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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Frankreichs Kriegsbereitschaft.

eignet sind, die von einem Teil unsrer Presse ausgesprochene übertriebene Wert¬
schätzung der neuen französischen Armee auf das rechte Maß zurückzuführen und
die mit ihr verknüpften Befürchtungen größtenteils zu zerstreuen.

Über die französische Infanterie spricht sich der Verfasser im allgemeinen
befriedigt aus. Noch günstiger äußert er sich über die Artillerie. "Sie wird
uns ein numerisch überlegner, mit sehr brauchbarem Material versehener, durch¬
aus nicht zu unterschätzender Gegner heilt. Freilich erhält das Gesamtbild der
Waffe durch die Konstituirung von 51 Batterien aus Trainsoldaten und die
Placirung von 50 Trainhcmptlenten an die Spitze von Feldbatterien Schatten-
strichc, die vor Ablauf einiger Jahre sich nicht werden wegwischen lassen."
(S. 95.) "Jenen Batterien kann man die Qualifikation*) der Verwendbarkeit
im Felde beim besten Willen nicht ausstellen. . . . Käme es heute zum Kriege,
so müßte man die Trainmannschaften an die Kolonnen abgeben und die Batterien
lediglich aus Reservisten zusammensetzen. ... Die Zahl allein thut es nicht,
und eine einfache administrative Maßregel verwandelt einen Trainsvldaten nicht
in einen brauchbaren Feldartilleristen. Die im nächsten Jahre zu entlassende
Klasse der Trainsoldaten kehrt heim, ohne die nötige Ausbildung erhalten zu
haben. Und wie sieht es mit den Offizieren aus? Denke man sich einen im
Artillerietrain ganz brauchbaren Kapitän an der Spitze einer Feldbatterie.
Schickt man ihn auf die Schießschule in Bourges, so wird er doch nicht im¬
stande sein, in den nächsten Jahren seine Batterie gewandt zu führen. Dazu
gehört schneller Blick und Vertrautheit mit dem Gefechte der drei Waffen, und
diese vermag nur lange Übung zu geben." (S. 84.) Die Kavallerie war
immer das Schmerzenskind der französischen Armee. Außer der verhältnismäßig
kleinen Zahl geeigneter Führer und der großen Ungleichmcißigkeit der Quali¬
fikation derselben auf den verschiedenen hierarchischen Stufen findet unsre Schrift
dafür zwei Gründe, die auch in den nächsten Jahren nicht verschwinden werden:
"Geringe reiterliche Beanlagung**) der Franzosen und Mangel an Interesse für
Pferde, dann zweitens die geringe Stärke des Reitschlags, die zu Ankäufen im
Auslande um hohe Stimmen zwingt oder Pferde von schlechter Beschaffenheit
zu acquiriren nötigt, die man alsdann solange ausnutzt, als sie überhaupt gehen
können. . . . Das Resultat ist, daß man in den französischen Regimentern schon
im Frieden eine Anzahl von Pferden findet, die selbst den Fricdensstrapazcn
nicht gewachsen sind." (S. 42 ff.) Das Gesamturteil des Verfassers über diese
Waffe lautet (S. 75): "Arbeit und Fortschritte sind unleugbar, die Prinzipien
der Dreitrcffentaktik von der Führung anerkannt, aber nicht immer richtig an¬
gewendet. Der Offensivgcist bedarf bei der Führung noch der Pflege. Übung,
Präzision und Schnelligkeit fehlen. Die Remoutirnng der Kavallerie und auch




*) Der Verfasser meint wohl das Zeugnis?
**) Reiterliche Beanlagung? Schön gesagt. Warum uicht Anlage zum Reiten?
Frankreichs Kriegsbereitschaft.

eignet sind, die von einem Teil unsrer Presse ausgesprochene übertriebene Wert¬
schätzung der neuen französischen Armee auf das rechte Maß zurückzuführen und
die mit ihr verknüpften Befürchtungen größtenteils zu zerstreuen.

