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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das neue Aktiengesetz.

dadurch die Emittenten vor Chikanen und Rachsucht geschützt, andrerseits kvimnt
das von ihnen Erstrittene nicht bloß dem Einzelnen, sondern der Gesamtheit
der Aktionäre und infolgedessen mittelbar auch den Einzelnen zugute. Freilich
giebt es auch noch anderweit Mittel und Wege, die Aktien an den Mann zu
bringen, anonyme Zeitungsartikel können zum Ankauf anlocken, fingirte Börsen-
,> ','/>.> to,uni den Aktien der faulsten Art Eingang in den offiziellen Kurs¬
zettel verschaffen. Hiergegen trifft der Entwurf keine Vorschriften, indem er
behauptet, daß im allgemeine" Abhilfe gegen diese Manipulationen sich nur in
dem Rahmen eines auf alle Börseneffekten sich erstreckenden Börsengesetzes schaffen
ließe. Hoffentlich laßt das letztere nicht so lange auf sich warten.

Eine zweite Vorschrift richtet sich gegen Vergleiche aus Gründungsansprüchen
der Gesellschaft. Naturgemäß läßt sich der Einfluß der Gründer in den ersten
Zeiten der Existenz der Gesellschaft nicht beseitigen; sie bleiben zunächst im
Besitz der Aktien, und beherrschen demzufolge auch die Generalversammlung, so-
daß letztere nicht abgeneigt sein wird, ihnen Decharge für alle Gründnngsakte
zu erteilen. Der Entwurf will das auch insofern nicht verhindern, als es gerade
im Interesse der ehrlichen Leute liegen kann, die sich nicht auf Jahrzehnte
hinaus ihr ganzes Beweismaterial sichern können, durch eine solche Decharge
formell ihrer Verbindlichkeiten gegen die Gesellschaft losgesprochen zu werden.
Nur um den gedachten Mißbrauch zu verhindern, sollen derartige Vergleiche
und Verzichtleistungen in den ersten drei Jahren seit Eintragung der Gesellschaft
überhaupt und auch später noch unzulässig sein, wenn Aktionäre, welche den
fünften Teil des Grundkapitals vertreten, sich dagegen erklären.

Ferner könnte es vorkommen, daß die Gründer, um die strengen Vor¬
schriften des Entwurfs wegen der Apports zu umgehen, sich zunächst als Geld¬
gesellschaft konstituirten und unmittelbar nach der Eintragung das Etablissement
erwürben, dessen Umgründung schon von Anfang an beabsichtigt war. Der
Entwurf zieht auch eine solche Manipulation in den Kreis seiner Vorschriften,
indem er in den ersten zwei Jahren für Erwerbungen, welche den zehnten Teil
des Grundkapitals überschreiten, dieselben Vorschriften trifft, wie wenn sie vor
der Eintragung der Gesellschaft erfolgt wären.

Endlich wird auch noch die Erhöhung des Grundkapitals ins Auge gefaßt.
Der Unfug, der mit dieser Erhöhung in den Gründertagen getrieben wurde,
steht noch in Aller Erinnerung. Als die Fluten des Marktes künstlich in die
Höhe geschraubt wurden und die Spekulationswut nicht Objekte genug haben
konnte und selbst die Gründung neuer Gesellschaften nicht mehr möglich war,
da bereits Wasser, Luft, Erde und Feuer in Aktiengesellschaften aufgelöst waren,
verfiel man auf die sinnreiche Idee, das Aktienkapital bestehender Gesellschaften
zu vermehren, auch wenn dieselben gar keines neuen Kapitals bedurften, ja das
bisherige uicht einmal voll eingezahlt war. Die Aktien "jungten," wie es in
dem keuschen Börsenjargon hieß, und diese "jungen Aktien" waren bald ein be-


Das neue Aktiengesetz.

dadurch die Emittenten vor Chikanen und Rachsucht geschützt, andrerseits kvimnt
das von ihnen Erstrittene nicht bloß dem Einzelnen, sondern der Gesamtheit
der Aktionäre und infolgedessen mittelbar auch den Einzelnen zugute. Freilich
giebt es auch noch anderweit Mittel und Wege, die Aktien an den Mann zu
bringen, anonyme Zeitungsartikel können zum Ankauf anlocken, fingirte Börsen-
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zettel verschaffen. Hiergegen trifft der Entwurf keine Vorschriften, indem er
behauptet, daß im allgemeine» Abhilfe gegen diese Manipulationen sich nur in
dem Rahmen eines auf alle Börseneffekten sich erstreckenden Börsengesetzes schaffen
ließe. Hoffentlich laßt das letztere nicht so lange auf sich warten.

Eine zweite Vorschrift richtet sich gegen Vergleiche aus Gründungsansprüchen
der Gesellschaft. Naturgemäß läßt sich der Einfluß der Gründer in den ersten
Zeiten der Existenz der Gesellschaft nicht beseitigen; sie bleiben zunächst im
Besitz der Aktien, und beherrschen demzufolge auch die Generalversammlung, so-
daß letztere nicht abgeneigt sein wird, ihnen Decharge für alle Gründnngsakte
zu erteilen. Der Entwurf will das auch insofern nicht verhindern, als es gerade
im Interesse der ehrlichen Leute liegen kann, die sich nicht auf Jahrzehnte
hinaus ihr ganzes Beweismaterial sichern können, durch eine solche Decharge
formell ihrer Verbindlichkeiten gegen die Gesellschaft losgesprochen zu werden.
Nur um den gedachten Mißbrauch zu verhindern, sollen derartige Vergleiche
und Verzichtleistungen in den ersten drei Jahren seit Eintragung der Gesellschaft
überhaupt und auch später noch unzulässig sein, wenn Aktionäre, welche den
fünften Teil des Grundkapitals vertreten, sich dagegen erklären.

