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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das neue Aktimgesetz,

dachte Vorschrift wird der geknickten Moral wieder etwas auf die Beine helfen,
denn bisher haben es verschiedene Vorstandsmitglieder und Aufsichtsrate ver¬
standen, mit fremdem Gelde zu ihrem eignen Nutzen zu wirtschaften.

Der Entwurf enthält endlich "och eine Reihe von Übergangsbestimmungen,
welche darauf abzielen, soweit es ohne Schädigung bereits erworbener Rechte
angeht, die Vorschriften des Entwurfs nicht bloß auf die noch zu gründenden,
sondern auch auf die bestehenden Gesellschaften anzuwenden. Es wird dies die
Reinigung eines Augiasstalles werden; hoffen wir. daß der Besen scharf genug
sein wird.

Die Motive bringen noch ein besondres Kapitel über die ausländischen
Aktiengesellschaften und den Handel in auswärtigen Aktien, Diese Frage er¬
scheint uns von ganz besonderer Wichtigkeit; denn wir wissen, daß das Geld
kosmopolitisch ist, und wenn sich sogar während des französischen Krieges deut¬
sches Geld gefunden hat, um eine Anleihe des Landesfeindcs aufzubringen, so
wird sich nicht minder deutsches Geld finden, um im Auslande Aktiengesellschaften
zu gründen und mit ihren Waaren die deutschen Börsen zu überschwemmen.
Die Motive des Entwurfs suchen nachzuweisen, daß dessen Vorschriften im
allgemeinen auch auf die Errichtung von Zweigniederlassungen auswärtiger Ge¬
sellschaften Anwendung finden werden, geben aber zu, daß doch ein sehr erheb¬
licher Teil der Gründungsbestimmungen für diese ausgeschlossen sein muß. Uns
erscheint dies bedenklich, und wir hoffen, daß die weiteren Stadien der Beratung
dieses Bedenken beseitigen werden. Wenn eine ausländische Gesellschaft im In-
lande eine Zweigniederlassung gründen will, so muß sie für diese alle Vorschriften
erfüllen, welche das inländische Recht für eine Hauptniederlassung aufstellt. Eine
solche Folgerung kann man sogar bei gutem Willen schon der bestehenden Gesetz¬
gebung entnehmen; wir sehen nicht ein, warum eine ausländische Gesellschaft
besser gestellt sein soll als eine inländische, warum das deutsche Reich die im
Entwurf festgesetzte!? Kautelen nur den Inländern und nicht auch den Ausländern
gegenüber für erforderlich erachtet, und warum es den einheimischen Gründern,
wenn sie unsre Gesetze umgehen wollen, so leicht gemacht werden soll, den Sitz
der Gesellschaft über die Grenze zu verlegen und im Inlande eine Zweignieder¬
lassung zu gründen/ Mögen doch die auswärtigen Staaten Nepressalie üben,
wir haben sie nicht zu fürchten, und ein bloßes Nachgeben dem Ausland gegen¬
über ist unpraktisch und unpolitisch. Dagegen müssen wir dem Entwurf zugeben,
daß er selbst nicht den Handel mit auswärtigen Aktien an der Börse verhindern
kann. Hier liegt ein schweres Hemmnis vor, das nur im Rahmen eines Börsen¬
gesetzes geregelt werden kann. Denn hier handelt es sich nicht bloß um Aktien,
sondern auch um schwiudelhafte Anleihen bankerutter Städte und Staaten. Die
Regelung dieser Frage wird auf große Schwierigkeiten stoßen, denn sie berührt
die internationale Bilanz und Beziehungen von hohem finanzpolitischen Interesse.
Der Entwurf ermahnt in seiner Begründung die Börsenvvlstünde, bei der Zu-


Grcnzboten IV 1883, 44
Das neue Aktimgesetz,

dachte Vorschrift wird der geknickten Moral wieder etwas auf die Beine helfen,
denn bisher haben es verschiedene Vorstandsmitglieder und Aufsichtsrate ver¬
standen, mit fremdem Gelde zu ihrem eignen Nutzen zu wirtschaften.

Der Entwurf enthält endlich »och eine Reihe von Übergangsbestimmungen,
welche darauf abzielen, soweit es ohne Schädigung bereits erworbener Rechte
angeht, die Vorschriften des Entwurfs nicht bloß auf die noch zu gründenden,
sondern auch auf die bestehenden Gesellschaften anzuwenden. Es wird dies die
Reinigung eines Augiasstalles werden; hoffen wir. daß der Besen scharf genug
sein wird.

