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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Neuere Aunstliteratur.

Einen Beitrag zur Kenntnis der modernen Malerei in den Niederlanden
hat Herman Riegel in einer Geschichte der Wandmalerei in Belgien
seit 1856 (Berlin, Ernst Wasmuth) geliefert, welche in der Schilderung der an
Cornelius und Overbeck anknüpfenden Bestrebungen der Maler Guffens und
Swerts gipfelt, die im Gegensatz zu der von der französischen Partei begünstigten
Richtung des einseitigen Kolorismus in ihren umfangreichen Fresken in Ant¬
werpen und Apern auf geistige Vertiefung und reichen Gedankeninhalt drangen.
Riegel giebt dabei zugleich in kurzen Zügen einen gut orientirenden Überblick
über die ganze moderne Malerei in Belgien überhaupt, Guffens und Swerts
hatten im Jahre 1859 eine große Ausstellung von Kartons deutscher Meister
in Brüssel veranstaltet, von welcher sie sich eine Förderung der monumentalen
Malerei in Belgien versprachen. Die Vorbereitungen zu dieser Ausstellung
brachten die beiden belgischen Künstler mit vielen Deutschen, wie Cornelius,
Overbeck, Schwind, Kaulbach, Schmorr von Carolsfeld, in Verbindung, und
daraus entspann sich ein Briefwechsel, aus welchem Riegel manche interessanten
und für die Geschichte der zeitgenössischen Kunst wichtigen Stücke mitteilt.

Riegel hat auch den hundertsten Geburtstag von Peter von Cornelius
nicht vorübergehen lassen, um dem von ihm so hochverehrten und gepriesenen
Meister ein neues literarisches Ehrendenkmal zu setzen. Seine Jubiläumsschrift
Peter Cornelius (Berlin, R. v. Denkers Verlag) zerfällt gleich der eben
genannten in zwei Teile, deren erster Mitteilungen aus Riegels Tagebuche über
seinen Umgang mit Cornelius in den Jahren 1864--1867 enthält, während
der zweite eine stattliche Anzahl unpublizirter Briefe von Cornelius, neue
Mitteilungen andrer über seine Persönlichkeit und schätzbare Nachrichten über
verschiedene seiner Werke bringt. In der Vorrede läßt sich Riegel sehr bitter
über diejenigen aus, welche dem Meister nicht dieselbe enthusiastische Verehrung,
nicht dieselbe warme Begeisterung entgegenbringen wie er. "Wenn auch die
Kunst der Gegenwart, heißt es hier, immer mehr und mehr eine Richtung ein¬
geschlagen hat, welche von den Wegen dieses bahnbrechenden Künstlers verschieden
ist, so ist doch die Erkenntnis seiner geschichtlichen Bedeutung und künstlerischen
Größe derart gewachsen, daß absprechende Meinungen und schiefe Urteile in
ihrer eignen Hohlheit zusammenfallen und keine andre Wirkung haben, als ihren
Urheber bloßzustellen." Hoffentlich trägt Riegels Buch dazu bei, die Gleich-
giltigkeit, welche in den Kreisen unsers Volkes gegen Cornelius herrscht, einiger¬
maßen zu besiegen.

Auch in der Berliner Nationalgalerie, welche bekanntlich die Corneliusschen
Kartons zur Münchener Glyptothek und zu der projeklirten Camposanto für Berlin
in ihren beiden vornehmsten Räumen beherbergt, hat man aus Anlaß des
Jubiläums versucht, gegen diese beklagenswerte Gleichgiltigkeit anzukämpfen.
Man hatte dort die Erfahrung gemacht, daß das Gros der Besucher nach
flüchtiger Umschau durch die Corneliussäle hindurcheilte, um sich in die Seiten-


Neuere Aunstliteratur.

Einen Beitrag zur Kenntnis der modernen Malerei in den Niederlanden
hat Herman Riegel in einer Geschichte der Wandmalerei in Belgien
seit 1856 (Berlin, Ernst Wasmuth) geliefert, welche in der Schilderung der an
Cornelius und Overbeck anknüpfenden Bestrebungen der Maler Guffens und
Swerts gipfelt, die im Gegensatz zu der von der französischen Partei begünstigten
Richtung des einseitigen Kolorismus in ihren umfangreichen Fresken in Ant¬
werpen und Apern auf geistige Vertiefung und reichen Gedankeninhalt drangen.
Riegel giebt dabei zugleich in kurzen Zügen einen gut orientirenden Überblick
über die ganze moderne Malerei in Belgien überhaupt, Guffens und Swerts
hatten im Jahre 1859 eine große Ausstellung von Kartons deutscher Meister
in Brüssel veranstaltet, von welcher sie sich eine Förderung der monumentalen
Malerei in Belgien versprachen. Die Vorbereitungen zu dieser Ausstellung
brachten die beiden belgischen Künstler mit vielen Deutschen, wie Cornelius,
Overbeck, Schwind, Kaulbach, Schmorr von Carolsfeld, in Verbindung, und
daraus entspann sich ein Briefwechsel, aus welchem Riegel manche interessanten
und für die Geschichte der zeitgenössischen Kunst wichtigen Stücke mitteilt.

