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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Botho von Hülsen und seine Leute.

Aufstellungen auf die Zuflüsterungen sogenannter Ehrenmänner vom "Bau"
selber gründet. Aber auch hier gilt das Wort der Frau von Stahl, welches
vielleicht in keinem andern Mikrokosmus mehr am Platze ist als am Theater:
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Herr Schlenther, dessen mitunter rücksichtslos verletzender, malitiös-erbitterter
Ton gegen seine Unbefangenheit starke Bedenken erregt, schont mit ein paar Aus¬
nahmen weder den Intendanten noch dessen "Leute." Daß er häufig unbewiesene,
aber des Beweises dringend bedürftige Behauptungen in die Welt schleudert,
wird ihm selbst der nicht nachsehen, der im allgemeinen geneigt ist, ihm zu
glauben. So macht er der Bühnenleituug einen Vorwurf daraus, daß sie be¬
rühmte Gäste nicht im Hoftheater habe auftreten oder gar dauerndes Engagement
finden lassen, ohne darüber Rechenschaft abzulegen, daß dies von ihnen gewünscht
worden, ja daß es überhaupt möglich und mit den gebotenen Rücksichten auf
die bereits vorhandenen Künstler vereinbar gewesen sei. So bemängelt er
die angeblich streng nach den Grundsätzen der Ancicnnetcit eingerichteten Auvanee-
mentsverhältnissc und bemerkt dabei: "Die Kapellmeister der königlichen Oper
steigen aus den Abgründen des Orchesters auf den Dirigentensitz, der Direktor
des königlichen Schauspiels ist ein Mann, der früher als Geist von Hamlets
Vater oder als schweigsamer Würdenträger durch sein Zwickauerorgan auffiel,
der Nachlaß Dörings geht auf Herrn Oberländer über und in Fried-Blumauerschen
Charakteren wird man dermaleinst Fräulein Stollberg und Fräulein Bergmann "
würdigen können." Man muß die genannten Personen genau kennen, um die ganze
Bissigkeit dieser jedenfalls nur des Effektes wegen gemachten Glosse zu begreifen, man
muß ferner den Mann mit dem angeblichen Zwickauerorgan, der Jahre lang
sich der Gunst der Weimarer erfreute, in einer Rolle wie z. B. Heinrich VIII.
gesehen haben, um die verletzende Ungerechtigkeit dieses Urteils zu würdigen;
man muß endlich so manche künstlerisch feinsinnige und geschmackvolle Jnszenirung
neuer Stücke beobachtet haben, um zu wissen, daß Herr Schlenther hier ein durch¬
aus unbegründetes Verdikt fällt, abgesehen davon, daß ein mittelmäßiger Geist
Hamlets gleichwohl der erste Regisseur und Dramaturg seiner Zeit sein kann.
Ich möchte wohl wissen, ob Laube etwa diese Rolle besser geben könnte. Wer
in so liebloser und wegwerfender Weise über einen immerhin verdienstvollen und
sich der Achtung aller seiner Genossen erfreuenden Künstler zu fällen vermag,
der beweist, daß er das erste Gebot des Richters: "ins irg. se swäio mißachtet.
Ebenso unzutreffend ist der Vorwurf, daß Döring noch keinen würdigern Nach¬
folger gefunden habe. Ja, wenn es nur einen gäbe! Döringe werden ebenso
wie die Schiller und Goethe vielleicht nur aller hundert Jahre einmal geboren.
Das weiß doch jeder, der die Mühen kennen gelernt hat, die mit der Neu¬
besetzung eines durch Ausscheiden einer wirklichen künstlerischen Kraft valant ge¬
wordenen Faches verbunden sind. Nur in Ausnahmefällen fügt es das Glück,
daß eine gleichwertige an die Stelle tritt.


Botho von Hülsen und seine Leute.

Aufstellungen auf die Zuflüsterungen sogenannter Ehrenmänner vom „Bau"
selber gründet. Aber auch hier gilt das Wort der Frau von Stahl, welches
vielleicht in keinem andern Mikrokosmus mehr am Platze ist als am Theater:
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Herr Schlenther, dessen mitunter rücksichtslos verletzender, malitiös-erbitterter
Ton gegen seine Unbefangenheit starke Bedenken erregt, schont mit ein paar Aus¬
nahmen weder den Intendanten noch dessen „Leute." Daß er häufig unbewiesene,
aber des Beweises dringend bedürftige Behauptungen in die Welt schleudert,
wird ihm selbst der nicht nachsehen, der im allgemeinen geneigt ist, ihm zu
glauben. So macht er der Bühnenleituug einen Vorwurf daraus, daß sie be¬
rühmte Gäste nicht im Hoftheater habe auftreten oder gar dauerndes Engagement
finden lassen, ohne darüber Rechenschaft abzulegen, daß dies von ihnen gewünscht
worden, ja daß es überhaupt möglich und mit den gebotenen Rücksichten auf
die bereits vorhandenen Künstler vereinbar gewesen sei. So bemängelt er
die angeblich streng nach den Grundsätzen der Ancicnnetcit eingerichteten Auvanee-
mentsverhältnissc und bemerkt dabei: „Die Kapellmeister der königlichen Oper
steigen aus den Abgründen des Orchesters auf den Dirigentensitz, der Direktor
des königlichen Schauspiels ist ein Mann, der früher als Geist von Hamlets
Vater oder als schweigsamer Würdenträger durch sein Zwickauerorgan auffiel,
der Nachlaß Dörings geht auf Herrn Oberländer über und in Fried-Blumauerschen
Charakteren wird man dermaleinst Fräulein Stollberg und Fräulein Bergmann »
würdigen können." Man muß die genannten Personen genau kennen, um die ganze
Bissigkeit dieser jedenfalls nur des Effektes wegen gemachten Glosse zu begreifen, man
muß ferner den Mann mit dem angeblichen Zwickauerorgan, der Jahre lang
sich der Gunst der Weimarer erfreute, in einer Rolle wie z. B. Heinrich VIII.
gesehen haben, um die verletzende Ungerechtigkeit dieses Urteils zu würdigen;
man muß endlich so manche künstlerisch feinsinnige und geschmackvolle Jnszenirung
neuer Stücke beobachtet haben, um zu wissen, daß Herr Schlenther hier ein durch¬
aus unbegründetes Verdikt fällt, abgesehen davon, daß ein mittelmäßiger Geist
Hamlets gleichwohl der erste Regisseur und Dramaturg seiner Zeit sein kann.
Ich möchte wohl wissen, ob Laube etwa diese Rolle besser geben könnte. Wer
in so liebloser und wegwerfender Weise über einen immerhin verdienstvollen und
sich der Achtung aller seiner Genossen erfreuenden Künstler zu fällen vermag,
der beweist, daß er das erste Gebot des Richters: «ins irg. se swäio mißachtet.
Ebenso unzutreffend ist der Vorwurf, daß Döring noch keinen würdigern Nach¬
folger gefunden habe. Ja, wenn es nur einen gäbe! Döringe werden ebenso
wie die Schiller und Goethe vielleicht nur aller hundert Jahre einmal geboren.
Das weiß doch jeder, der die Mühen kennen gelernt hat, die mit der Neu¬
besetzung eines durch Ausscheiden einer wirklichen künstlerischen Kraft valant ge¬
wordenen Faches verbunden sind. Nur in Ausnahmefällen fügt es das Glück,
daß eine gleichwertige an die Stelle tritt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/34>, abgerufen am 27.07.2024.