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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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ZuM achtzigsten Geburtstage Ludwig Richters.

früher? Hoffentlich. Allein wir können uns nicht verhehlen, daß das Illustra-
tionswesen anders und uicht besser geworden ist, seitdem Augenschwäche unsern
Richter nötigte, den Bleistift wegzulegen. Darüber, daß von seinen Schülern
und Nachahmern keiner ihm das Wasser reicht, könnten wir uns trösten. Aber
dasselbe Volk, welches Richter und der immer gleichzeitig mit ihm zu nennende
Schmorr mit Perlen und Edelsteinen der Kunst förmlich überschütteten, scheint
ebenso viel Gefallen zu finden an dem Falschschmuck eines Dore und einer
Greenaway; das mit ansehen zu müssen, ist wohl niederschlagend. Und was
ist unter den Händen der genannten Industriellen und ihrer Genossen aus dem
Holzschnitt geworden, der sich so kräftig und echt entwickelt hatte! Wieder wird
ihm durch die Schule der von Dore angeführten Kulisscnmaler unter den Illustra¬
toren etwas zugemutet, was seinem Wesen fremd ist. Und Zeichner, welche ihn
nicht zu so rohen Effekten mißbrauchen, sind doch zu vielbeschäftigt, um ihre
Kompositionen mit der Sorgfalt durchzubilden, wie es im sechzehnten und um
die Mitte unsers Jcchrhnnderts als unerläßlich betrachtet wurde. Mau skizzirt
auf dem Papier, der Photograph besorgt die Übertragung auf den Holzstock,
und der Formschneidcr, dessen Ehrgeiz es sonst sein mußte, der Handschrift des
Zeichners mit der höchsten Treue zu folgen, soll diesen nun ergänzen, ans dessen
flüchtigen Andeutungen erst ein Bild machen. Dabei verliert der Holzschnitt
natürlicherweise das durch Material und Technik bedingte Gepräge, welches ihn
von Metallstich und Steinzeichnung unterscheidet und ihn gerade uns Deutschen -
von jeher so wert gemacht hat, den markigen Strich, den scharfen, scharf charak-
terisirenden Umriß. Das Überhandnehmen der Phvtozinkogrciphic, welche wie
der Holzschnitt auf der Buchdruckprcsse abgezogen, in den Lettcrnsatz eingefügt
werden kann, kommt noch hinzu, um das Publikum zu verwirren. Und so ge¬
winnt es den Anschein, als sollte die Holzschneidekunst nach ihrer kurzen zweiten
Blüte abermals verstandet? und entarten.

Möchten doch die Künstler, welche heute dem Achtziger ihre Verehrung be¬
zeigen, diese vor allem dadurch beweisen, daß sie ihm nacheifern in der vollen,
selbstlosen Hingebung an die Kunst, in der treuen und gewissenhaften Aus¬
übung derselben. In ihrer Hand liegt es, den deutschen Boden von dem
wuchernden Unkraut zu säubern. Möchten sie das dem einzigen Altmeister ge¬
loben; wir sind überzeugt, daß sie ihm kein schöneres Angebinde darbringen
könnten.


Bruno Bucher.


ZuM achtzigsten Geburtstage Ludwig Richters.

früher? Hoffentlich. Allein wir können uns nicht verhehlen, daß das Illustra-
tionswesen anders und uicht besser geworden ist, seitdem Augenschwäche unsern
Richter nötigte, den Bleistift wegzulegen. Darüber, daß von seinen Schülern
und Nachahmern keiner ihm das Wasser reicht, könnten wir uns trösten. Aber
dasselbe Volk, welches Richter und der immer gleichzeitig mit ihm zu nennende
Schmorr mit Perlen und Edelsteinen der Kunst förmlich überschütteten, scheint
ebenso viel Gefallen zu finden an dem Falschschmuck eines Dore und einer
Greenaway; das mit ansehen zu müssen, ist wohl niederschlagend. Und was
ist unter den Händen der genannten Industriellen und ihrer Genossen aus dem
Holzschnitt geworden, der sich so kräftig und echt entwickelt hatte! Wieder wird
ihm durch die Schule der von Dore angeführten Kulisscnmaler unter den Illustra¬
toren etwas zugemutet, was seinem Wesen fremd ist. Und Zeichner, welche ihn
nicht zu so rohen Effekten mißbrauchen, sind doch zu vielbeschäftigt, um ihre
Kompositionen mit der Sorgfalt durchzubilden, wie es im sechzehnten und um
die Mitte unsers Jcchrhnnderts als unerläßlich betrachtet wurde. Mau skizzirt
auf dem Papier, der Photograph besorgt die Übertragung auf den Holzstock,
und der Formschneidcr, dessen Ehrgeiz es sonst sein mußte, der Handschrift des
Zeichners mit der höchsten Treue zu folgen, soll diesen nun ergänzen, ans dessen
flüchtigen Andeutungen erst ein Bild machen. Dabei verliert der Holzschnitt
natürlicherweise das durch Material und Technik bedingte Gepräge, welches ihn
von Metallstich und Steinzeichnung unterscheidet und ihn gerade uns Deutschen -
von jeher so wert gemacht hat, den markigen Strich, den scharfen, scharf charak-
terisirenden Umriß. Das Überhandnehmen der Phvtozinkogrciphic, welche wie
der Holzschnitt auf der Buchdruckprcsse abgezogen, in den Lettcrnsatz eingefügt
werden kann, kommt noch hinzu, um das Publikum zu verwirren. Und so ge¬
winnt es den Anschein, als sollte die Holzschneidekunst nach ihrer kurzen zweiten
Blüte abermals verstandet? und entarten.

