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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Francesca von Rimini.

sich nicht persönlich über das Urteil von Kritik und Publikum unterrichten konnte,
Francesca trug diese Launen ihres Gatten mit der ihr eignen Geduld, aber
alle ihre Liebesmühe war umsonst, es schien, als ob die alte Unruhe in Oswald
wieder die Oberhand gewonnen habe.

In den ersten Tagen des Septembers traf ein Telegramm von Harold
ein, welches nur die Worte: "Großartigster Erfolg, herzlichen Glückwunsch"
enthielt. Statt Oswald zu beruhigen, steigerte es nur noch seine Erregung,
denn es dauerte wieder einige Tage, ehe das Packet mit Zeitungen anlangte,
die allesamt in dem überschwänglichsten Lobe des Künstlers übereinstimmten.
Selten hatte ein Bild so sehr den Beifall aller Kreise gefunden. Die Frommen
sprachen von einem wiedererstandenen Michelangelo oder Cornelius, die Welt¬
lichen feierten in dem Künstler einen zweiten Paolo Veronese. In mehr oder
minder genauerer Weise enthielten die Blätter eine Skizze über Oswalds Leben
und Entwicklungsgang; sie verschwiegen, daß er infolge eines unglücklichen Liebes¬
handels vor zwei Jahren sein Vaterland verlassen habe, und sprachen nur die
Hoffnung aus, den Künstler wieder in die Heimat zurückkehren zu sehen und
in ihm einen würdigen Lehrer der Akademie begrüßen zu können. Stolberg
hatte überdies einen ausführlichen Bericht der bekanntesten Meister beigefügt
und namentlich auch hervorgehoben, daß eine in den Künstlerkreisen hochgeschätzte
und wegen ihrer hohen Begabung ausgezeichnete Fürstin ihr lebhaftestes In¬
teresse für das Bild ausgesprochen habe, und daß man unter den Freunden nicht
mehr über die Berufung Oswalds als Professor an der Akademie zweifle.
Die Freude, welche diese Nachrichten in dem Palazzo der Via San Giuliano
hervorriefen, brachte auch unsern Künstler wieder in eine bessere Stimmung;
er erzählte seiner Frau mit besondrer Genugthuung von Berlin und dessen
Schönheiten, von seinen Kunstcmstnlten, an denen sich der Künstler bilde und
erhole, von dem geistigen Umgang am Hofe und in der Gesellschaft, aus welchem
sich immer wieder eine neue Anregung ergebe. Er hatte bei seinen Schilde¬
rungen den Hintergedanken, in Francesca eine Sehnsucht nach diesem Leben zu
erwecken, und gehofft, daß sie selbst dem Gedanken an eine Übersiedlung nach
Berlin Ausdruck geben würde, um ihrem Gatten die Möglichkeit, von den Besten
geehrt und gefeiert, in würdigem Mittelpunkte schaffen zu können, zu gewähren.
Aber Francesca wich diesen Provokationen mit klugem Takte aus, wußte sie
doch, daß ihre Entfernung aus Rimini dem armen Don Baldassare den Todes¬
stoß geben würde, und fürchtete sie doch im geheimen, daß, was ihr Gatte an
Ehre gewinnen, sie selbst an Liebe verlieren würde.

Es war aber unvermeidlich, daß sich Francesca auch einmal ernstlich über
diesen Plan ihrem Manne gegenüber äußern mußte, denn dieser hatte sich immer
mehr in den Gedanken hineingelebt, und es schien deshalb der Gattin eine Aus¬
einandersetzung erforderlich.


Francesca von Rimini.

sich nicht persönlich über das Urteil von Kritik und Publikum unterrichten konnte,
Francesca trug diese Launen ihres Gatten mit der ihr eignen Geduld, aber
alle ihre Liebesmühe war umsonst, es schien, als ob die alte Unruhe in Oswald
wieder die Oberhand gewonnen habe.

