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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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vom Festefeiern.

Wir brauchen uns wohl nicht gegen die Unterstellung zu verwahren, daß
wir Feinde der Volksfreude, der Beteiligung am öffentlichen Leben, der Be¬
thätigung des Gemeinsinnes wären. Möchte doch geschossen, geturnt, gesungen
und getanzt werden, möchten die Leute zusammenkommen, um fröhlich zu sein
oder um sich die Köpfe der Minister zu zerbrechen u. s. w., wenn Feier- und Werk¬
tage im richtigen Verhältnisse blieben und -- wenn sich von den "Tagen,"
"Fahrten," Versammlungen nicht so häufig etwas ähnliches sagen ließe wie
von den Festen der Heiligen. "Saure Wochen, frohe Feste," das ist wirklich
ein Zauberwort, aber wenn die Feste die Wochen verschlingen, dann wird das
"Arm am Beutel, krank am Herzen" zur Schlußpointe. Nicht das Schießen
nach der Scheibe, nicht die Übung und Kräftigung der Glieder, nicht das
"deutsche Lied" ist vom Übel, sondern das Lungern und Trinken, das Vergeuden
der Zeit und das Verthun des Geldes, und diese Dinge sind ja längst zur
Hauptsache geworden, und der Gewinn davon meistens ein von schlechtem Ge¬
tränk und noch schlechteren Reden umnebelter Kopf.

O diese Redewut! Niemand konnte es den guten Deutschen verargen, als
sie vor zwanzig Jahren jeden Vorwand beim Schöpf ergriffen, um wilde Parla¬
mente zu konstituiren und die so lange Zeit zurückgedrängten Klagen, Wünsche und
Hoffnungen sich vom Herzen zu schaffen. Jetzt ist das Treiben doch über die
Maßen kindisch. Wen die Natur mit ausreichender Lunge und Zungenfertig¬
keit ausgestattet hat, der findet ja leichtlich einen Platz unter den Auserwählten
seines Landes oder wenigstens seiner Stadt und kann da zum Heile der Mit-
und der Nachwelt wirken, und wem das Wort nicht zu Gebote steht, dem öffnen
Blätter ohne Zahl ihre Spalten. So laßt doch in des Kuckucks Namen die
ehrsamen Bürger in Ruhe mit ihren Büchsen knallen und sich Beste heraus¬
schießen! Wenn ihr immer noch glaubt, daß mit ihrem Knallen noch etwas
andres erreicht werden könne, so müßt ihr zwanzig Jahre verschlafen haben.

Daß auch Ausstellungen unter den Landplagen genannt zu werden ver¬
dienen, wird wieder nur von Personen bestritten werden, welche bei solchen Ge¬
legenheiten dieselbe Rolle spielen wie bei allen Tagen, Fahrten u. s. w., in den
Komitees das große Wort führen, mit Schärpen und Bändern geschmückt auf¬
ziehen, hohe Herrschaften empfangen, sich auch -- natürlich mit innerm Wider¬
streben, nur der Sache halber! -- etwas ins Knopfloch hängen lassen. Sie
sind es, die dem Produzenten immer wieder einreden, daß die Geschäfte einen
"riesigen" Aufschwung nehmen werden, daß die Blüte der Stadt und des Landes
von der geplanten Weltausstellung in Lalenburg abhänge, daß die Ehre der
teueru Vaterstadt engagirt sei u. s. w. Und gewisse Geschäfte floriren aller¬
dings, wenn das große Unternehmen zustande kommt: wenn in der Regel der
Aussteller am Ende seufzend die Kosten berechnet und seine Waare wieder
wohlbehalten zurückbringt, so blicken die Wirte mit Befriedigung auf die langen
Reihen von Fässern, welche auf das Gedeihen der Industrie, der Landwirtschaft


vom Festefeiern.

Wir brauchen uns wohl nicht gegen die Unterstellung zu verwahren, daß
wir Feinde der Volksfreude, der Beteiligung am öffentlichen Leben, der Be¬
thätigung des Gemeinsinnes wären. Möchte doch geschossen, geturnt, gesungen
und getanzt werden, möchten die Leute zusammenkommen, um fröhlich zu sein
oder um sich die Köpfe der Minister zu zerbrechen u. s. w., wenn Feier- und Werk¬
tage im richtigen Verhältnisse blieben und — wenn sich von den „Tagen,"
„Fahrten," Versammlungen nicht so häufig etwas ähnliches sagen ließe wie
von den Festen der Heiligen. „Saure Wochen, frohe Feste," das ist wirklich
ein Zauberwort, aber wenn die Feste die Wochen verschlingen, dann wird das
„Arm am Beutel, krank am Herzen" zur Schlußpointe. Nicht das Schießen
nach der Scheibe, nicht die Übung und Kräftigung der Glieder, nicht das
„deutsche Lied" ist vom Übel, sondern das Lungern und Trinken, das Vergeuden
der Zeit und das Verthun des Geldes, und diese Dinge sind ja längst zur
Hauptsache geworden, und der Gewinn davon meistens ein von schlechtem Ge¬
tränk und noch schlechteren Reden umnebelter Kopf.

O diese Redewut! Niemand konnte es den guten Deutschen verargen, als
sie vor zwanzig Jahren jeden Vorwand beim Schöpf ergriffen, um wilde Parla¬
mente zu konstituiren und die so lange Zeit zurückgedrängten Klagen, Wünsche und
Hoffnungen sich vom Herzen zu schaffen. Jetzt ist das Treiben doch über die
Maßen kindisch. Wen die Natur mit ausreichender Lunge und Zungenfertig¬
keit ausgestattet hat, der findet ja leichtlich einen Platz unter den Auserwählten
seines Landes oder wenigstens seiner Stadt und kann da zum Heile der Mit-
und der Nachwelt wirken, und wem das Wort nicht zu Gebote steht, dem öffnen
Blätter ohne Zahl ihre Spalten. So laßt doch in des Kuckucks Namen die
ehrsamen Bürger in Ruhe mit ihren Büchsen knallen und sich Beste heraus¬
schießen! Wenn ihr immer noch glaubt, daß mit ihrem Knallen noch etwas
andres erreicht werden könne, so müßt ihr zwanzig Jahre verschlafen haben.

Daß auch Ausstellungen unter den Landplagen genannt zu werden ver¬
dienen, wird wieder nur von Personen bestritten werden, welche bei solchen Ge¬
legenheiten dieselbe Rolle spielen wie bei allen Tagen, Fahrten u. s. w., in den
Komitees das große Wort führen, mit Schärpen und Bändern geschmückt auf¬
ziehen, hohe Herrschaften empfangen, sich auch — natürlich mit innerm Wider¬
streben, nur der Sache halber! — etwas ins Knopfloch hängen lassen. Sie
sind es, die dem Produzenten immer wieder einreden, daß die Geschäfte einen
»riesigen" Aufschwung nehmen werden, daß die Blüte der Stadt und des Landes
von der geplanten Weltausstellung in Lalenburg abhänge, daß die Ehre der
teueru Vaterstadt engagirt sei u. s. w. Und gewisse Geschäfte floriren aller¬
dings, wenn das große Unternehmen zustande kommt: wenn in der Regel der
Aussteller am Ende seufzend die Kosten berechnet und seine Waare wieder
wohlbehalten zurückbringt, so blicken die Wirte mit Befriedigung auf die langen
Reihen von Fässern, welche auf das Gedeihen der Industrie, der Landwirtschaft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/437>, abgerufen am 01.09.2024.