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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Neuere Uunstliteratur.

Nachschlagebüchern in lexikalischer Form rege geworden, wie sie Franzosen und
Engländer längst besitzen. Die bis jetzt in Deutschland gemachten Versuche
dieser Art gehören einer früheren Periode der Kunstforschung an und sind daher
heute bereits veraltet. Das letzte Jahr hat uns indessen zwei Wörterbücher
gebracht, welche sich auf die neuesten Ergebnisse der kunstwissenschaftlicher Arbeit
stützen konnten, Bruno Buchers Lexikon der technischen Künste und H. A.
Müllers umfassender angelegtes Lexikon der bildenden Künste (Leipzig,
Bibliographisches Institut), das vor jenem den Vorzug hat, mit Abbil¬
dungen versehen zu sein, welche heute in einem für das große Publikum
berechneten Kunstbuche kaum zu entbehren sind. Einen weiteren Vorzug seines
Werkes hat Müller in möglichster Vollständigkeit gesucht, die allerdings nur
dadurch erreicht werden konnte, daß die einzelnen Artikel (es werden ihrer etwa
4000 werden) ganz knapp gefaßt sind. Das Werk ist auf siebzehn Lieferungen zu
je vier Bogen berechnet, von denen etwa die Hälfte erschienen ist. Ans einem so
beschränkten Raume ist allerdings alles geleistet worden, was nnr in den Kräften
eines Einzelnen steht. Es ist dies umsomehr anzuerkennen, als wir nicht nur
ein Sach- und Fachwörterbuch, sondern auch ein sehr reichhaltiges Künstler¬
lexikon in diesem einen Werke erhalten.

Einen vorwiegend didaktischen Zweck hat auch Heinrich Oeles Hand¬
buch der kirchlichen Kunstarchciologic, von welchem in diesem Jahre die
fünfte Auflage (bei T. O. Weigel in Leipzig) erschienen ist. Der ehrwürdige
Verfasser, welcher sich um die Erforschung der christlichen Kunst im deutschen
Mittelalter unvergängliche Verdienste erworben hat, ist im Dezember 1877 von
einem schweren Mißgeschick heimgesucht worden. Eine Feuersbrunst zerstörte
seine Pfarrwohnung und mit ihr seine Bibliothek, seine Sammlungen und die
langjährigen Vorarbeiten zu der schon damals geplanten neuen Auflage seines
Handbuches. Da der hochbejahrte Mann sich nicht mehr die Kraft zutraute,
das zeitraubende Werk des Sammelns und Sichtens von neuem mit Erfolg
zu unternehmen, sah er sich nach einem jüngeren, thatkräftigen Beistande um
und fand ihn in der Person des Oberpfarrers Ernst Wernicke in Coburg,
mit dessen Hilfe die neue Auflage ins Leben getreten ist. Bis jetzt ist der erste
Band derselbe" vollendet, welcher sich mit dem Äußeren der Kirchengebäude, mit
seiner innern Einrichtung und Ausschmückung, mit der Epigraphik, Heraldik und
Ikonographie beschäftigt. Die neue Auflage steht in jedem Punkte auf der
Höhe der Forschung, sodaß der schwere Verlust, welcher den Verfasser betroffen
hat, wenigstens seinem Werke nicht zu fühlbaren Schaden gereicht hat.

Aus den der antiken Kunst gewidmeten Werken können wir nnr eines
hervorheben, welches auf das Verständnis der weitern Kreise des gebildeten
Publikums berechnet ist, die erste Abteilung der sehr weitschichtig angelegten
Geschichte der Kunst im Altertum von Georges Perrot und Charles
Chipiez. Dieselbe beschäftigt sich mit der Kunst Ägyptens und ist von


Neuere Uunstliteratur.

Nachschlagebüchern in lexikalischer Form rege geworden, wie sie Franzosen und
Engländer längst besitzen. Die bis jetzt in Deutschland gemachten Versuche
dieser Art gehören einer früheren Periode der Kunstforschung an und sind daher
heute bereits veraltet. Das letzte Jahr hat uns indessen zwei Wörterbücher
gebracht, welche sich auf die neuesten Ergebnisse der kunstwissenschaftlicher Arbeit
stützen konnten, Bruno Buchers Lexikon der technischen Künste und H. A.
Müllers umfassender angelegtes Lexikon der bildenden Künste (Leipzig,
Bibliographisches Institut), das vor jenem den Vorzug hat, mit Abbil¬
dungen versehen zu sein, welche heute in einem für das große Publikum
berechneten Kunstbuche kaum zu entbehren sind. Einen weiteren Vorzug seines
Werkes hat Müller in möglichster Vollständigkeit gesucht, die allerdings nur
dadurch erreicht werden konnte, daß die einzelnen Artikel (es werden ihrer etwa
4000 werden) ganz knapp gefaßt sind. Das Werk ist auf siebzehn Lieferungen zu
je vier Bogen berechnet, von denen etwa die Hälfte erschienen ist. Ans einem so
beschränkten Raume ist allerdings alles geleistet worden, was nnr in den Kräften
eines Einzelnen steht. Es ist dies umsomehr anzuerkennen, als wir nicht nur
ein Sach- und Fachwörterbuch, sondern auch ein sehr reichhaltiges Künstler¬
lexikon in diesem einen Werke erhalten.

