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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Der Sieg .ferrys über die Radikalen,

sprach. Sowohl der Marquis Tseng (im LiAiaäiU'et) als die französische Regierung
hatten die Dokumente veröffentlicht, in welchen die beiden Parteien bei dem
Streite ihre Ansprüche niedergelegt hatten, der Kvnscilspräsident und der Minister
des Auswärtigen setzten in ausführlicher Rede ihre Absichten auseinander und
deuteten in verständlichster Weise ihre letzten Ziele an. So kann es keinen
Vorwand mehr geben, welcher die Behauptung gestattete, man habe Frankreich
mit verbundenen Augen in ein höchst gewagtes Unternehmen gestürzt. Wir
müssen annehmen, daß die leitenden Geister in Paris sich entschlossen haben,
auf jede Gefahr hin gewaltige Pläne zu verfolgen, daß sie sich dabei auf eine
starke Majorität stützen, und daß alle, die für sie gestimmt haben, bereit sind, den
damit zusammenhängenden Möglichkeiten die Stirn zu bieten, welche natürlich
einen Krieg mit China einschließen. Das ist der Ausgang der von den Radi¬
kalen provvzirten Debatte. Die Regierung hat einen leichten Sieg gewonnen,
ihr bisheriges Auftreten ist gebilligt, ihr zukünftiges in seinen wahrscheinlichen
Hauptzügen im voraus gutgeheißen.

Zu gleicher Zeit erfocht das Kabinet Ferry noch einen Sieg und die radikalen
Gegner desselben erlitten noch eine Niederlage, Es handelte sich am Montag und
Dienstag der vorigen Woche um etwas mehr als um den Streit mit China
oder selbst um die Billigung einer Politik, welche Ersatz für Gebietsverlust da¬
heim in entlegenen Ländern sucht. Ostensibel war der Ansturm der Partei M-
mcnceaus gegen das Unternehmen in Chinesisch-Indien gerichtet, in Wahrheit
aber gegen das Ministerium als die Führerschaft der maßvolleren Radikalen,
der Gambettisten, Wir erinnern uns, daß Ferrh in Rouen und Havre den
"Unversöhnlichen" Fehde ansagte, und daß er mit unzweideutigen Worten sich
bereit und entschlossen erklärte, sie mit Entschiedenheit zu bekämpfen. Seitdem
wütete zwischen ihm und den Ultras ein ungewöhnlich erbitterter Zeitungskrieg,
der nicht selten die Grenzen der Billigkeit, bisweilen auch die des Anstandes
überschritt, und seit Wochen wußte man, daß es zwischen den beiden Parteien,
von welchem die eine die Ordnung und die Stabilität, die andre alle Arten re¬
volutionärer Meinung vom Cäsarismus bis zur'Anarchie vertritt, zu einen"
parlamentarischen Zusammenstoße von großer Heftigkeit kommen müsse. Der
Granetsche Antrag war daher dem Konseilspräsidenten und dessen Amtsgenossen
sehr willkommen, einmal weil er ihm Gelegenheit schuf, den Radikalen in der
Kammer entgegenzutreten und sie zu werfen, dann weil er ihn in den Stand
setzte, in seiner Stellung China gegenüber festern Boden zu gewinnen und sicherer
und nachdrücklicher zu operiren. Indem, mit andern Worten, die Mehrheit der
Volksvertretung das Auftreten des Kabinets in Ostasien unterstützte, gab sie
zugleich kund, daß sie ihm in seiner innern Politik wenigstens fürs erste zur
Seite zu stehen bereit sei. So triumphirte einerseits der gemäßigte, bis zu
einem gewissen Maße konservativ gewordene Republikanismus, andrerseits die
Meinung Waddingtons, daß man sich jenseits der Meere ausdehnen müsse.


Der Sieg .ferrys über die Radikalen,

sprach. Sowohl der Marquis Tseng (im LiAiaäiU'et) als die französische Regierung
hatten die Dokumente veröffentlicht, in welchen die beiden Parteien bei dem
Streite ihre Ansprüche niedergelegt hatten, der Kvnscilspräsident und der Minister
des Auswärtigen setzten in ausführlicher Rede ihre Absichten auseinander und
deuteten in verständlichster Weise ihre letzten Ziele an. So kann es keinen
Vorwand mehr geben, welcher die Behauptung gestattete, man habe Frankreich
mit verbundenen Augen in ein höchst gewagtes Unternehmen gestürzt. Wir
müssen annehmen, daß die leitenden Geister in Paris sich entschlossen haben,
auf jede Gefahr hin gewaltige Pläne zu verfolgen, daß sie sich dabei auf eine
starke Majorität stützen, und daß alle, die für sie gestimmt haben, bereit sind, den
damit zusammenhängenden Möglichkeiten die Stirn zu bieten, welche natürlich
einen Krieg mit China einschließen. Das ist der Ausgang der von den Radi¬
kalen provvzirten Debatte. Die Regierung hat einen leichten Sieg gewonnen,
ihr bisheriges Auftreten ist gebilligt, ihr zukünftiges in seinen wahrscheinlichen
Hauptzügen im voraus gutgeheißen.

