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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Neuere Runstliteratur.

räume zu zerstreuen, in welchen Bilder von Menzel, Kraus, A, Ueberhand und
andern Vertretern des modernen Realismus aufgehängt sind. Einen Hauptteil
der Schuld an dieser geringen Teilnahme des Publikums glaubte man der völlig
unangemessenen Dekoration der beiden Räume zuschreiben zu müssen, deren
Grundton ein kaltes, unerfreuliches Grau bildete. Es wurde demnach durch
eine dunkelrote Bemalung der Wände ein wärmerer Hintergrund geschaffen und
durch eine reichere Vergoldung der die Kartons umschließenden Rahmen der
Gesamteindruck heiterer gestaltet. Vielleicht wird sich infolge dieser vorteilhaften
Veränderung ein lebhafteres Interesse an den gewaltigen Schöpfungen des großen
Mannes ausbilden. Immerhin wird das Verständnis derselben auf kleine
Kreise beschränkt bleiben, wie ja idealistische Bestrebungen zu allen Zeiten nur
eine kleine Gemeinde gefunden haben.

An keinem unter den neueren Künstlern hat sich diese trübe Wahrheit herber
bestätigt als an Anselm Feuerbach, welcher uns jetzt wieder durch die splendide
Publikation der Galerie des Grafen Schack in München nahegebracht
worden ist, die Oskar Berggruen im Auftrage der Gesellschaft für verviel¬
fältigende Kunst in Wien veranstaltet hat. Der edle Dichter und feinfühlige
Kunstmäcen hat seine vornehmste Aufgabe als Sammler darin gesehen, mit den
ihm verfügbaren Mitteln denjenigen Vertretern des künstlerischen Idealismus
im Kampfe ums Dasein beizustehen, an welchen die Menge teilnahmlos vorüber¬
ging. Zwei solcher Idealisten, Böcklin und Feuerbach, wären ohne die stützende
Hand des Grafen Schack frühzeitig in diesem Kampfe zu Grunde gegangen,
und auch für andre, welche später abweichende Bahnen eingeschlagen haben, ist
er eine Zeit lang Stecken und Stab gewesen. Seine auserlesene Galerie kann
man wohl als deu Sammelpunkt aller idealistischen Bestrebungen innerhalb der
deutschen Malerei unsers Jahrhunderts bezeichnen, und da dieselbe abgeschlossen
ist und der größte Teil der in ihr vertretenen Künstler nicht mehr unter den
Lebenden weilt, gehört sie gewissermaßen schon der Geschichte an. Eine Publikation
derselben beansprucht also ein kunsthistorisches Interesse, und diesem letzteren ist
der Herausgeber insofern gerecht geworden, als er seinem begleitenden Text
sorgfältig gearbeitete Biographien und treffende Charakteristiken der Künstler
einverleibt hat, deren Werke durch W. Hecht, D. Raab, Krauskopf, Halm u. a.
musterhaft radirt worden sind. Außer den beiden genannten sind besonders
Cornelius, M. v. Schwind, secirte, Genelli, Rottmann, Preller, Henneberg,
Lenbach und Schleich berücksichtigt worden. Die Publikation der Galerie Schack
reiht sich in der künstlerischen Form würdig den großen, ebenfalls durch die
Radirung hergestellten Galeriewerken des Wiener Belvedere und der Münchener
Pinakothek an.

Da das Interesse des Publikums an den Werken der Kunst und Kunst¬
industrie und demzufolge auch an den damit in Verbindung stehenden Literatur¬
zweigen in der letzten Zeit erheblich zugenommen hat, ist das Bedürfnis nach


Neuere Runstliteratur.

räume zu zerstreuen, in welchen Bilder von Menzel, Kraus, A, Ueberhand und
andern Vertretern des modernen Realismus aufgehängt sind. Einen Hauptteil
der Schuld an dieser geringen Teilnahme des Publikums glaubte man der völlig
unangemessenen Dekoration der beiden Räume zuschreiben zu müssen, deren
Grundton ein kaltes, unerfreuliches Grau bildete. Es wurde demnach durch
eine dunkelrote Bemalung der Wände ein wärmerer Hintergrund geschaffen und
durch eine reichere Vergoldung der die Kartons umschließenden Rahmen der
Gesamteindruck heiterer gestaltet. Vielleicht wird sich infolge dieser vorteilhaften
Veränderung ein lebhafteres Interesse an den gewaltigen Schöpfungen des großen
Mannes ausbilden. Immerhin wird das Verständnis derselben auf kleine
Kreise beschränkt bleiben, wie ja idealistische Bestrebungen zu allen Zeiten nur
eine kleine Gemeinde gefunden haben.