Einen vorwiegend didaktischen Zweck hat auch Heinrich Oeles Hand¬
buch der kirchlichen Kunstarchciologic, von welchem in diesem Jahre die
fünfte Auflage (bei T. O. Weigel in Leipzig) erschienen ist. Der ehrwürdige
Verfasser, welcher sich um die Erforschung der christlichen Kunst im deutschen
Mittelalter unvergängliche Verdienste erworben hat, ist im Dezember 1877 von
einem schweren Mißgeschick heimgesucht worden. Eine Feuersbrunst zerstörte
seine Pfarrwohnung und mit ihr seine Bibliothek, seine Sammlungen und die
langjährigen Vorarbeiten zu der schon damals geplanten neuen Auflage seines
Handbuches. Da der hochbejahrte Mann sich nicht mehr die Kraft zutraute,
das zeitraubende Werk des Sammelns und Sichtens von neuem mit Erfolg
zu unternehmen, sah er sich nach einem jüngeren, thatkräftigen Beistande um
und fand ihn in der Person des Oberpfarrers Ernst Wernicke in Coburg,
mit dessen Hilfe die neue Auflage ins Leben getreten ist. Bis jetzt ist der erste
Band derselbe» vollendet, welcher sich mit dem Äußeren der Kirchengebäude, mit
seiner innern Einrichtung und Ausschmückung, mit der Epigraphik, Heraldik und
Ikonographie beschäftigt. Die neue Auflage steht in jedem Punkte auf der
Höhe der Forschung, sodaß der schwere Verlust, welcher den Verfasser betroffen
hat, wenigstens seinem Werke nicht zu fühlbaren Schaden gereicht hat.

Aus den der antiken Kunst gewidmeten Werken können wir nnr eines
hervorheben, welches auf das Verständnis der weitern Kreise des gebildeten
Publikums berechnet ist, die erste Abteilung der sehr weitschichtig angelegten
Geschichte der Kunst im Altertum von Georges Perrot und Charles
Chipiez. Dieselbe beschäftigt sich mit der Kunst Ägyptens und ist von


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[0472] Neuere Uunstliteratur. Nachschlagebüchern in lexikalischer Form rege geworden, wie sie Franzosen und Engländer längst besitzen. Die bis jetzt in Deutschland gemachten Versuche dieser Art gehören einer früheren Periode der Kunstforschung an und sind daher heute bereits veraltet. Das letzte Jahr hat uns indessen zwei Wörterbücher gebracht, welche sich auf die neuesten Ergebnisse der kunstwissenschaftlicher Arbeit stützen konnten, Bruno Buchers Lexikon der technischen Künste und H. A. Müllers umfassender angelegtes Lexikon der bildenden Künste (Leipzig, Bibliographisches Institut), das vor jenem den Vorzug hat, mit Abbil¬ dungen versehen zu sein, welche heute in einem für das große Publikum berechneten Kunstbuche kaum zu entbehren sind. Einen weiteren Vorzug seines Werkes hat Müller in möglichster Vollständigkeit gesucht, die allerdings nur dadurch erreicht werden konnte, daß die einzelnen Artikel (es werden ihrer etwa 4000 werden) ganz knapp gefaßt sind. Das Werk ist auf siebzehn Lieferungen zu je vier Bogen berechnet, von denen etwa die Hälfte erschienen ist. Ans einem so beschränkten Raume ist allerdings alles geleistet worden, was nnr in den Kräften eines Einzelnen steht. Es ist dies umsomehr anzuerkennen, als wir nicht nur ein Sach- und Fachwörterbuch, sondern auch ein sehr reichhaltiges Künstler¬ lexikon in diesem einen Werke erhalten. Einen vorwiegend didaktischen Zweck hat auch Heinrich Oeles Hand¬ buch der kirchlichen Kunstarchciologic, von welchem in diesem Jahre die fünfte Auflage (bei T. O. Weigel in Leipzig) erschienen ist. Der ehrwürdige Verfasser, welcher sich um die Erforschung der christlichen Kunst im deutschen Mittelalter unvergängliche Verdienste erworben hat, ist im Dezember 1877 von einem schweren Mißgeschick heimgesucht worden. Eine Feuersbrunst zerstörte seine Pfarrwohnung und mit ihr seine Bibliothek, seine Sammlungen und die langjährigen Vorarbeiten zu der schon damals geplanten neuen Auflage seines Handbuches. Da der hochbejahrte Mann sich nicht mehr die Kraft zutraute, das zeitraubende Werk des Sammelns und Sichtens von neuem mit Erfolg zu unternehmen, sah er sich nach einem jüngeren, thatkräftigen Beistande um und fand ihn in der Person des Oberpfarrers Ernst Wernicke in Coburg, mit dessen Hilfe die neue Auflage ins Leben getreten ist. Bis jetzt ist der erste Band derselbe» vollendet, welcher sich mit dem Äußeren der Kirchengebäude, mit seiner innern Einrichtung und Ausschmückung, mit der Epigraphik, Heraldik und Ikonographie beschäftigt. Die neue Auflage steht in jedem Punkte auf der Höhe der Forschung, sodaß der schwere Verlust, welcher den Verfasser betroffen hat, wenigstens seinem Werke nicht zu fühlbaren Schaden gereicht hat. Aus den der antiken Kunst gewidmeten Werken können wir nnr eines hervorheben, welches auf das Verständnis der weitern Kreise des gebildeten Publikums berechnet ist, die erste Abteilung der sehr weitschichtig angelegten Geschichte der Kunst im Altertum von Georges Perrot und Charles Chipiez. Dieselbe beschäftigt sich mit der Kunst Ägyptens und ist von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/472>, abgerufen am 28.07.2024.