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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das neue Aktiengesetz.
(Schluß.)
5.

as Hauptaugenmerk wendet der Entwurf mit vollem Recht der
Gründung zu, nicht bloß weil hier am meisten gesündigt worden
ist, sondern weil, wenn hier gesündigt wird -- abgesehen von
allen andern bereits früher angedeuteten Schäden --, das
Schicksal der krank ins Leben gerufenen Gesellschaft für alle
Zukunft als ein elendes besiegelt ist. Hier waren die Mängel des bestehenden
Rechts am sichtbarsten. Wie Athene plötzlich Zeus' Haupte entsprang oder wie
Aphrodite unvermutet dem Meeresschaum entstieg, so war wieder eine neue
Aktiengesellschaft entstanden, ohne daß jemand wußte, wer der Erzeuger des Ge¬
schöpfes war -- das mit jenen griechischen Göttinnen höchstens den vornehmen
Namen teilte --, oder auf welchem Wege die Schöpfung zustande gekommen
war. Einige Stunden genügten, und der Markt war wieder mit einem neuen
"Werte" überschwemmt. Herr A hatte eine Fabrik, die nicht mehr prosperirte;
Herr B hat dieselbe ermittelt, er nimmt sich den Bankier C und D zu Hilfe.
Eine Konferenz unter Zuziehung eines Notars konstituirte die Aktiengesellschaft
mit einem Grundkapital von zwei Millionen Mark. A erhielt für seine Fabrik
nebst Utensilien einen den Wert erheblichen übersteigenden Betrag, der Nest wird
zwischen B, C, D geteilt, dem Handelsrichter davon Anzeige erstattet, und die
Gesellschaft ist fertig. Eines der Bankhäuser oder eine feine Firma übernimmt
-- gegen die entsprechend hohe Provision -- den Vertrieb. Marktschreierische
Prospekte thun das ihrige, Zeitungsartikel wissen nicht genug das neue Unter¬
nehmen zu rühmen, und bald sind die Aktien untergebracht. solange das noch
nicht völlig eingetreten ist, geht das Unternehmen sehr flott, Reklamen jagen
Reklamen, fiktive Dividenden beweisen deutlich die Rentabilität und -- endlich
ist das Publikum hineingefallen. Nach einiger Zeit wird das ganze Manöver
klar, aber siehe da, niemand ist vorhanden, an den sich die Betrogenen halten
können, man weiß nicht einmal, wer den Prospekt verfaßt hat. Wie vom
Mädchen aus der Fremde weiß kein Mensch, "woher die Gesellschaft kam."
"Der Gründungshergang blieb im Verborgenen -- sagen die Motive --, ein
Hervortreten der Gründer war vom Gesetz nicht verlangt; die treibenden Per¬
sönlichkeiten handelten ohne Verantwortlichkeit und entzogen sich jeder Kontrole.
Die Verlockung, das eigne Interesse dem der errichtenden Gesellschaft vorzuziehen,


Das neue Aktiengesetz.
(Schluß.)
5.