Ferner könnte es vorkommen, daß die Gründer, um die strengen Vor¬
schriften des Entwurfs wegen der Apports zu umgehen, sich zunächst als Geld¬
gesellschaft konstituirten und unmittelbar nach der Eintragung das Etablissement
erwürben, dessen Umgründung schon von Anfang an beabsichtigt war. Der
Entwurf zieht auch eine solche Manipulation in den Kreis seiner Vorschriften,
indem er in den ersten zwei Jahren für Erwerbungen, welche den zehnten Teil
des Grundkapitals überschreiten, dieselben Vorschriften trifft, wie wenn sie vor
der Eintragung der Gesellschaft erfolgt wären.

Endlich wird auch noch die Erhöhung des Grundkapitals ins Auge gefaßt.
Der Unfug, der mit dieser Erhöhung in den Gründertagen getrieben wurde,
steht noch in Aller Erinnerung. Als die Fluten des Marktes künstlich in die
Höhe geschraubt wurden und die Spekulationswut nicht Objekte genug haben
konnte und selbst die Gründung neuer Gesellschaften nicht mehr möglich war,
da bereits Wasser, Luft, Erde und Feuer in Aktiengesellschaften aufgelöst waren,
verfiel man auf die sinnreiche Idee, das Aktienkapital bestehender Gesellschaften
zu vermehren, auch wenn dieselben gar keines neuen Kapitals bedurften, ja das
bisherige uicht einmal voll eingezahlt war. Die Aktien „jungten," wie es in
dem keuschen Börsenjargon hieß, und diese „jungen Aktien" waren bald ein be-


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[0349] Das neue Aktiengesetz. dadurch die Emittenten vor Chikanen und Rachsucht geschützt, andrerseits kvimnt das von ihnen Erstrittene nicht bloß dem Einzelnen, sondern der Gesamtheit der Aktionäre und infolgedessen mittelbar auch den Einzelnen zugute. Freilich giebt es auch noch anderweit Mittel und Wege, die Aktien an den Mann zu bringen, anonyme Zeitungsartikel können zum Ankauf anlocken, fingirte Börsen- ,> ','/>.> to,uni den Aktien der faulsten Art Eingang in den offiziellen Kurs¬ zettel verschaffen. Hiergegen trifft der Entwurf keine Vorschriften, indem er behauptet, daß im allgemeine» Abhilfe gegen diese Manipulationen sich nur in dem Rahmen eines auf alle Börseneffekten sich erstreckenden Börsengesetzes schaffen ließe. Hoffentlich laßt das letztere nicht so lange auf sich warten. Eine zweite Vorschrift richtet sich gegen Vergleiche aus Gründungsansprüchen der Gesellschaft. Naturgemäß läßt sich der Einfluß der Gründer in den ersten Zeiten der Existenz der Gesellschaft nicht beseitigen; sie bleiben zunächst im Besitz der Aktien, und beherrschen demzufolge auch die Generalversammlung, so- daß letztere nicht abgeneigt sein wird, ihnen Decharge für alle Gründnngsakte zu erteilen. Der Entwurf will das auch insofern nicht verhindern, als es gerade im Interesse der ehrlichen Leute liegen kann, die sich nicht auf Jahrzehnte hinaus ihr ganzes Beweismaterial sichern können, durch eine solche Decharge formell ihrer Verbindlichkeiten gegen die Gesellschaft losgesprochen zu werden. Nur um den gedachten Mißbrauch zu verhindern, sollen derartige Vergleiche und Verzichtleistungen in den ersten drei Jahren seit Eintragung der Gesellschaft überhaupt und auch später noch unzulässig sein, wenn Aktionäre, welche den fünften Teil des Grundkapitals vertreten, sich dagegen erklären. Ferner könnte es vorkommen, daß die Gründer, um die strengen Vor¬ schriften des Entwurfs wegen der Apports zu umgehen, sich zunächst als Geld¬ gesellschaft konstituirten und unmittelbar nach der Eintragung das Etablissement erwürben, dessen Umgründung schon von Anfang an beabsichtigt war. Der Entwurf zieht auch eine solche Manipulation in den Kreis seiner Vorschriften, indem er in den ersten zwei Jahren für Erwerbungen, welche den zehnten Teil des Grundkapitals überschreiten, dieselben Vorschriften trifft, wie wenn sie vor der Eintragung der Gesellschaft erfolgt wären. Endlich wird auch noch die Erhöhung des Grundkapitals ins Auge gefaßt. Der Unfug, der mit dieser Erhöhung in den Gründertagen getrieben wurde, steht noch in Aller Erinnerung. Als die Fluten des Marktes künstlich in die Höhe geschraubt wurden und die Spekulationswut nicht Objekte genug haben konnte und selbst die Gründung neuer Gesellschaften nicht mehr möglich war, da bereits Wasser, Luft, Erde und Feuer in Aktiengesellschaften aufgelöst waren, verfiel man auf die sinnreiche Idee, das Aktienkapital bestehender Gesellschaften zu vermehren, auch wenn dieselben gar keines neuen Kapitals bedurften, ja das bisherige uicht einmal voll eingezahlt war. Die Aktien „jungten," wie es in dem keuschen Börsenjargon hieß, und diese „jungen Aktien" waren bald ein be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/349>, abgerufen am 01.09.2024.