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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das Volk in Waffen.

ist die feindliche Hauptarmee. Über das erste Zusammentreffen mit dieser kann
kein Operationsplan mit einiger Sicherheit hinausreichen, denn dem eigenen
Willen begegnet bald der unabhängige Wille des Gegners.

Von bedeutendem Einflüsse auf die eigenen Entschlüsse sind die Nachrichten
über des Feindes Absichten und Bewegungen. Eine zahlreiche Reiterei versieht
den Aufklärungsdienst, dagegen sind Kundschafter mehr in der Epoche der Kriegs¬
vorbereitungen nützlich, wenn ihnen die gewöhnlichen Wege der Korrespondenz
offen stehen. Häufig werden sie von beiden Seiten bezahlt, und der Spion,
welcher am Abend vor der Schlacht auf schaumbedecktem Rosse eintrifft, um
dem Feldherrn den "Plan" des Feindes haarklein zu überliefern, ist lediglich
eine Romanfigur. Ein wichtiges Mittel für das Nachrichtenwesen liegt in der
Presse, wie denn der internationale Verkehr auch zu Kriegszeiten seine Wege
zu finden weiß, sodaß Gesandtschaften und Agenturen im Auslande durch Über¬
mittelung von Nachrichten, welche in neutrale Nachbarländer gedrungen sind,
dem Vaterlande große Dienste leisten können.

Langsamkeit und Mühseligkeit sind das Charakteristische an den Marsch¬
bewegungen großer Truppenkörper, doch kommen unter besondern Verhältnissen her¬
vorragende Marschleistungen vor. Marschübung und strenge Marschordnung sind
wesentlich. Besondre Abteilungen, Avantgarde und Arrieregarde, werden aus¬
geschieden zur Aufklärung und Sicherung. Neben den eigentlichen Märschen spielen
jetzt die Truppenreisen, die Beförderung mit der Eisenbahn oder zu Schiff, eine
große Rolle. Mit den Betrachtungen über die Märsche der Truppen hängt die
Unterkunft derselben aufs engste zusammen. Diese richtet sich nach manchen
Vorbedingungen. Im allgemeinen marschirt man gern etwas weiter, wenn die
Truppe dafür anstatt in das aufreibende Biwack unter Dach und Fach kommt.

Uralt ist der Streit über die Vorteile von Angriff und Verteidigung.
Zwar scheint die Defensive im taktischen Zusammenstoße dem Angriffe in einzelnen
Punkten überlegen, aber eine erfolgreiche Verteidigung beweist doch immer nur,
daß der Feind im Augenblicke nicht stärker war, der glückliche Angriff aber,
daß man selbst der stärkere ist. Krieg führen heißt angreifen.

Ein besondres Kapitel stellt Betrachtungen an über Trennen, Vereinigen
und Mcmövriren, bespricht den umfassenden Angriff und die Gegenmaßregeln
des Feindes, die Verbindungs- und Rückzugslinien. Der Leser wird damit
eingeführt in das Gebiet der den Entscheidungskämpfen vorhergehenden Ope¬
rationen.

Die folgenden Kapitel sind dem Gefecht und der Schlacht gewidmet.
Die letztere ist und bleibt das Wichtigste in der Kriegführung, sie bildet die
Krisis, aus welcher die Entscheidung aller augenblicklich schwebenden Fragen
unmittelbar hervorgeht. Das Schwert Alexanders ist es, welches den gordischen
Knoten zerhaue. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen einer Schlacht,
welche bei den Bewegungen der feindlichen Heere oft wie zufällig entsteht, und


Grenzboten IV. 1833. SS
Das Volk in Waffen.

ist die feindliche Hauptarmee. Über das erste Zusammentreffen mit dieser kann
kein Operationsplan mit einiger Sicherheit hinausreichen, denn dem eigenen
Willen begegnet bald der unabhängige Wille des Gegners.

Von bedeutendem Einflüsse auf die eigenen Entschlüsse sind die Nachrichten
über des Feindes Absichten und Bewegungen. Eine zahlreiche Reiterei versieht
den Aufklärungsdienst, dagegen sind Kundschafter mehr in der Epoche der Kriegs¬
vorbereitungen nützlich, wenn ihnen die gewöhnlichen Wege der Korrespondenz
offen stehen. Häufig werden sie von beiden Seiten bezahlt, und der Spion,
welcher am Abend vor der Schlacht auf schaumbedecktem Rosse eintrifft, um
dem Feldherrn den „Plan" des Feindes haarklein zu überliefern, ist lediglich
eine Romanfigur. Ein wichtiges Mittel für das Nachrichtenwesen liegt in der
Presse, wie denn der internationale Verkehr auch zu Kriegszeiten seine Wege
zu finden weiß, sodaß Gesandtschaften und Agenturen im Auslande durch Über¬
mittelung von Nachrichten, welche in neutrale Nachbarländer gedrungen sind,
dem Vaterlande große Dienste leisten können.