Über die französische Infanterie spricht sich der Verfasser im allgemeinen
befriedigt aus. Noch günstiger äußert er sich über die Artillerie. „Sie wird
uns ein numerisch überlegner, mit sehr brauchbarem Material versehener, durch¬
aus nicht zu unterschätzender Gegner heilt. Freilich erhält das Gesamtbild der
Waffe durch die Konstituirung von 51 Batterien aus Trainsoldaten und die
Placirung von 50 Trainhcmptlenten an die Spitze von Feldbatterien Schatten-
strichc, die vor Ablauf einiger Jahre sich nicht werden wegwischen lassen."
(S. 95.) „Jenen Batterien kann man die Qualifikation*) der Verwendbarkeit
im Felde beim besten Willen nicht ausstellen. . . . Käme es heute zum Kriege,
so müßte man die Trainmannschaften an die Kolonnen abgeben und die Batterien
lediglich aus Reservisten zusammensetzen. ... Die Zahl allein thut es nicht,
und eine einfache administrative Maßregel verwandelt einen Trainsvldaten nicht
in einen brauchbaren Feldartilleristen. Die im nächsten Jahre zu entlassende
Klasse der Trainsoldaten kehrt heim, ohne die nötige Ausbildung erhalten zu
haben. Und wie sieht es mit den Offizieren aus? Denke man sich einen im
Artillerietrain ganz brauchbaren Kapitän an der Spitze einer Feldbatterie.
Schickt man ihn auf die Schießschule in Bourges, so wird er doch nicht im¬
stande sein, in den nächsten Jahren seine Batterie gewandt zu führen. Dazu
gehört schneller Blick und Vertrautheit mit dem Gefechte der drei Waffen, und
diese vermag nur lange Übung zu geben." (S. 84.) Die Kavallerie war
immer das Schmerzenskind der französischen Armee. Außer der verhältnismäßig
kleinen Zahl geeigneter Führer und der großen Ungleichmcißigkeit der Quali¬
fikation derselben auf den verschiedenen hierarchischen Stufen findet unsre Schrift
dafür zwei Gründe, die auch in den nächsten Jahren nicht verschwinden werden:
„Geringe reiterliche Beanlagung**) der Franzosen und Mangel an Interesse für
Pferde, dann zweitens die geringe Stärke des Reitschlags, die zu Ankäufen im
Auslande um hohe Stimmen zwingt oder Pferde von schlechter Beschaffenheit
zu acquiriren nötigt, die man alsdann solange ausnutzt, als sie überhaupt gehen
können. . . . Das Resultat ist, daß man in den französischen Regimentern schon
im Frieden eine Anzahl von Pferden findet, die selbst den Fricdensstrapazcn
nicht gewachsen sind." (S. 42 ff.) Das Gesamturteil des Verfassers über diese
Waffe lautet (S. 75): „Arbeit und Fortschritte sind unleugbar, die Prinzipien
der Dreitrcffentaktik von der Führung anerkannt, aber nicht immer richtig an¬
gewendet. Der Offensivgcist bedarf bei der Führung noch der Pflege. Übung,
Präzision und Schnelligkeit fehlen. Die Remoutirnng der Kavallerie und auch




*) Der Verfasser meint wohl das Zeugnis?
**) Reiterliche Beanlagung? Schön gesagt. Warum uicht Anlage zum Reiten?
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[0388] Frankreichs Kriegsbereitschaft. eignet sind, die von einem Teil unsrer Presse ausgesprochene übertriebene Wert¬ schätzung der neuen französischen Armee auf das rechte Maß zurückzuführen und die mit ihr verknüpften Befürchtungen größtenteils zu zerstreuen. Über die französische Infanterie spricht sich der Verfasser im allgemeinen befriedigt aus. Noch günstiger äußert er sich über die Artillerie. „Sie wird uns ein numerisch überlegner, mit sehr brauchbarem Material versehener, durch¬ aus nicht zu unterschätzender Gegner heilt. Freilich erhält das Gesamtbild der Waffe durch die Konstituirung von 51 Batterien aus Trainsoldaten und die Placirung von 50 Trainhcmptlenten an die Spitze von Feldbatterien Schatten- strichc, die vor Ablauf einiger Jahre sich nicht werden wegwischen lassen." (S. 95.) „Jenen Batterien kann man die Qualifikation*) der Verwendbarkeit im Felde beim besten Willen nicht ausstellen. . . . Käme es heute zum Kriege, so müßte man die Trainmannschaften an die Kolonnen abgeben und die Batterien lediglich aus Reservisten zusammensetzen. ... Die Zahl allein thut es nicht, und eine einfache administrative Maßregel verwandelt einen Trainsvldaten nicht in einen brauchbaren Feldartilleristen. Die im nächsten Jahre zu entlassende Klasse der Trainsoldaten kehrt heim, ohne die nötige Ausbildung erhalten zu haben. Und wie sieht es mit den Offizieren aus? Denke man sich einen im Artillerietrain ganz brauchbaren Kapitän an der Spitze einer Feldbatterie. Schickt man ihn auf die Schießschule in Bourges, so wird er doch nicht im¬ stande sein, in den nächsten Jahren seine Batterie gewandt zu führen. Dazu gehört schneller Blick und Vertrautheit mit dem Gefechte der drei Waffen, und diese vermag nur lange Übung zu geben." (S. 84.) Die Kavallerie war immer das Schmerzenskind der französischen Armee. Außer der verhältnismäßig kleinen Zahl geeigneter Führer und der großen Ungleichmcißigkeit der Quali¬ fikation derselben auf den verschiedenen hierarchischen Stufen findet unsre Schrift dafür zwei Gründe, die auch in den nächsten Jahren nicht verschwinden werden: „Geringe reiterliche Beanlagung**) der Franzosen und Mangel an Interesse für Pferde, dann zweitens die geringe Stärke des Reitschlags, die zu Ankäufen im Auslande um hohe Stimmen zwingt oder Pferde von schlechter Beschaffenheit zu acquiriren nötigt, die man alsdann solange ausnutzt, als sie überhaupt gehen können. . . . Das Resultat ist, daß man in den französischen Regimentern schon im Frieden eine Anzahl von Pferden findet, die selbst den Fricdensstrapazcn nicht gewachsen sind." (S. 42 ff.) Das Gesamturteil des Verfassers über diese Waffe lautet (S. 75): „Arbeit und Fortschritte sind unleugbar, die Prinzipien der Dreitrcffentaktik von der Führung anerkannt, aber nicht immer richtig an¬ gewendet. Der Offensivgcist bedarf bei der Führung noch der Pflege. Übung, Präzision und Schnelligkeit fehlen. Die Remoutirnng der Kavallerie und auch *) Der Verfasser meint wohl das Zeugnis? **) Reiterliche Beanlagung? Schön gesagt. Warum uicht Anlage zum Reiten?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/388>, abgerufen am 27.07.2024.