Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.Francesco von Rimini. Aus Parma. Zu Ncipperg vou einem Napoleon,Frauenseele. (Marie Louise.) Von der mächtigsten Fürstin ans Erden, Die einst besessen Frankreichs Thron, Frau eines Stallmeisters zu werden, Marie Louise, wie das mich vexirt, Ich möcht' es geschmacklos nennen, Wenn einer, der ein Roß regiert, Nachher auf dem Esel soll rennen. Doch irr' ich mich nicht, so warst du gar Bescheidenen Sinnes und Weiser, Weil passender dir der Stallknecht war, Als Frankreichs mächtiger Kaiser. Gegen Jupiter in Göttergestalt War Prinzessin Europa spröde, Doch einem Stiere folgte sie bald Und that mit dem Ochsen nicht blöde. Auch heute zieht vor den Börsenmann Die eine dem lyrischen Dichter, Die andre sieht zärtlich den Gauner an Und wendet den Rücken dem Richter. Die spricht: "Was thu' ich mit dem Geist, Der stärkste liegt in den Moneten." Die andre ihre Gunst erweist Der rohen Kraft des Athleten. Die spricht: "Ich kann nicht folgen dem Flug In seines Geistes Himmel, Viel mehr thut mir auf Erden genug Ein Wagen und ein Paar Schimmel." Die andre denkt: "Ich kann den Geist Nicht an mein Herze drücken, Ein Mann von Knochen, kräftig und dreist, Weiß besser mich zu beglücken." Gar schwierig ist's, den Geschmack der Fraun, Die feine Ästhetik der Seele Für einen Sterblichen zu durchschaun, Daß der Frauen Gunst ihm nicht fehle. Zu Neipperg von einem Napoleon, Das ist des Lebens Sottise, Das ist des Geschickes erheiternder Hohn, Heil dir, Marie Louise! Francesco von Rimini. Aus Parma. Zu Ncipperg vou einem Napoleon,Frauenseele. (Marie Louise.) Von der mächtigsten Fürstin ans Erden, Die einst besessen Frankreichs Thron, Frau eines Stallmeisters zu werden, Marie Louise, wie das mich vexirt, Ich möcht' es geschmacklos nennen, Wenn einer, der ein Roß regiert, Nachher auf dem Esel soll rennen. Doch irr' ich mich nicht, so warst du gar Bescheidenen Sinnes und Weiser, Weil passender dir der Stallknecht war, Als Frankreichs mächtiger Kaiser. Gegen Jupiter in Göttergestalt War Prinzessin Europa spröde, Doch einem Stiere folgte sie bald Und that mit dem Ochsen nicht blöde. Auch heute zieht vor den Börsenmann Die eine dem lyrischen Dichter, Die andre sieht zärtlich den Gauner an Und wendet den Rücken dem Richter. Die spricht: „Was thu' ich mit dem Geist, Der stärkste liegt in den Moneten." Die andre ihre Gunst erweist Der rohen Kraft des Athleten. Die spricht: „Ich kann nicht folgen dem Flug In seines Geistes Himmel, Viel mehr thut mir auf Erden genug Ein Wagen und ein Paar Schimmel." Die andre denkt: „Ich kann den Geist Nicht an mein Herze drücken, Ein Mann von Knochen, kräftig und dreist, Weiß besser mich zu beglücken." Gar schwierig ist's, den Geschmack der Fraun, Die feine Ästhetik der Seele Für einen Sterblichen zu durchschaun, Daß der Frauen Gunst ihm nicht fehle. Zu Neipperg von einem Napoleon, Das ist des Lebens Sottise, Das ist des Geschickes erheiternder Hohn, Heil dir, Marie Louise! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154499"/> <fw type="header" place="top"> Francesco von Rimini.</fw><lb/> <lg xml:id="POEMID_36" type="poem"> <head> Aus Parma.