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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Francesca von Rimini.
Und einmal -- als er mich angeblickt,
Entsank das Kind meinen Händen,
Er hat mich an seine Brust gedrückt --
Wie schmerzlich sollte es enden.
Vom Himmelsthrone sank ich herab
In jähem Sturze zur Erden,
Als Santa Verginc sank ich ins Grab,
Um eine Venus zu werden.
Er malte als Liebesgöttin mein Bild,
Du heiligste der Frauen,
Ein heißes Verlangen --- es wurde gestillt,
Mein Herz erfüllt es mit Grauen.
Ein neues Leben regt sich in mir,
Verlassen hat mich Beppino,
Mein einziges Heil, ich such' es in dir,
Madonna, schütz' den Bambino,"
Bewundernd ich an dem Pfeiler stand
Und hörte des Weibes Klage.
Denn faßte ich es bei der Hand:
"Vergiß vergangene Tage.
Und quäle dich um Künftiges nicht,
Laß ab von Zittern und Beben,
Noch strahlt jungfräulich dein Angesicht,
Genieße dein junges Leben.
Noch siehst du wie eine Rose aus
In deinem Korb, Fioraja,
Komm mit mir, ich weiß ein stilles Hans,
Man nennt es: I^a Maeeiaja.."
Da nahm sie den Arm, wie war sie so kalt,
Ich fühlte ein tiefes Erbarmen:
"Bald sollst du durch der Liebe Gewalt
Zu neuem Leben erwärmen."
S. Maria della Salute.
Des Mittags war's, die Sonne ruhte
Auf dem Kanal in dumpfer Schwüle,
Ich eilte zur Chiesa ti Salute
Um Kunst nicht, nicht um Frömmigkeit -- um Kühle. Die Kirche leer, nur vor dem Queraltare
Ein junges Weib, das auf den Knien flehte,
Bald raufte sie verzweifelnd sich die Haare,
Bald lag sie still in brünstigem Gebete.

Francesca von Rimini.
Und einmal — als er mich angeblickt,
Entsank das Kind meinen Händen,
Er hat mich an seine Brust gedrückt —
Wie schmerzlich sollte es enden.
Vom Himmelsthrone sank ich herab
In jähem Sturze zur Erden,
Als Santa Verginc sank ich ins Grab,
Um eine Venus zu werden.
Er malte als Liebesgöttin mein Bild,
Du heiligste der Frauen,
Ein heißes Verlangen -— es wurde gestillt,
Mein Herz erfüllt es mit Grauen.
Ein neues Leben regt sich in mir,
Verlassen hat mich Beppino,
Mein einziges Heil, ich such' es in dir,
Madonna, schütz' den Bambino,"
Bewundernd ich an dem Pfeiler stand
Und hörte des Weibes Klage.
Denn faßte ich es bei der Hand:
„Vergiß vergangene Tage.
Und quäle dich um Künftiges nicht,
Laß ab von Zittern und Beben,
Noch strahlt jungfräulich dein Angesicht,
Genieße dein junges Leben.
Noch siehst du wie eine Rose aus
In deinem Korb, Fioraja,
Komm mit mir, ich weiß ein stilles Hans,
Man nennt es: I^a Maeeiaja.."
Da nahm sie den Arm, wie war sie so kalt,
Ich fühlte ein tiefes Erbarmen:
„Bald sollst du durch der Liebe Gewalt
Zu neuem Leben erwärmen."
S. Maria della Salute.
Des Mittags war's, die Sonne ruhte
Auf dem Kanal in dumpfer Schwüle,
Ich eilte zur Chiesa ti Salute
Um Kunst nicht, nicht um Frömmigkeit — um Kühle. Die Kirche leer, nur vor dem Queraltare
Ein junges Weib, das auf den Knien flehte,
Bald raufte sie verzweifelnd sich die Haare,
Bald lag sie still in brünstigem Gebete.

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[0332] Francesca von Rimini. Und einmal — als er mich angeblickt, Entsank das Kind meinen Händen, Er hat mich an seine Brust gedrückt — Wie schmerzlich sollte es enden. Vom Himmelsthrone sank ich herab In jähem Sturze zur Erden, Als Santa Verginc sank ich ins Grab, Um eine Venus zu werden. Er malte als Liebesgöttin mein Bild, Du heiligste der Frauen, Ein heißes Verlangen -— es wurde gestillt, Mein Herz erfüllt es mit Grauen. Ein neues Leben regt sich in mir, Verlassen hat mich Beppino, Mein einziges Heil, ich such' es in dir, Madonna, schütz' den Bambino," Bewundernd ich an dem Pfeiler stand Und hörte des Weibes Klage. Denn faßte ich es bei der Hand: „Vergiß vergangene Tage. Und quäle dich um Künftiges nicht, Laß ab von Zittern und Beben, Noch strahlt jungfräulich dein Angesicht, Genieße dein junges Leben. Noch siehst du wie eine Rose aus In deinem Korb, Fioraja, Komm mit mir, ich weiß ein stilles Hans, Man nennt es: I^a Maeeiaja.." Da nahm sie den Arm, wie war sie so kalt, Ich fühlte ein tiefes Erbarmen: „Bald sollst du durch der Liebe Gewalt Zu neuem Leben erwärmen." S. Maria della Salute. Des Mittags war's, die Sonne ruhte Auf dem Kanal in dumpfer Schwüle, Ich eilte zur Chiesa ti Salute Um Kunst nicht, nicht um Frömmigkeit — um Kühle. Die Kirche leer, nur vor dem Queraltare Ein junges Weib, das auf den Knien flehte, Bald raufte sie verzweifelnd sich die Haare, Bald lag sie still in brünstigem Gebete.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/332>, abgerufen am 28.07.2024.