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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Der Krieg zwischen Frankreich und China.

Kriegsfall betrachten, und daß sie die übrigen Großmächte von diesem Ulti¬
matum in Kenntnis gesetzt hat. Andrerseits aber ist nicht zu bezweifeln,
daß der Admiral Courbet den Befehl erhalten hat, die genannte Stadt anzu¬
greifen, sobald er es für passend halte, songeai, die andre streitige Stadt,
ist von schwer zu passirenden Sümpfen umgeben und wird daher vorläufig wohl
noch unbehelligt bleiben. Der Weg nach Bakning dagegen führt durch Gegenden,
die jetzt wieder trocken sind, und so wird der Admiral zunächst nach diesem Orte
marschiren, eine Annahme, die sich auch darauf gründet, daß die in songeai
stehenden chinesischen Truppen großenteils zur Verstärkung der Besatzung von
Bakning abgesandt worden sind. Wenn Admiral Courbet seineu Marsch von
Hanoi nach Bakning noch nicht angetreten haben sollte, so kann ihn nur der
Umstand davon abgehalten haben, daß nach den neuesten Berichten das Delta
des Roten Stromes in den letzten Wochen für die Franzosen sehr unsicher
geworden ist. Die Schifffahrt auf dem Flusse ist bedroht, mehrere Dörfer an
demselben sind zerstört worden, und es wird versichert, daß die Schwarzflaggen
oder die Chinesen die von französischen Truppen besetzte Stadt Hciidzuong
niedergebrannt haben. Endlich scheint es um die Gesundheit der Soldaten
Courbets nicht gut zu stehen, wenigstens meldet man, daß sie an Dysenterie
leiden. Selbst Pariser Blätter sprechen jetzt Bedenken über den Stand der
Dinge in Tonkin ans. Der I^A-o z, B, sagt: "Die letzten Nachrichten zeigen,
daß der untere Teil des Deltas weit davon entfernt ist, unterworfen zu sein, und
daß die Bevölkerung unsre Schutzherrschaft nicht anerkennt. Die von Huc ab¬
gesandten Mandarinen finden nur Gehorsam, soweit unsre Waffen ihnen zur
Seite stehen, und sie verlieren ihr Ansehen, sobald sie unsrer Sache zu dienen
versuchen. Dies wird hinreichend dadurch erwiesen, daß Admiral Courbet ge¬
zwungen ist, 4000 Manu im Delta zurückzulassen, und daß dreißig Kriegsschiffe
nicht imstande sind, die Piraten zu vernichten, welche die Mandarinen zur
Niederbrennung der von uns eingenommenen Städte verwenden,"

In England scheint man in immer weitern Kreisen die Bedeutung zu begreifen,
welche der nahe gerückte und vielleicht schon ausgebrochene Kampf zwischen der
französischen Republik und dem chinesischen Reiche für das britische Interesse
hat. Der Krieg wird in großem Maße ein Krieg mit Schiffen sein, und Eng¬
land mit seiner großen Handelsflotte wird sehr empfindlich von den Schäden
zu leiden haben, welche solche Kämpfe notwendigerweise den Neutralen zuzufügen
pflegen. Noch schwerer aber fällt folgendes ins Gewicht.

Die Seekriege der Gegenwart werden mit Dampfschiffen geführt, und man
bedarf dazu einer sehr beträchtlichen Menge von Steinkohlen. In diesen wird
daher eine der Hauptschwierigkeitcn liegen, mit denen die Franzosen nach Aus¬
bruch des Streites zu kämpfen haben werden; denn die Kohlenstation, wo die
Admiräle Courbet und Meyer sich vorzugsweise mit Feuerungsmaterial für ihre
Dampfkessel zu versorgen haben werden, befindet sich in britischen Händen.


Der Krieg zwischen Frankreich und China.

Kriegsfall betrachten, und daß sie die übrigen Großmächte von diesem Ulti¬
matum in Kenntnis gesetzt hat. Andrerseits aber ist nicht zu bezweifeln,
daß der Admiral Courbet den Befehl erhalten hat, die genannte Stadt anzu¬
greifen, sobald er es für passend halte, songeai, die andre streitige Stadt,
ist von schwer zu passirenden Sümpfen umgeben und wird daher vorläufig wohl
noch unbehelligt bleiben. Der Weg nach Bakning dagegen führt durch Gegenden,
die jetzt wieder trocken sind, und so wird der Admiral zunächst nach diesem Orte
marschiren, eine Annahme, die sich auch darauf gründet, daß die in songeai
stehenden chinesischen Truppen großenteils zur Verstärkung der Besatzung von
Bakning abgesandt worden sind. Wenn Admiral Courbet seineu Marsch von
Hanoi nach Bakning noch nicht angetreten haben sollte, so kann ihn nur der
Umstand davon abgehalten haben, daß nach den neuesten Berichten das Delta
des Roten Stromes in den letzten Wochen für die Franzosen sehr unsicher
geworden ist. Die Schifffahrt auf dem Flusse ist bedroht, mehrere Dörfer an
demselben sind zerstört worden, und es wird versichert, daß die Schwarzflaggen
oder die Chinesen die von französischen Truppen besetzte Stadt Hciidzuong
niedergebrannt haben. Endlich scheint es um die Gesundheit der Soldaten
Courbets nicht gut zu stehen, wenigstens meldet man, daß sie an Dysenterie
leiden. Selbst Pariser Blätter sprechen jetzt Bedenken über den Stand der
Dinge in Tonkin ans. Der I^A-o z, B, sagt: „Die letzten Nachrichten zeigen,
daß der untere Teil des Deltas weit davon entfernt ist, unterworfen zu sein, und
daß die Bevölkerung unsre Schutzherrschaft nicht anerkennt. Die von Huc ab¬
gesandten Mandarinen finden nur Gehorsam, soweit unsre Waffen ihnen zur
Seite stehen, und sie verlieren ihr Ansehen, sobald sie unsrer Sache zu dienen
versuchen. Dies wird hinreichend dadurch erwiesen, daß Admiral Courbet ge¬
zwungen ist, 4000 Manu im Delta zurückzulassen, und daß dreißig Kriegsschiffe
nicht imstande sind, die Piraten zu vernichten, welche die Mandarinen zur
Niederbrennung der von uns eingenommenen Städte verwenden,"

