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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Der Rrieg zwischen Frankreich und Lhina.

Singapore ist vielleicht die größte Kohlenniedcrlage der Welt, sicherlich die am
reichlichsten versehene in den chinesisch - malayischen Gewässern. Wollen die
französischen Kriegsschiffe nicht bloß rasch ihre Bestimmungsorte erreichen,
sondern auch eine Art Blockade der Küsten Chinas ausüben, so müssen sie sich
wenigstens in den nächsten drei Monaten fast ausschließlich des Dampfes be¬
dienen; denn diese Jahreszeit ist in jenen Gegenden der Fahrt mit Segeln nicht
günstig. Zwar sind in der nächsten Zukunft die sonst hier häufig auftretenden
äußerst gefährlichen Typhone nicht zu fürchten, wohl aber andre Stürme, und
da es hier an starken unterseeischen Strömungen nicht fehlt und die Küsten-
strecken nur wenige Leuchttürme haben, so betrachten die Schiffer, welche die
Meere Hinterindiens und Chinas befahren, es immer als erstes Erfordernis, wohl¬
gefüllte Kohlenränme und gut arbeitende Kessel und Maschinen an Bord zu
haben. Was aber ein reichlicher Kohlenvorrat bedeutet, ersieht man, wenn man
sich erinnert, daß ein großer Dampfer täglich etwa 60 Tonnen, d. h. 1200 Zentner
Kohle verbraucht, und daß die Reise eines solchen von Toulon oder Marseille
nach Tonking sechs und eine halbe bis sieben Wochen in Anspruch nimmt.
Singapore und Hongkong sind die beiden nächsten Kohlenplätze für die vor
Tonking versammelten französischen Geschwader. Saigon, das noch näher beim
Kriegsschauplatze liegt, kommt wenig in Betracht; denn der Kohlenvorrat dieses
Hafenortes ist, da der letztere nur von wenigen Handelsfcchrzengen aufgesucht
wird, verhältnismäßig gering. Ganz anders verhält es sich mit der englischen
Stadt Singapore, über welche der van^ isle^raplr folgende interessante Mit¬
teilungen bringt:

"Hier sieht sich der Reisende, nachdem er die herrliche Rhede passirt hat
-- eine Rhede, welche, die von Nangasaki in Japan ausgenommen, sich an Schön¬
heit der Umgebung den prächtigsten Landschaftsbildern der östlichen Welt an
die Seite stellt --, vor Werften, auf denen mehr Kohlen aufgestapelt sind als
irgendwo, sei es auswärts oder in englischen Hasen. Diese Vorräte sind so
ungeheuer, daß es möglich ist, zwei riesige Dampfer von der Größe des Stir-
ling Castle und des Glenogle zu einer und derselben Zeit mit Kohlen zu ver¬
sehen, ohne daß man eine Abnahme der dort aufgeschichteten Massen von
Feuerung bemerkt. Dies geschah im Mai dieses Jahres, wo das eine der ge¬
nannten Fahrzeuge 1800 und das andre 1600 Tonnen einnahm... Andre große
Dampfer von der Peninsular- und Oriental-Linie thun oft an einem Tage das
gleiche, und doch scheinen die aufgestapelten Kohlenhaufen nicht geringer zu
werden; denn ebenso schnell wie ein Dutzend Fahrzeuge davon nehmen, landen
andre, die mit neuer Fracht angekommen sind, und füllen die Lücken. - - Sin¬
gapore ist einer der blühendsten Orte der britischen Kolonialwelt. Unter der
erfahrenen und geschickten Leitung des Gouverneurs Sir Frederick Mett hat es
sich so sehr gehoben, daß es in der Förderung von Arbeiten für den öffent¬
lichen Nutzen seinen Nachbarstädten Malncca und Pcuang gleichkommt. Und es


Der Rrieg zwischen Frankreich und Lhina.

Singapore ist vielleicht die größte Kohlenniedcrlage der Welt, sicherlich die am
reichlichsten versehene in den chinesisch - malayischen Gewässern. Wollen die
französischen Kriegsschiffe nicht bloß rasch ihre Bestimmungsorte erreichen,
sondern auch eine Art Blockade der Küsten Chinas ausüben, so müssen sie sich
wenigstens in den nächsten drei Monaten fast ausschließlich des Dampfes be¬
dienen; denn diese Jahreszeit ist in jenen Gegenden der Fahrt mit Segeln nicht
günstig. Zwar sind in der nächsten Zukunft die sonst hier häufig auftretenden
äußerst gefährlichen Typhone nicht zu fürchten, wohl aber andre Stürme, und
da es hier an starken unterseeischen Strömungen nicht fehlt und die Küsten-
strecken nur wenige Leuchttürme haben, so betrachten die Schiffer, welche die
Meere Hinterindiens und Chinas befahren, es immer als erstes Erfordernis, wohl¬
gefüllte Kohlenränme und gut arbeitende Kessel und Maschinen an Bord zu
haben. Was aber ein reichlicher Kohlenvorrat bedeutet, ersieht man, wenn man
sich erinnert, daß ein großer Dampfer täglich etwa 60 Tonnen, d. h. 1200 Zentner
Kohle verbraucht, und daß die Reise eines solchen von Toulon oder Marseille
nach Tonking sechs und eine halbe bis sieben Wochen in Anspruch nimmt.
Singapore und Hongkong sind die beiden nächsten Kohlenplätze für die vor
Tonking versammelten französischen Geschwader. Saigon, das noch näher beim
Kriegsschauplatze liegt, kommt wenig in Betracht; denn der Kohlenvorrat dieses
Hafenortes ist, da der letztere nur von wenigen Handelsfcchrzengen aufgesucht
wird, verhältnismäßig gering. Ganz anders verhält es sich mit der englischen
Stadt Singapore, über welche der van^ isle^raplr folgende interessante Mit¬
teilungen bringt:

„Hier sieht sich der Reisende, nachdem er die herrliche Rhede passirt hat
— eine Rhede, welche, die von Nangasaki in Japan ausgenommen, sich an Schön¬
heit der Umgebung den prächtigsten Landschaftsbildern der östlichen Welt an
die Seite stellt —, vor Werften, auf denen mehr Kohlen aufgestapelt sind als
irgendwo, sei es auswärts oder in englischen Hasen. Diese Vorräte sind so
ungeheuer, daß es möglich ist, zwei riesige Dampfer von der Größe des Stir-
ling Castle und des Glenogle zu einer und derselben Zeit mit Kohlen zu ver¬
sehen, ohne daß man eine Abnahme der dort aufgeschichteten Massen von
Feuerung bemerkt. Dies geschah im Mai dieses Jahres, wo das eine der ge¬
nannten Fahrzeuge 1800 und das andre 1600 Tonnen einnahm... Andre große
Dampfer von der Peninsular- und Oriental-Linie thun oft an einem Tage das
gleiche, und doch scheinen die aufgestapelten Kohlenhaufen nicht geringer zu
werden; denn ebenso schnell wie ein Dutzend Fahrzeuge davon nehmen, landen
andre, die mit neuer Fracht angekommen sind, und füllen die Lücken. - - Sin¬
gapore ist einer der blühendsten Orte der britischen Kolonialwelt. Unter der
erfahrenen und geschickten Leitung des Gouverneurs Sir Frederick Mett hat es
sich so sehr gehoben, daß es in der Förderung von Arbeiten für den öffent¬
lichen Nutzen seinen Nachbarstädten Malncca und Pcuang gleichkommt. Und es


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[0519] Der Rrieg zwischen Frankreich und Lhina. Singapore ist vielleicht die größte Kohlenniedcrlage der Welt, sicherlich die am reichlichsten versehene in den chinesisch - malayischen Gewässern. Wollen die französischen Kriegsschiffe nicht bloß rasch ihre Bestimmungsorte erreichen, sondern auch eine Art Blockade der Küsten Chinas ausüben, so müssen sie sich wenigstens in den nächsten drei Monaten fast ausschließlich des Dampfes be¬ dienen; denn diese Jahreszeit ist in jenen Gegenden der Fahrt mit Segeln nicht günstig. Zwar sind in der nächsten Zukunft die sonst hier häufig auftretenden äußerst gefährlichen Typhone nicht zu fürchten, wohl aber andre Stürme, und da es hier an starken unterseeischen Strömungen nicht fehlt und die Küsten- strecken nur wenige Leuchttürme haben, so betrachten die Schiffer, welche die Meere Hinterindiens und Chinas befahren, es immer als erstes Erfordernis, wohl¬ gefüllte Kohlenränme und gut arbeitende Kessel und Maschinen an Bord zu haben. Was aber ein reichlicher Kohlenvorrat bedeutet, ersieht man, wenn man sich erinnert, daß ein großer Dampfer täglich etwa 60 Tonnen, d. h. 1200 Zentner Kohle verbraucht, und daß die Reise eines solchen von Toulon oder Marseille nach Tonking sechs und eine halbe bis sieben Wochen in Anspruch nimmt. Singapore und Hongkong sind die beiden nächsten Kohlenplätze für die vor Tonking versammelten französischen Geschwader. Saigon, das noch näher beim Kriegsschauplatze liegt, kommt wenig in Betracht; denn der Kohlenvorrat dieses Hafenortes ist, da der letztere nur von wenigen Handelsfcchrzengen aufgesucht wird, verhältnismäßig gering. Ganz anders verhält es sich mit der englischen Stadt Singapore, über welche der van^ isle^raplr folgende interessante Mit¬ teilungen bringt: „Hier sieht sich der Reisende, nachdem er die herrliche Rhede passirt hat — eine Rhede, welche, die von Nangasaki in Japan ausgenommen, sich an Schön¬ heit der Umgebung den prächtigsten Landschaftsbildern der östlichen Welt an die Seite stellt —, vor Werften, auf denen mehr Kohlen aufgestapelt sind als irgendwo, sei es auswärts oder in englischen Hasen. Diese Vorräte sind so ungeheuer, daß es möglich ist, zwei riesige Dampfer von der Größe des Stir- ling Castle und des Glenogle zu einer und derselben Zeit mit Kohlen zu ver¬ sehen, ohne daß man eine Abnahme der dort aufgeschichteten Massen von Feuerung bemerkt. Dies geschah im Mai dieses Jahres, wo das eine der ge¬ nannten Fahrzeuge 1800 und das andre 1600 Tonnen einnahm... Andre große Dampfer von der Peninsular- und Oriental-Linie thun oft an einem Tage das gleiche, und doch scheinen die aufgestapelten Kohlenhaufen nicht geringer zu werden; denn ebenso schnell wie ein Dutzend Fahrzeuge davon nehmen, landen andre, die mit neuer Fracht angekommen sind, und füllen die Lücken. - - Sin¬ gapore ist einer der blühendsten Orte der britischen Kolonialwelt. Unter der erfahrenen und geschickten Leitung des Gouverneurs Sir Frederick Mett hat es sich so sehr gehoben, daß es in der Förderung von Arbeiten für den öffent¬ lichen Nutzen seinen Nachbarstädten Malncca und Pcuang gleichkommt. Und es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/519>, abgerufen am 28.07.2024.