Zu gleicher Zeit erfocht das Kabinet Ferry noch einen Sieg und die radikalen
Gegner desselben erlitten noch eine Niederlage, Es handelte sich am Montag und
Dienstag der vorigen Woche um etwas mehr als um den Streit mit China
oder selbst um die Billigung einer Politik, welche Ersatz für Gebietsverlust da¬
heim in entlegenen Ländern sucht. Ostensibel war der Ansturm der Partei M-
mcnceaus gegen das Unternehmen in Chinesisch-Indien gerichtet, in Wahrheit
aber gegen das Ministerium als die Führerschaft der maßvolleren Radikalen,
der Gambettisten, Wir erinnern uns, daß Ferrh in Rouen und Havre den
„Unversöhnlichen" Fehde ansagte, und daß er mit unzweideutigen Worten sich
bereit und entschlossen erklärte, sie mit Entschiedenheit zu bekämpfen. Seitdem
wütete zwischen ihm und den Ultras ein ungewöhnlich erbitterter Zeitungskrieg,
der nicht selten die Grenzen der Billigkeit, bisweilen auch die des Anstandes
überschritt, und seit Wochen wußte man, daß es zwischen den beiden Parteien,
von welchem die eine die Ordnung und die Stabilität, die andre alle Arten re¬
volutionärer Meinung vom Cäsarismus bis zur'Anarchie vertritt, zu einen«
parlamentarischen Zusammenstoße von großer Heftigkeit kommen müsse. Der
Granetsche Antrag war daher dem Konseilspräsidenten und dessen Amtsgenossen
sehr willkommen, einmal weil er ihm Gelegenheit schuf, den Radikalen in der
Kammer entgegenzutreten und sie zu werfen, dann weil er ihn in den Stand
setzte, in seiner Stellung China gegenüber festern Boden zu gewinnen und sicherer
und nachdrücklicher zu operiren. Indem, mit andern Worten, die Mehrheit der
Volksvertretung das Auftreten des Kabinets in Ostasien unterstützte, gab sie
zugleich kund, daß sie ihm in seiner innern Politik wenigstens fürs erste zur
Seite zu stehen bereit sei. So triumphirte einerseits der gemäßigte, bis zu
einem gewissen Maße konservativ gewordene Republikanismus, andrerseits die
Meinung Waddingtons, daß man sich jenseits der Meere ausdehnen müsse.


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[0372] Der Sieg .ferrys über die Radikalen, sprach. Sowohl der Marquis Tseng (im LiAiaäiU'et) als die französische Regierung hatten die Dokumente veröffentlicht, in welchen die beiden Parteien bei dem Streite ihre Ansprüche niedergelegt hatten, der Kvnscilspräsident und der Minister des Auswärtigen setzten in ausführlicher Rede ihre Absichten auseinander und deuteten in verständlichster Weise ihre letzten Ziele an. So kann es keinen Vorwand mehr geben, welcher die Behauptung gestattete, man habe Frankreich mit verbundenen Augen in ein höchst gewagtes Unternehmen gestürzt. Wir müssen annehmen, daß die leitenden Geister in Paris sich entschlossen haben, auf jede Gefahr hin gewaltige Pläne zu verfolgen, daß sie sich dabei auf eine starke Majorität stützen, und daß alle, die für sie gestimmt haben, bereit sind, den damit zusammenhängenden Möglichkeiten die Stirn zu bieten, welche natürlich einen Krieg mit China einschließen. Das ist der Ausgang der von den Radi¬ kalen provvzirten Debatte. Die Regierung hat einen leichten Sieg gewonnen, ihr bisheriges Auftreten ist gebilligt, ihr zukünftiges in seinen wahrscheinlichen Hauptzügen im voraus gutgeheißen. Zu gleicher Zeit erfocht das Kabinet Ferry noch einen Sieg und die radikalen Gegner desselben erlitten noch eine Niederlage, Es handelte sich am Montag und Dienstag der vorigen Woche um etwas mehr als um den Streit mit China oder selbst um die Billigung einer Politik, welche Ersatz für Gebietsverlust da¬ heim in entlegenen Ländern sucht. Ostensibel war der Ansturm der Partei M- mcnceaus gegen das Unternehmen in Chinesisch-Indien gerichtet, in Wahrheit aber gegen das Ministerium als die Führerschaft der maßvolleren Radikalen, der Gambettisten, Wir erinnern uns, daß Ferrh in Rouen und Havre den „Unversöhnlichen" Fehde ansagte, und daß er mit unzweideutigen Worten sich bereit und entschlossen erklärte, sie mit Entschiedenheit zu bekämpfen. Seitdem wütete zwischen ihm und den Ultras ein ungewöhnlich erbitterter Zeitungskrieg, der nicht selten die Grenzen der Billigkeit, bisweilen auch die des Anstandes überschritt, und seit Wochen wußte man, daß es zwischen den beiden Parteien, von welchem die eine die Ordnung und die Stabilität, die andre alle Arten re¬ volutionärer Meinung vom Cäsarismus bis zur'Anarchie vertritt, zu einen« parlamentarischen Zusammenstoße von großer Heftigkeit kommen müsse. Der Granetsche Antrag war daher dem Konseilspräsidenten und dessen Amtsgenossen sehr willkommen, einmal weil er ihm Gelegenheit schuf, den Radikalen in der Kammer entgegenzutreten und sie zu werfen, dann weil er ihn in den Stand setzte, in seiner Stellung China gegenüber festern Boden zu gewinnen und sicherer und nachdrücklicher zu operiren. Indem, mit andern Worten, die Mehrheit der Volksvertretung das Auftreten des Kabinets in Ostasien unterstützte, gab sie zugleich kund, daß sie ihm in seiner innern Politik wenigstens fürs erste zur Seite zu stehen bereit sei. So triumphirte einerseits der gemäßigte, bis zu einem gewissen Maße konservativ gewordene Republikanismus, andrerseits die Meinung Waddingtons, daß man sich jenseits der Meere ausdehnen müsse.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/372>, abgerufen am 27.07.2024.