In England scheint man in immer weitern Kreisen die Bedeutung zu begreifen,
welche der nahe gerückte und vielleicht schon ausgebrochene Kampf zwischen der
französischen Republik und dem chinesischen Reiche für das britische Interesse
hat. Der Krieg wird in großem Maße ein Krieg mit Schiffen sein, und Eng¬
land mit seiner großen Handelsflotte wird sehr empfindlich von den Schäden
zu leiden haben, welche solche Kämpfe notwendigerweise den Neutralen zuzufügen
pflegen. Noch schwerer aber fällt folgendes ins Gewicht.

Die Seekriege der Gegenwart werden mit Dampfschiffen geführt, und man
bedarf dazu einer sehr beträchtlichen Menge von Steinkohlen. In diesen wird
daher eine der Hauptschwierigkeitcn liegen, mit denen die Franzosen nach Aus¬
bruch des Streites zu kämpfen haben werden; denn die Kohlenstation, wo die
Admiräle Courbet und Meyer sich vorzugsweise mit Feuerungsmaterial für ihre
Dampfkessel zu versorgen haben werden, befindet sich in britischen Händen.


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[0518] Der Krieg zwischen Frankreich und China. Kriegsfall betrachten, und daß sie die übrigen Großmächte von diesem Ulti¬ matum in Kenntnis gesetzt hat. Andrerseits aber ist nicht zu bezweifeln, daß der Admiral Courbet den Befehl erhalten hat, die genannte Stadt anzu¬ greifen, sobald er es für passend halte, songeai, die andre streitige Stadt, ist von schwer zu passirenden Sümpfen umgeben und wird daher vorläufig wohl noch unbehelligt bleiben. Der Weg nach Bakning dagegen führt durch Gegenden, die jetzt wieder trocken sind, und so wird der Admiral zunächst nach diesem Orte marschiren, eine Annahme, die sich auch darauf gründet, daß die in songeai stehenden chinesischen Truppen großenteils zur Verstärkung der Besatzung von Bakning abgesandt worden sind. Wenn Admiral Courbet seineu Marsch von Hanoi nach Bakning noch nicht angetreten haben sollte, so kann ihn nur der Umstand davon abgehalten haben, daß nach den neuesten Berichten das Delta des Roten Stromes in den letzten Wochen für die Franzosen sehr unsicher geworden ist. Die Schifffahrt auf dem Flusse ist bedroht, mehrere Dörfer an demselben sind zerstört worden, und es wird versichert, daß die Schwarzflaggen oder die Chinesen die von französischen Truppen besetzte Stadt Hciidzuong niedergebrannt haben. Endlich scheint es um die Gesundheit der Soldaten Courbets nicht gut zu stehen, wenigstens meldet man, daß sie an Dysenterie leiden. Selbst Pariser Blätter sprechen jetzt Bedenken über den Stand der Dinge in Tonkin ans. Der I^A-o z, B, sagt: „Die letzten Nachrichten zeigen, daß der untere Teil des Deltas weit davon entfernt ist, unterworfen zu sein, und daß die Bevölkerung unsre Schutzherrschaft nicht anerkennt. Die von Huc ab¬ gesandten Mandarinen finden nur Gehorsam, soweit unsre Waffen ihnen zur Seite stehen, und sie verlieren ihr Ansehen, sobald sie unsrer Sache zu dienen versuchen. Dies wird hinreichend dadurch erwiesen, daß Admiral Courbet ge¬ zwungen ist, 4000 Manu im Delta zurückzulassen, und daß dreißig Kriegsschiffe nicht imstande sind, die Piraten zu vernichten, welche die Mandarinen zur Niederbrennung der von uns eingenommenen Städte verwenden," In England scheint man in immer weitern Kreisen die Bedeutung zu begreifen, welche der nahe gerückte und vielleicht schon ausgebrochene Kampf zwischen der französischen Republik und dem chinesischen Reiche für das britische Interesse hat. Der Krieg wird in großem Maße ein Krieg mit Schiffen sein, und Eng¬ land mit seiner großen Handelsflotte wird sehr empfindlich von den Schäden zu leiden haben, welche solche Kämpfe notwendigerweise den Neutralen zuzufügen pflegen. Noch schwerer aber fällt folgendes ins Gewicht. Die Seekriege der Gegenwart werden mit Dampfschiffen geführt, und man bedarf dazu einer sehr beträchtlichen Menge von Steinkohlen. In diesen wird daher eine der Hauptschwierigkeitcn liegen, mit denen die Franzosen nach Aus¬ bruch des Streites zu kämpfen haben werden; denn die Kohlenstation, wo die Admiräle Courbet und Meyer sich vorzugsweise mit Feuerungsmaterial für ihre Dampfkessel zu versorgen haben werden, befindet sich in britischen Händen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/518>, abgerufen am 28.07.2024.