mit Berber und Chartum zu ver¬
binden, derselbe wurde aber nicht ansgeführt.

Was sollte die ägyptische Negierung jetzt thun? Die Südhälfte des Reiches
aufgeben und dem Propheten überlassen? Sofort einen zweiten Feldzug gegen
ihn eröffnen? Beides würde ein großer Mißgriff sein. Richtig allein würde sein,
wenn man so rasch als möglich Truppen zusammenzöge und Chartum, Berber
und Dongola in guten Verteidigungszustand setzte. Mit diesem Dreieck könnte man
weiteren Fortschritten der Aufständischen nach Norden hin Halt gebieten. Dann
sollte man einen geeigneten Punkt auf dem Wege zwischen Berber und Snakiin
befestigen und besetzen und letztere Stadt durch eine starke Garnison gegen einen
Handstreich sichern. Zwischen diesen vier Punkten müßten endlich fliegende
Kolonnen von einigen tausend Mann die Verbindung aufrecht erhalten. Damit
wäre alles gethan, was fürs erste erforderlich ist. Es fragt sich mir, ob man
dazu die Mittel in der Hand hat, und das scheint bei der Schwäche und der
kläglichen Beschaffenheit der jetzigen ägyptischen Armee sehr zweifelhaft, fast
unmöglich. Geschehen aber muß etwas der Art, wenn nicht nach und nach
ganz Ägypten dem Mcchdi und seiner Gefolgschaft zur Beute werden soll, und
so werden die Engländer dem Khedive ihren Beistand leihen müsse»..


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[0540] Her Sieg des Aiahdi im Sudan. Ausgange ihm nichts eintragen konnte, da die europäischen Mächte nicht ge¬ duldet haben würden, daß er, der Muslim, von Christen bewohnte Gebiete seinem Reiche einverleibe. Verlor er dagegen eine große Schlacht, so wurde sein An¬ sehen im innern Afrika geschwächt. Der letztere Fall trat ein, der Feldzug gegen Habesch endigte mit schweren Niederlagen der Ägypter, die ebensoviele Einbußen an Einfluß im Sudan bedeuteten und sehr bald Aufstände in dessen Provinzen, in Senciar, Kordofan und Darfur zur Folge hatten. Die nationale Bewegung, an deren Spitze Arabi Pascha stand, und die mit der Vernichtung der ägyptischen Armee verbundene Unterdrückung dieser Bewegung that das Übrige. Das von Mehemed Ali gegründete ostafrikanische Reich, welches die Interessen der Zivilisation in diesen Gegenden mächtig hätte fördern können, begann nach dem Treffen bei Tel El Kabir rasch zu zerfallen. Das Auftreten des Mcchdi Muhamed Achmed, der seiner Nationalität nach ein Araber ist, sein Widerstand gegen die Regierung und sein schließlichcr Sieg sind sehr wahrscheinlich der Anfang einer neuen Ordnung der Dinge am obern Nil. Berauscht von ihrem Waffenglück, werden die Anhänger des Propheten in ihn dringen, seine Er¬ oberung weiter zu verfolgen. Ziemlich gut mit Gewehren, auch mit Geschützen aus der Beute von Obeid versehen, desgleichen durch Überläufer aus den Reihen der ägyptischen Regularen verstärkt, werden seine fanatischen Schaaren zunächst' nach Chartum und dann nilabwärts nach Berber vorrücken. Einmal in den Besitz der letztem Stadt gelangt, wird der Mcchdi das nach Succkim führende Thal und die einzige Straße beherrschen, die den obern Nil mit dem Roten Meere verbindet. Ismail Paschas Scharfblick brachte ihn einmal auf den Gedanken, diesen Hafen durch eine Eisenbahn mit Berber und Chartum zu ver¬ binden, derselbe wurde aber nicht ansgeführt. Was sollte die ägyptische Negierung jetzt thun? Die Südhälfte des Reiches aufgeben und dem Propheten überlassen? Sofort einen zweiten Feldzug gegen ihn eröffnen? Beides würde ein großer Mißgriff sein. Richtig allein würde sein, wenn man so rasch als möglich Truppen zusammenzöge und Chartum, Berber und Dongola in guten Verteidigungszustand setzte. Mit diesem Dreieck könnte man weiteren Fortschritten der Aufständischen nach Norden hin Halt gebieten. Dann sollte man einen geeigneten Punkt auf dem Wege zwischen Berber und Snakiin befestigen und besetzen und letztere Stadt durch eine starke Garnison gegen einen Handstreich sichern. Zwischen diesen vier Punkten müßten endlich fliegende Kolonnen von einigen tausend Mann die Verbindung aufrecht erhalten. Damit wäre alles gethan, was fürs erste erforderlich ist. Es fragt sich mir, ob man dazu die Mittel in der Hand hat, und das scheint bei der Schwäche und der kläglichen Beschaffenheit der jetzigen ägyptischen Armee sehr zweifelhaft, fast unmöglich. Geschehen aber muß etwas der Art, wenn nicht nach und nach ganz Ägypten dem Mcchdi und seiner Gefolgschaft zur Beute werden soll, und so werden die Engländer dem Khedive ihren Beistand leihen müsse»..

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/540>, abgerufen am 01.09.2024.