In den ersten Tagen des Septembers traf ein Telegramm von Harold
ein, welches nur die Worte: „Großartigster Erfolg, herzlichen Glückwunsch"
enthielt. Statt Oswald zu beruhigen, steigerte es nur noch seine Erregung,
denn es dauerte wieder einige Tage, ehe das Packet mit Zeitungen anlangte,
die allesamt in dem überschwänglichsten Lobe des Künstlers übereinstimmten.
Selten hatte ein Bild so sehr den Beifall aller Kreise gefunden. Die Frommen
sprachen von einem wiedererstandenen Michelangelo oder Cornelius, die Welt¬
lichen feierten in dem Künstler einen zweiten Paolo Veronese. In mehr oder
minder genauerer Weise enthielten die Blätter eine Skizze über Oswalds Leben
und Entwicklungsgang; sie verschwiegen, daß er infolge eines unglücklichen Liebes¬
handels vor zwei Jahren sein Vaterland verlassen habe, und sprachen nur die
Hoffnung aus, den Künstler wieder in die Heimat zurückkehren zu sehen und
in ihm einen würdigen Lehrer der Akademie begrüßen zu können. Stolberg
hatte überdies einen ausführlichen Bericht der bekanntesten Meister beigefügt
und namentlich auch hervorgehoben, daß eine in den Künstlerkreisen hochgeschätzte
und wegen ihrer hohen Begabung ausgezeichnete Fürstin ihr lebhaftestes In¬
teresse für das Bild ausgesprochen habe, und daß man unter den Freunden nicht
mehr über die Berufung Oswalds als Professor an der Akademie zweifle.
Die Freude, welche diese Nachrichten in dem Palazzo der Via San Giuliano
hervorriefen, brachte auch unsern Künstler wieder in eine bessere Stimmung;
er erzählte seiner Frau mit besondrer Genugthuung von Berlin und dessen
Schönheiten, von seinen Kunstcmstnlten, an denen sich der Künstler bilde und
erhole, von dem geistigen Umgang am Hofe und in der Gesellschaft, aus welchem
sich immer wieder eine neue Anregung ergebe. Er hatte bei seinen Schilde¬
rungen den Hintergedanken, in Francesca eine Sehnsucht nach diesem Leben zu
erwecken, und gehofft, daß sie selbst dem Gedanken an eine Übersiedlung nach
Berlin Ausdruck geben würde, um ihrem Gatten die Möglichkeit, von den Besten
geehrt und gefeiert, in würdigem Mittelpunkte schaffen zu können, zu gewähren.
Aber Francesca wich diesen Provokationen mit klugem Takte aus, wußte sie
doch, daß ihre Entfernung aus Rimini dem armen Don Baldassare den Todes¬
stoß geben würde, und fürchtete sie doch im geheimen, daß, was ihr Gatte an
Ehre gewinnen, sie selbst an Liebe verlieren würde.

Es war aber unvermeidlich, daß sich Francesca auch einmal ernstlich über
diesen Plan ihrem Manne gegenüber äußern mußte, denn dieser hatte sich immer
mehr in den Gedanken hineingelebt, und es schien deshalb der Gattin eine Aus¬
einandersetzung erforderlich.


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[0421] Francesca von Rimini. sich nicht persönlich über das Urteil von Kritik und Publikum unterrichten konnte, Francesca trug diese Launen ihres Gatten mit der ihr eignen Geduld, aber alle ihre Liebesmühe war umsonst, es schien, als ob die alte Unruhe in Oswald wieder die Oberhand gewonnen habe. In den ersten Tagen des Septembers traf ein Telegramm von Harold ein, welches nur die Worte: „Großartigster Erfolg, herzlichen Glückwunsch" enthielt. Statt Oswald zu beruhigen, steigerte es nur noch seine Erregung, denn es dauerte wieder einige Tage, ehe das Packet mit Zeitungen anlangte, die allesamt in dem überschwänglichsten Lobe des Künstlers übereinstimmten. Selten hatte ein Bild so sehr den Beifall aller Kreise gefunden. Die Frommen sprachen von einem wiedererstandenen Michelangelo oder Cornelius, die Welt¬ lichen feierten in dem Künstler einen zweiten Paolo Veronese. In mehr oder minder genauerer Weise enthielten die Blätter eine Skizze über Oswalds Leben und Entwicklungsgang; sie verschwiegen, daß er infolge eines unglücklichen Liebes¬ handels vor zwei Jahren sein Vaterland verlassen habe, und sprachen nur die Hoffnung aus, den Künstler wieder in die Heimat zurückkehren zu sehen und in ihm einen würdigen Lehrer der Akademie begrüßen zu können. Stolberg hatte überdies einen ausführlichen Bericht der bekanntesten Meister beigefügt und namentlich auch hervorgehoben, daß eine in den Künstlerkreisen hochgeschätzte und wegen ihrer hohen Begabung ausgezeichnete Fürstin ihr lebhaftestes In¬ teresse für das Bild ausgesprochen habe, und daß man unter den Freunden nicht mehr über die Berufung Oswalds als Professor an der Akademie zweifle. Die Freude, welche diese Nachrichten in dem Palazzo der Via San Giuliano hervorriefen, brachte auch unsern Künstler wieder in eine bessere Stimmung; er erzählte seiner Frau mit besondrer Genugthuung von Berlin und dessen Schönheiten, von seinen Kunstcmstnlten, an denen sich der Künstler bilde und erhole, von dem geistigen Umgang am Hofe und in der Gesellschaft, aus welchem sich immer wieder eine neue Anregung ergebe. Er hatte bei seinen Schilde¬ rungen den Hintergedanken, in Francesca eine Sehnsucht nach diesem Leben zu erwecken, und gehofft, daß sie selbst dem Gedanken an eine Übersiedlung nach Berlin Ausdruck geben würde, um ihrem Gatten die Möglichkeit, von den Besten geehrt und gefeiert, in würdigem Mittelpunkte schaffen zu können, zu gewähren. Aber Francesca wich diesen Provokationen mit klugem Takte aus, wußte sie doch, daß ihre Entfernung aus Rimini dem armen Don Baldassare den Todes¬ stoß geben würde, und fürchtete sie doch im geheimen, daß, was ihr Gatte an Ehre gewinnen, sie selbst an Liebe verlieren würde. Es war aber unvermeidlich, daß sich Francesca auch einmal ernstlich über diesen Plan ihrem Manne gegenüber äußern mußte, denn dieser hatte sich immer mehr in den Gedanken hineingelebt, und es schien deshalb der Gattin eine Aus¬ einandersetzung erforderlich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/421>, abgerufen am 28.07.2024.