Möchten doch die Künstler, welche heute dem Achtziger ihre Verehrung be¬
zeigen, diese vor allem dadurch beweisen, daß sie ihm nacheifern in der vollen,
selbstlosen Hingebung an die Kunst, in der treuen und gewissenhaften Aus¬
übung derselben. In ihrer Hand liegt es, den deutschen Boden von dem
wuchernden Unkraut zu säubern. Möchten sie das dem einzigen Altmeister ge¬
loben; wir sind überzeugt, daß sie ihm kein schöneres Angebinde darbringen
könnten.


Bruno Bucher.


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[0050] ZuM achtzigsten Geburtstage Ludwig Richters. früher? Hoffentlich. Allein wir können uns nicht verhehlen, daß das Illustra- tionswesen anders und uicht besser geworden ist, seitdem Augenschwäche unsern Richter nötigte, den Bleistift wegzulegen. Darüber, daß von seinen Schülern und Nachahmern keiner ihm das Wasser reicht, könnten wir uns trösten. Aber dasselbe Volk, welches Richter und der immer gleichzeitig mit ihm zu nennende Schmorr mit Perlen und Edelsteinen der Kunst förmlich überschütteten, scheint ebenso viel Gefallen zu finden an dem Falschschmuck eines Dore und einer Greenaway; das mit ansehen zu müssen, ist wohl niederschlagend. Und was ist unter den Händen der genannten Industriellen und ihrer Genossen aus dem Holzschnitt geworden, der sich so kräftig und echt entwickelt hatte! Wieder wird ihm durch die Schule der von Dore angeführten Kulisscnmaler unter den Illustra¬ toren etwas zugemutet, was seinem Wesen fremd ist. Und Zeichner, welche ihn nicht zu so rohen Effekten mißbrauchen, sind doch zu vielbeschäftigt, um ihre Kompositionen mit der Sorgfalt durchzubilden, wie es im sechzehnten und um die Mitte unsers Jcchrhnnderts als unerläßlich betrachtet wurde. Mau skizzirt auf dem Papier, der Photograph besorgt die Übertragung auf den Holzstock, und der Formschneidcr, dessen Ehrgeiz es sonst sein mußte, der Handschrift des Zeichners mit der höchsten Treue zu folgen, soll diesen nun ergänzen, ans dessen flüchtigen Andeutungen erst ein Bild machen. Dabei verliert der Holzschnitt natürlicherweise das durch Material und Technik bedingte Gepräge, welches ihn von Metallstich und Steinzeichnung unterscheidet und ihn gerade uns Deutschen - von jeher so wert gemacht hat, den markigen Strich, den scharfen, scharf charak- terisirenden Umriß. Das Überhandnehmen der Phvtozinkogrciphic, welche wie der Holzschnitt auf der Buchdruckprcsse abgezogen, in den Lettcrnsatz eingefügt werden kann, kommt noch hinzu, um das Publikum zu verwirren. Und so ge¬ winnt es den Anschein, als sollte die Holzschneidekunst nach ihrer kurzen zweiten Blüte abermals verstandet? und entarten. Möchten doch die Künstler, welche heute dem Achtziger ihre Verehrung be¬ zeigen, diese vor allem dadurch beweisen, daß sie ihm nacheifern in der vollen, selbstlosen Hingebung an die Kunst, in der treuen und gewissenhaften Aus¬ übung derselben. In ihrer Hand liegt es, den deutschen Boden von dem wuchernden Unkraut zu säubern. Möchten sie das dem einzigen Altmeister ge¬ loben; wir sind überzeugt, daß sie ihm kein schöneres Angebinde darbringen könnten. Bruno Bucher.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/50>, abgerufen am 01.09.2024.