Langsamkeit und Mühseligkeit sind das Charakteristische an den Marsch¬
bewegungen großer Truppenkörper, doch kommen unter besondern Verhältnissen her¬
vorragende Marschleistungen vor. Marschübung und strenge Marschordnung sind
wesentlich. Besondre Abteilungen, Avantgarde und Arrieregarde, werden aus¬
geschieden zur Aufklärung und Sicherung. Neben den eigentlichen Märschen spielen
jetzt die Truppenreisen, die Beförderung mit der Eisenbahn oder zu Schiff, eine
große Rolle. Mit den Betrachtungen über die Märsche der Truppen hängt die
Unterkunft derselben aufs engste zusammen. Diese richtet sich nach manchen
Vorbedingungen. Im allgemeinen marschirt man gern etwas weiter, wenn die
Truppe dafür anstatt in das aufreibende Biwack unter Dach und Fach kommt.

Uralt ist der Streit über die Vorteile von Angriff und Verteidigung.
Zwar scheint die Defensive im taktischen Zusammenstoße dem Angriffe in einzelnen
Punkten überlegen, aber eine erfolgreiche Verteidigung beweist doch immer nur,
daß der Feind im Augenblicke nicht stärker war, der glückliche Angriff aber,
daß man selbst der stärkere ist. Krieg führen heißt angreifen.

Ein besondres Kapitel stellt Betrachtungen an über Trennen, Vereinigen
und Mcmövriren, bespricht den umfassenden Angriff und die Gegenmaßregeln
des Feindes, die Verbindungs- und Rückzugslinien. Der Leser wird damit
eingeführt in das Gebiet der den Entscheidungskämpfen vorhergehenden Ope¬
rationen.

Die folgenden Kapitel sind dem Gefecht und der Schlacht gewidmet.
Die letztere ist und bleibt das Wichtigste in der Kriegführung, sie bildet die
Krisis, aus welcher die Entscheidung aller augenblicklich schwebenden Fragen
unmittelbar hervorgeht. Das Schwert Alexanders ist es, welches den gordischen
Knoten zerhaue. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen einer Schlacht,
welche bei den Bewegungen der feindlichen Heere oft wie zufällig entsteht, und


Grenzboten IV. 1833. SS
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[0443] Das Volk in Waffen. ist die feindliche Hauptarmee. Über das erste Zusammentreffen mit dieser kann kein Operationsplan mit einiger Sicherheit hinausreichen, denn dem eigenen Willen begegnet bald der unabhängige Wille des Gegners. Von bedeutendem Einflüsse auf die eigenen Entschlüsse sind die Nachrichten über des Feindes Absichten und Bewegungen. Eine zahlreiche Reiterei versieht den Aufklärungsdienst, dagegen sind Kundschafter mehr in der Epoche der Kriegs¬ vorbereitungen nützlich, wenn ihnen die gewöhnlichen Wege der Korrespondenz offen stehen. Häufig werden sie von beiden Seiten bezahlt, und der Spion, welcher am Abend vor der Schlacht auf schaumbedecktem Rosse eintrifft, um dem Feldherrn den „Plan" des Feindes haarklein zu überliefern, ist lediglich eine Romanfigur. Ein wichtiges Mittel für das Nachrichtenwesen liegt in der Presse, wie denn der internationale Verkehr auch zu Kriegszeiten seine Wege zu finden weiß, sodaß Gesandtschaften und Agenturen im Auslande durch Über¬ mittelung von Nachrichten, welche in neutrale Nachbarländer gedrungen sind, dem Vaterlande große Dienste leisten können. Langsamkeit und Mühseligkeit sind das Charakteristische an den Marsch¬ bewegungen großer Truppenkörper, doch kommen unter besondern Verhältnissen her¬ vorragende Marschleistungen vor. Marschübung und strenge Marschordnung sind wesentlich. Besondre Abteilungen, Avantgarde und Arrieregarde, werden aus¬ geschieden zur Aufklärung und Sicherung. Neben den eigentlichen Märschen spielen jetzt die Truppenreisen, die Beförderung mit der Eisenbahn oder zu Schiff, eine große Rolle. Mit den Betrachtungen über die Märsche der Truppen hängt die Unterkunft derselben aufs engste zusammen. Diese richtet sich nach manchen Vorbedingungen. Im allgemeinen marschirt man gern etwas weiter, wenn die Truppe dafür anstatt in das aufreibende Biwack unter Dach und Fach kommt. Uralt ist der Streit über die Vorteile von Angriff und Verteidigung. Zwar scheint die Defensive im taktischen Zusammenstoße dem Angriffe in einzelnen Punkten überlegen, aber eine erfolgreiche Verteidigung beweist doch immer nur, daß der Feind im Augenblicke nicht stärker war, der glückliche Angriff aber, daß man selbst der stärkere ist. Krieg führen heißt angreifen. Ein besondres Kapitel stellt Betrachtungen an über Trennen, Vereinigen und Mcmövriren, bespricht den umfassenden Angriff und die Gegenmaßregeln des Feindes, die Verbindungs- und Rückzugslinien. Der Leser wird damit eingeführt in das Gebiet der den Entscheidungskämpfen vorhergehenden Ope¬ rationen. Die folgenden Kapitel sind dem Gefecht und der Schlacht gewidmet. Die letztere ist und bleibt das Wichtigste in der Kriegführung, sie bildet die Krisis, aus welcher die Entscheidung aller augenblicklich schwebenden Fragen unmittelbar hervorgeht. Das Schwert Alexanders ist es, welches den gordischen Knoten zerhaue. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen einer Schlacht, welche bei den Bewegungen der feindlichen Heere oft wie zufällig entsteht, und Grenzboten IV. 1833. SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/443>, abgerufen am 28.07.2024.