<lb/> Frauenseele. (Marie Louise.)</head> <l> Zu Ncipperg vou einem Napoleon,<lb/> Von der mächtigsten Fürstin ans Erden,<lb/> Die einst besessen Frankreichs Thron,<lb/> Frau eines Stallmeisters zu werden, Marie Louise, wie das mich vexirt,<lb/> Ich möcht' es geschmacklos nennen,<lb/> Wenn einer, der ein Roß regiert,<lb/> Nachher auf dem Esel soll rennen. Doch irr' ich mich nicht, so warst du gar<lb/> Bescheidenen Sinnes und Weiser,<lb/> Weil passender dir der Stallknecht war,<lb/> Als Frankreichs mächtiger Kaiser. Gegen Jupiter in Göttergestalt<lb/> War Prinzessin Europa spröde,<lb/> Doch einem Stiere folgte sie bald<lb/> Und that mit dem Ochsen nicht blöde. Auch heute zieht vor den Börsenmann<lb/> Die eine dem lyrischen Dichter,<lb/> Die andre sieht zärtlich den Gauner an<lb/> Und wendet den Rücken dem Richter. Die spricht: „Was thu' ich mit dem Geist,<lb/> Der stärkste liegt in den Moneten."<lb/> Die andre ihre Gunst erweist<lb/> Der rohen Kraft des Athleten. Die spricht: „Ich kann nicht folgen dem Flug<lb/> In seines Geistes Himmel,<lb/> Viel mehr thut mir auf Erden genug<lb/> Ein Wagen und ein Paar Schimmel." Die andre denkt: „Ich kann den Geist<lb/> Nicht an mein Herze drücken,<lb/> Ein Mann von Knochen, kräftig und dreist,<lb/> Weiß besser mich zu beglücken." Gar schwierig ist's, den Geschmack der Fraun,<lb/> Die feine Ästhetik der Seele<lb/> Für einen Sterblichen zu durchschaun,<lb/> Daß der Frauen Gunst ihm nicht fehle. Zu Neipperg von einem Napoleon,<lb/> Das ist des Lebens Sottise,<lb/> Das ist des Geschickes erheiternder Hohn,<lb/> Heil dir, Marie Louise! </l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0334]
Francesco von Rimini.
Aus Parma.
Frauenseele. (Marie Louise.) Zu Ncipperg vou einem Napoleon,
Von der mächtigsten Fürstin ans Erden,
Die einst besessen Frankreichs Thron,
Frau eines Stallmeisters zu werden, Marie Louise, wie das mich vexirt,
Ich möcht' es geschmacklos nennen,
Wenn einer, der ein Roß regiert,
Nachher auf dem Esel soll rennen. Doch irr' ich mich nicht, so warst du gar
Bescheidenen Sinnes und Weiser,
Weil passender dir der Stallknecht war,
Als Frankreichs mächtiger Kaiser. Gegen Jupiter in Göttergestalt
War Prinzessin Europa spröde,
Doch einem Stiere folgte sie bald
Und that mit dem Ochsen nicht blöde. Auch heute zieht vor den Börsenmann
Die eine dem lyrischen Dichter,
Die andre sieht zärtlich den Gauner an
Und wendet den Rücken dem Richter. Die spricht: „Was thu' ich mit dem Geist,
Der stärkste liegt in den Moneten."
Die andre ihre Gunst erweist
Der rohen Kraft des Athleten. Die spricht: „Ich kann nicht folgen dem Flug
In seines Geistes Himmel,
Viel mehr thut mir auf Erden genug
Ein Wagen und ein Paar Schimmel." Die andre denkt: „Ich kann den Geist
Nicht an mein Herze drücken,
Ein Mann von Knochen, kräftig und dreist,
Weiß besser mich zu beglücken." Gar schwierig ist's, den Geschmack der Fraun,
Die feine Ästhetik der Seele
Für einen Sterblichen zu durchschaun,
Daß der Frauen Gunst ihm nicht fehle. Zu Neipperg von einem Napoleon,
Das ist des Lebens Sottise,
Das ist des Geschickes erheiternder Hohn,
Heil dir, Marie Louise!
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