Riegel hat auch den hundertsten Geburtstag von Peter von Cornelius
nicht vorübergehen lassen, um dem von ihm so hochverehrten und gepriesenen
Meister ein neues literarisches Ehrendenkmal zu setzen. Seine Jubiläumsschrift
Peter Cornelius (Berlin, R. v. Denkers Verlag) zerfällt gleich der eben
genannten in zwei Teile, deren erster Mitteilungen aus Riegels Tagebuche über
seinen Umgang mit Cornelius in den Jahren 1864—1867 enthält, während
der zweite eine stattliche Anzahl unpublizirter Briefe von Cornelius, neue
Mitteilungen andrer über seine Persönlichkeit und schätzbare Nachrichten über
verschiedene seiner Werke bringt. In der Vorrede läßt sich Riegel sehr bitter
über diejenigen aus, welche dem Meister nicht dieselbe enthusiastische Verehrung,
nicht dieselbe warme Begeisterung entgegenbringen wie er. „Wenn auch die
Kunst der Gegenwart, heißt es hier, immer mehr und mehr eine Richtung ein¬
geschlagen hat, welche von den Wegen dieses bahnbrechenden Künstlers verschieden
ist, so ist doch die Erkenntnis seiner geschichtlichen Bedeutung und künstlerischen
Größe derart gewachsen, daß absprechende Meinungen und schiefe Urteile in
ihrer eignen Hohlheit zusammenfallen und keine andre Wirkung haben, als ihren
Urheber bloßzustellen." Hoffentlich trägt Riegels Buch dazu bei, die Gleich-
giltigkeit, welche in den Kreisen unsers Volkes gegen Cornelius herrscht, einiger¬
maßen zu besiegen.

Auch in der Berliner Nationalgalerie, welche bekanntlich die Corneliusschen
Kartons zur Münchener Glyptothek und zu der projeklirten Camposanto für Berlin
in ihren beiden vornehmsten Räumen beherbergt, hat man aus Anlaß des
Jubiläums versucht, gegen diese beklagenswerte Gleichgiltigkeit anzukämpfen.
Man hatte dort die Erfahrung gemacht, daß das Gros der Besucher nach
flüchtiger Umschau durch die Corneliussäle hindurcheilte, um sich in die Seiten-


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[0470] Neuere Aunstliteratur. Einen Beitrag zur Kenntnis der modernen Malerei in den Niederlanden hat Herman Riegel in einer Geschichte der Wandmalerei in Belgien seit 1856 (Berlin, Ernst Wasmuth) geliefert, welche in der Schilderung der an Cornelius und Overbeck anknüpfenden Bestrebungen der Maler Guffens und Swerts gipfelt, die im Gegensatz zu der von der französischen Partei begünstigten Richtung des einseitigen Kolorismus in ihren umfangreichen Fresken in Ant¬ werpen und Apern auf geistige Vertiefung und reichen Gedankeninhalt drangen. Riegel giebt dabei zugleich in kurzen Zügen einen gut orientirenden Überblick über die ganze moderne Malerei in Belgien überhaupt, Guffens und Swerts hatten im Jahre 1859 eine große Ausstellung von Kartons deutscher Meister in Brüssel veranstaltet, von welcher sie sich eine Förderung der monumentalen Malerei in Belgien versprachen. Die Vorbereitungen zu dieser Ausstellung brachten die beiden belgischen Künstler mit vielen Deutschen, wie Cornelius, Overbeck, Schwind, Kaulbach, Schmorr von Carolsfeld, in Verbindung, und daraus entspann sich ein Briefwechsel, aus welchem Riegel manche interessanten und für die Geschichte der zeitgenössischen Kunst wichtigen Stücke mitteilt. Riegel hat auch den hundertsten Geburtstag von Peter von Cornelius nicht vorübergehen lassen, um dem von ihm so hochverehrten und gepriesenen Meister ein neues literarisches Ehrendenkmal zu setzen. Seine Jubiläumsschrift Peter Cornelius (Berlin, R. v. Denkers Verlag) zerfällt gleich der eben genannten in zwei Teile, deren erster Mitteilungen aus Riegels Tagebuche über seinen Umgang mit Cornelius in den Jahren 1864—1867 enthält, während der zweite eine stattliche Anzahl unpublizirter Briefe von Cornelius, neue Mitteilungen andrer über seine Persönlichkeit und schätzbare Nachrichten über verschiedene seiner Werke bringt. In der Vorrede läßt sich Riegel sehr bitter über diejenigen aus, welche dem Meister nicht dieselbe enthusiastische Verehrung, nicht dieselbe warme Begeisterung entgegenbringen wie er. „Wenn auch die Kunst der Gegenwart, heißt es hier, immer mehr und mehr eine Richtung ein¬ geschlagen hat, welche von den Wegen dieses bahnbrechenden Künstlers verschieden ist, so ist doch die Erkenntnis seiner geschichtlichen Bedeutung und künstlerischen Größe derart gewachsen, daß absprechende Meinungen und schiefe Urteile in ihrer eignen Hohlheit zusammenfallen und keine andre Wirkung haben, als ihren Urheber bloßzustellen." Hoffentlich trägt Riegels Buch dazu bei, die Gleich- giltigkeit, welche in den Kreisen unsers Volkes gegen Cornelius herrscht, einiger¬ maßen zu besiegen. Auch in der Berliner Nationalgalerie, welche bekanntlich die Corneliusschen Kartons zur Münchener Glyptothek und zu der projeklirten Camposanto für Berlin in ihren beiden vornehmsten Räumen beherbergt, hat man aus Anlaß des Jubiläums versucht, gegen diese beklagenswerte Gleichgiltigkeit anzukämpfen. Man hatte dort die Erfahrung gemacht, daß das Gros der Besucher nach flüchtiger Umschau durch die Corneliussäle hindurcheilte, um sich in die Seiten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/470>, abgerufen am 28.07.2024.