as Hauptaugenmerk wendet der Entwurf mit vollem Recht der
Gründung zu, nicht bloß weil hier am meisten gesündigt worden
ist, sondern weil, wenn hier gesündigt wird — abgesehen von
allen andern bereits früher angedeuteten Schäden —, das
Schicksal der krank ins Leben gerufenen Gesellschaft für alle
Zukunft als ein elendes besiegelt ist. Hier waren die Mängel des bestehenden
Rechts am sichtbarsten. Wie Athene plötzlich Zeus' Haupte entsprang oder wie
Aphrodite unvermutet dem Meeresschaum entstieg, so war wieder eine neue
Aktiengesellschaft entstanden, ohne daß jemand wußte, wer der Erzeuger des Ge¬
schöpfes war — das mit jenen griechischen Göttinnen höchstens den vornehmen
Namen teilte —, oder auf welchem Wege die Schöpfung zustande gekommen
war. Einige Stunden genügten, und der Markt war wieder mit einem neuen
„Werte" überschwemmt. Herr A hatte eine Fabrik, die nicht mehr prosperirte;
Herr B hat dieselbe ermittelt, er nimmt sich den Bankier C und D zu Hilfe.
Eine Konferenz unter Zuziehung eines Notars konstituirte die Aktiengesellschaft
mit einem Grundkapital von zwei Millionen Mark. A erhielt für seine Fabrik
nebst Utensilien einen den Wert erheblichen übersteigenden Betrag, der Nest wird
zwischen B, C, D geteilt, dem Handelsrichter davon Anzeige erstattet, und die
Gesellschaft ist fertig. Eines der Bankhäuser oder eine feine Firma übernimmt
— gegen die entsprechend hohe Provision — den Vertrieb. Marktschreierische
Prospekte thun das ihrige, Zeitungsartikel wissen nicht genug das neue Unter¬
nehmen zu rühmen, und bald sind die Aktien untergebracht. solange das noch
nicht völlig eingetreten ist, geht das Unternehmen sehr flott, Reklamen jagen
Reklamen, fiktive Dividenden beweisen deutlich die Rentabilität und — endlich
ist das Publikum hineingefallen. Nach einiger Zeit wird das ganze Manöver
klar, aber siehe da, niemand ist vorhanden, an den sich die Betrogenen halten
können, man weiß nicht einmal, wer den Prospekt verfaßt hat. Wie vom
Mädchen aus der Fremde weiß kein Mensch, „woher die Gesellschaft kam."
„Der Gründungshergang blieb im Verborgenen — sagen die Motive —, ein
Hervortreten der Gründer war vom Gesetz nicht verlangt; die treibenden Per¬
sönlichkeiten handelten ohne Verantwortlichkeit und entzogen sich jeder Kontrole.
Die Verlockung, das eigne Interesse dem der errichtenden Gesellschaft vorzuziehen,


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[0344] Das neue Aktiengesetz. (Schluß.) 5. as Hauptaugenmerk wendet der Entwurf mit vollem Recht der Gründung zu, nicht bloß weil hier am meisten gesündigt worden ist, sondern weil, wenn hier gesündigt wird — abgesehen von allen andern bereits früher angedeuteten Schäden —, das Schicksal der krank ins Leben gerufenen Gesellschaft für alle Zukunft als ein elendes besiegelt ist. Hier waren die Mängel des bestehenden Rechts am sichtbarsten. Wie Athene plötzlich Zeus' Haupte entsprang oder wie Aphrodite unvermutet dem Meeresschaum entstieg, so war wieder eine neue Aktiengesellschaft entstanden, ohne daß jemand wußte, wer der Erzeuger des Ge¬ schöpfes war — das mit jenen griechischen Göttinnen höchstens den vornehmen Namen teilte —, oder auf welchem Wege die Schöpfung zustande gekommen war. Einige Stunden genügten, und der Markt war wieder mit einem neuen „Werte" überschwemmt. Herr A hatte eine Fabrik, die nicht mehr prosperirte; Herr B hat dieselbe ermittelt, er nimmt sich den Bankier C und D zu Hilfe. Eine Konferenz unter Zuziehung eines Notars konstituirte die Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von zwei Millionen Mark. A erhielt für seine Fabrik nebst Utensilien einen den Wert erheblichen übersteigenden Betrag, der Nest wird zwischen B, C, D geteilt, dem Handelsrichter davon Anzeige erstattet, und die Gesellschaft ist fertig. Eines der Bankhäuser oder eine feine Firma übernimmt — gegen die entsprechend hohe Provision — den Vertrieb. Marktschreierische Prospekte thun das ihrige, Zeitungsartikel wissen nicht genug das neue Unter¬ nehmen zu rühmen, und bald sind die Aktien untergebracht. solange das noch nicht völlig eingetreten ist, geht das Unternehmen sehr flott, Reklamen jagen Reklamen, fiktive Dividenden beweisen deutlich die Rentabilität und — endlich ist das Publikum hineingefallen. Nach einiger Zeit wird das ganze Manöver klar, aber siehe da, niemand ist vorhanden, an den sich die Betrogenen halten können, man weiß nicht einmal, wer den Prospekt verfaßt hat. Wie vom Mädchen aus der Fremde weiß kein Mensch, „woher die Gesellschaft kam." „Der Gründungshergang blieb im Verborgenen — sagen die Motive —, ein Hervortreten der Gründer war vom Gesetz nicht verlangt; die treibenden Per¬ sönlichkeiten handelten ohne Verantwortlichkeit und entzogen sich jeder Kontrole. Die Verlockung, das eigne Interesse dem der errichtenden Gesellschaft vorzuziehen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/344>, abgerufen am 13.11.2024.