Die Motive bringen noch ein besondres Kapitel über die ausländischen
Aktiengesellschaften und den Handel in auswärtigen Aktien, Diese Frage er¬
scheint uns von ganz besonderer Wichtigkeit; denn wir wissen, daß das Geld
kosmopolitisch ist, und wenn sich sogar während des französischen Krieges deut¬
sches Geld gefunden hat, um eine Anleihe des Landesfeindcs aufzubringen, so
wird sich nicht minder deutsches Geld finden, um im Auslande Aktiengesellschaften
zu gründen und mit ihren Waaren die deutschen Börsen zu überschwemmen.
Die Motive des Entwurfs suchen nachzuweisen, daß dessen Vorschriften im
allgemeinen auch auf die Errichtung von Zweigniederlassungen auswärtiger Ge¬
sellschaften Anwendung finden werden, geben aber zu, daß doch ein sehr erheb¬
licher Teil der Gründungsbestimmungen für diese ausgeschlossen sein muß. Uns
erscheint dies bedenklich, und wir hoffen, daß die weiteren Stadien der Beratung
dieses Bedenken beseitigen werden. Wenn eine ausländische Gesellschaft im In-
lande eine Zweigniederlassung gründen will, so muß sie für diese alle Vorschriften
erfüllen, welche das inländische Recht für eine Hauptniederlassung aufstellt. Eine
solche Folgerung kann man sogar bei gutem Willen schon der bestehenden Gesetz¬
gebung entnehmen; wir sehen nicht ein, warum eine ausländische Gesellschaft
besser gestellt sein soll als eine inländische, warum das deutsche Reich die im
Entwurf festgesetzte!? Kautelen nur den Inländern und nicht auch den Ausländern
gegenüber für erforderlich erachtet, und warum es den einheimischen Gründern,
wenn sie unsre Gesetze umgehen wollen, so leicht gemacht werden soll, den Sitz
der Gesellschaft über die Grenze zu verlegen und im Inlande eine Zweignieder¬
lassung zu gründen/ Mögen doch die auswärtigen Staaten Nepressalie üben,
wir haben sie nicht zu fürchten, und ein bloßes Nachgeben dem Ausland gegen¬
über ist unpraktisch und unpolitisch. Dagegen müssen wir dem Entwurf zugeben,
daß er selbst nicht den Handel mit auswärtigen Aktien an der Börse verhindern
kann. Hier liegt ein schweres Hemmnis vor, das nur im Rahmen eines Börsen¬
gesetzes geregelt werden kann. Denn hier handelt es sich nicht bloß um Aktien,
sondern auch um schwiudelhafte Anleihen bankerutter Städte und Staaten. Die
Regelung dieser Frage wird auf große Schwierigkeiten stoßen, denn sie berührt
die internationale Bilanz und Beziehungen von hohem finanzpolitischen Interesse.
Der Entwurf ermahnt in seiner Begründung die Börsenvvlstünde, bei der Zu-


Grcnzboten IV 1883, 44
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[0355] Das neue Aktimgesetz, dachte Vorschrift wird der geknickten Moral wieder etwas auf die Beine helfen, denn bisher haben es verschiedene Vorstandsmitglieder und Aufsichtsrate ver¬ standen, mit fremdem Gelde zu ihrem eignen Nutzen zu wirtschaften. Der Entwurf enthält endlich »och eine Reihe von Übergangsbestimmungen, welche darauf abzielen, soweit es ohne Schädigung bereits erworbener Rechte angeht, die Vorschriften des Entwurfs nicht bloß auf die noch zu gründenden, sondern auch auf die bestehenden Gesellschaften anzuwenden. Es wird dies die Reinigung eines Augiasstalles werden; hoffen wir. daß der Besen scharf genug sein wird. Die Motive bringen noch ein besondres Kapitel über die ausländischen Aktiengesellschaften und den Handel in auswärtigen Aktien, Diese Frage er¬ scheint uns von ganz besonderer Wichtigkeit; denn wir wissen, daß das Geld kosmopolitisch ist, und wenn sich sogar während des französischen Krieges deut¬ sches Geld gefunden hat, um eine Anleihe des Landesfeindcs aufzubringen, so wird sich nicht minder deutsches Geld finden, um im Auslande Aktiengesellschaften zu gründen und mit ihren Waaren die deutschen Börsen zu überschwemmen. Die Motive des Entwurfs suchen nachzuweisen, daß dessen Vorschriften im allgemeinen auch auf die Errichtung von Zweigniederlassungen auswärtiger Ge¬ sellschaften Anwendung finden werden, geben aber zu, daß doch ein sehr erheb¬ licher Teil der Gründungsbestimmungen für diese ausgeschlossen sein muß. Uns erscheint dies bedenklich, und wir hoffen, daß die weiteren Stadien der Beratung dieses Bedenken beseitigen werden. Wenn eine ausländische Gesellschaft im In- lande eine Zweigniederlassung gründen will, so muß sie für diese alle Vorschriften erfüllen, welche das inländische Recht für eine Hauptniederlassung aufstellt. Eine solche Folgerung kann man sogar bei gutem Willen schon der bestehenden Gesetz¬ gebung entnehmen; wir sehen nicht ein, warum eine ausländische Gesellschaft besser gestellt sein soll als eine inländische, warum das deutsche Reich die im Entwurf festgesetzte!? Kautelen nur den Inländern und nicht auch den Ausländern gegenüber für erforderlich erachtet, und warum es den einheimischen Gründern, wenn sie unsre Gesetze umgehen wollen, so leicht gemacht werden soll, den Sitz der Gesellschaft über die Grenze zu verlegen und im Inlande eine Zweignieder¬ lassung zu gründen/ Mögen doch die auswärtigen Staaten Nepressalie üben, wir haben sie nicht zu fürchten, und ein bloßes Nachgeben dem Ausland gegen¬ über ist unpraktisch und unpolitisch. Dagegen müssen wir dem Entwurf zugeben, daß er selbst nicht den Handel mit auswärtigen Aktien an der Börse verhindern kann. Hier liegt ein schweres Hemmnis vor, das nur im Rahmen eines Börsen¬ gesetzes geregelt werden kann. Denn hier handelt es sich nicht bloß um Aktien, sondern auch um schwiudelhafte Anleihen bankerutter Städte und Staaten. Die Regelung dieser Frage wird auf große Schwierigkeiten stoßen, denn sie berührt die internationale Bilanz und Beziehungen von hohem finanzpolitischen Interesse. Der Entwurf ermahnt in seiner Begründung die Börsenvvlstünde, bei der Zu- Grcnzboten IV 1883, 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/355>, abgerufen am 28.07.2024.