An keinem unter den neueren Künstlern hat sich diese trübe Wahrheit herber
bestätigt als an Anselm Feuerbach, welcher uns jetzt wieder durch die splendide
Publikation der Galerie des Grafen Schack in München nahegebracht
worden ist, die Oskar Berggruen im Auftrage der Gesellschaft für verviel¬
fältigende Kunst in Wien veranstaltet hat. Der edle Dichter und feinfühlige
Kunstmäcen hat seine vornehmste Aufgabe als Sammler darin gesehen, mit den
ihm verfügbaren Mitteln denjenigen Vertretern des künstlerischen Idealismus
im Kampfe ums Dasein beizustehen, an welchen die Menge teilnahmlos vorüber¬
ging. Zwei solcher Idealisten, Böcklin und Feuerbach, wären ohne die stützende
Hand des Grafen Schack frühzeitig in diesem Kampfe zu Grunde gegangen,
und auch für andre, welche später abweichende Bahnen eingeschlagen haben, ist
er eine Zeit lang Stecken und Stab gewesen. Seine auserlesene Galerie kann
man wohl als deu Sammelpunkt aller idealistischen Bestrebungen innerhalb der
deutschen Malerei unsers Jahrhunderts bezeichnen, und da dieselbe abgeschlossen
ist und der größte Teil der in ihr vertretenen Künstler nicht mehr unter den
Lebenden weilt, gehört sie gewissermaßen schon der Geschichte an. Eine Publikation
derselben beansprucht also ein kunsthistorisches Interesse, und diesem letzteren ist
der Herausgeber insofern gerecht geworden, als er seinem begleitenden Text
sorgfältig gearbeitete Biographien und treffende Charakteristiken der Künstler
einverleibt hat, deren Werke durch W. Hecht, D. Raab, Krauskopf, Halm u. a.
musterhaft radirt worden sind. Außer den beiden genannten sind besonders
Cornelius, M. v. Schwind, secirte, Genelli, Rottmann, Preller, Henneberg,
Lenbach und Schleich berücksichtigt worden. Die Publikation der Galerie Schack
reiht sich in der künstlerischen Form würdig den großen, ebenfalls durch die
Radirung hergestellten Galeriewerken des Wiener Belvedere und der Münchener
Pinakothek an.

Da das Interesse des Publikums an den Werken der Kunst und Kunst¬
industrie und demzufolge auch an den damit in Verbindung stehenden Literatur¬
zweigen in der letzten Zeit erheblich zugenommen hat, ist das Bedürfnis nach


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[0471] Neuere Runstliteratur. räume zu zerstreuen, in welchen Bilder von Menzel, Kraus, A, Ueberhand und andern Vertretern des modernen Realismus aufgehängt sind. Einen Hauptteil der Schuld an dieser geringen Teilnahme des Publikums glaubte man der völlig unangemessenen Dekoration der beiden Räume zuschreiben zu müssen, deren Grundton ein kaltes, unerfreuliches Grau bildete. Es wurde demnach durch eine dunkelrote Bemalung der Wände ein wärmerer Hintergrund geschaffen und durch eine reichere Vergoldung der die Kartons umschließenden Rahmen der Gesamteindruck heiterer gestaltet. Vielleicht wird sich infolge dieser vorteilhaften Veränderung ein lebhafteres Interesse an den gewaltigen Schöpfungen des großen Mannes ausbilden. Immerhin wird das Verständnis derselben auf kleine Kreise beschränkt bleiben, wie ja idealistische Bestrebungen zu allen Zeiten nur eine kleine Gemeinde gefunden haben. An keinem unter den neueren Künstlern hat sich diese trübe Wahrheit herber bestätigt als an Anselm Feuerbach, welcher uns jetzt wieder durch die splendide Publikation der Galerie des Grafen Schack in München nahegebracht worden ist, die Oskar Berggruen im Auftrage der Gesellschaft für verviel¬ fältigende Kunst in Wien veranstaltet hat. Der edle Dichter und feinfühlige Kunstmäcen hat seine vornehmste Aufgabe als Sammler darin gesehen, mit den ihm verfügbaren Mitteln denjenigen Vertretern des künstlerischen Idealismus im Kampfe ums Dasein beizustehen, an welchen die Menge teilnahmlos vorüber¬ ging. Zwei solcher Idealisten, Böcklin und Feuerbach, wären ohne die stützende Hand des Grafen Schack frühzeitig in diesem Kampfe zu Grunde gegangen, und auch für andre, welche später abweichende Bahnen eingeschlagen haben, ist er eine Zeit lang Stecken und Stab gewesen. Seine auserlesene Galerie kann man wohl als deu Sammelpunkt aller idealistischen Bestrebungen innerhalb der deutschen Malerei unsers Jahrhunderts bezeichnen, und da dieselbe abgeschlossen ist und der größte Teil der in ihr vertretenen Künstler nicht mehr unter den Lebenden weilt, gehört sie gewissermaßen schon der Geschichte an. Eine Publikation derselben beansprucht also ein kunsthistorisches Interesse, und diesem letzteren ist der Herausgeber insofern gerecht geworden, als er seinem begleitenden Text sorgfältig gearbeitete Biographien und treffende Charakteristiken der Künstler einverleibt hat, deren Werke durch W. Hecht, D. Raab, Krauskopf, Halm u. a. musterhaft radirt worden sind. Außer den beiden genannten sind besonders Cornelius, M. v. Schwind, secirte, Genelli, Rottmann, Preller, Henneberg, Lenbach und Schleich berücksichtigt worden. Die Publikation der Galerie Schack reiht sich in der künstlerischen Form würdig den großen, ebenfalls durch die Radirung hergestellten Galeriewerken des Wiener Belvedere und der Münchener Pinakothek an. Da das Interesse des Publikums an den Werken der Kunst und Kunst¬ industrie und demzufolge auch an den damit in Verbindung stehenden Literatur¬ zweigen in der letzten Zeit erheblich zugenommen hat, ist das Bedürfnis nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/471>, abgerufen am 28.07.2024.