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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Francesca von Rimini.
"Wirf deine Netze wo anders aus,
Es wohnen Heil'ge hierinnen,""
Da sprach der Abt: "Mein lieber Sohn,
Noch brennt ein heftiges Feuer
In deinen Angen, noch ist die Welt,
Ich seh' es, dir allzu teuer.
Noch treibt dich nicht die Andacht her
Zu Gian Bellinis Madonna,
Noch siehst du in ihr ein irdisches Weib,
Hoffst von ihr irdische Wonne.
Der heiligen Jungfrau muß man nahm
In Buße, mit Zagen und Bangen,
Dich treibt noch hin zu der Erde Fraun
Ein allzu sündhaft Verlangen.
Wenn du kein Weib mehr lieben magst,
Dich packt der Ekel des Lebens,
Erst wenn du zerstört hast jegliche Lust,
Dann klopfest dn nicht vergebens."
Da schloß sich das Kloster, da stand ich allein,
Jetzt muß ich weiter lieben,
Zum Kloster ist und zum Himmelreich
Kein andrer Weg mir geblieben.
"Auf, Gondoliere, zurück zur Stadt,
Zur Riva, zum Giardiuetto,
Wo es die fröhlichsten Mädchen giebt,
Dort führe mich hin, Cospetto!"
Eine Wandlung.
"Ich kniee vor meinem eignen Bild
Und flehe zu dir, Madonna,
Daß du, erbnrmungsreich und mild,
Mir spendest der Gnade Sonne. Wie war ich unschuldsvoll und rein,
Als mir das Heil widerfahren,
Daß deinem Bild ich durft' Vorbild sein,
Eine Jungfrau von sechzehn Jahren. Wie schaute ich da heilig drein,
Auf meinem Schoß den Bambino,
Und alle beugten sich, Groß und Klein,
In Andacht vor dem Carino. Doch auch der Maler that allzu entzückt
Die Blicke zu mir erheben,
So oft er es that, ich fühlte beglückt
Mich durchrieseln ein wonniges Beben.

Grenzboten IV. 1883. 41
Francesca von Rimini.
»Wirf deine Netze wo anders aus,
Es wohnen Heil'ge hierinnen,«"
Da sprach der Abt: „Mein lieber Sohn,
Noch brennt ein heftiges Feuer
In deinen Angen, noch ist die Welt,
Ich seh' es, dir allzu teuer.
Noch treibt dich nicht die Andacht her
Zu Gian Bellinis Madonna,
Noch siehst du in ihr ein irdisches Weib,
Hoffst von ihr irdische Wonne.
Der heiligen Jungfrau muß man nahm
In Buße, mit Zagen und Bangen,
Dich treibt noch hin zu der Erde Fraun
Ein allzu sündhaft Verlangen.
Wenn du kein Weib mehr lieben magst,
Dich packt der Ekel des Lebens,
Erst wenn du zerstört hast jegliche Lust,
Dann klopfest dn nicht vergebens."
Da schloß sich das Kloster, da stand ich allein,
Jetzt muß ich weiter lieben,
Zum Kloster ist und zum Himmelreich
Kein andrer Weg mir geblieben.
„Auf, Gondoliere, zurück zur Stadt,
Zur Riva, zum Giardiuetto,
Wo es die fröhlichsten Mädchen giebt,
Dort führe mich hin, Cospetto!"
Eine Wandlung.
„Ich kniee vor meinem eignen Bild
Und flehe zu dir, Madonna,
Daß du, erbnrmungsreich und mild,
Mir spendest der Gnade Sonne. Wie war ich unschuldsvoll und rein,
Als mir das Heil widerfahren,
Daß deinem Bild ich durft' Vorbild sein,
Eine Jungfrau von sechzehn Jahren. Wie schaute ich da heilig drein,
Auf meinem Schoß den Bambino,
Und alle beugten sich, Groß und Klein,
In Andacht vor dem Carino. Doch auch der Maler that allzu entzückt
Die Blicke zu mir erheben,
So oft er es that, ich fühlte beglückt
Mich durchrieseln ein wonniges Beben.

Grenzboten IV. 1883. 41
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[0331] Francesca von Rimini. »Wirf deine Netze wo anders aus, Es wohnen Heil'ge hierinnen,«" Da sprach der Abt: „Mein lieber Sohn, Noch brennt ein heftiges Feuer In deinen Angen, noch ist die Welt, Ich seh' es, dir allzu teuer. Noch treibt dich nicht die Andacht her Zu Gian Bellinis Madonna, Noch siehst du in ihr ein irdisches Weib, Hoffst von ihr irdische Wonne. Der heiligen Jungfrau muß man nahm In Buße, mit Zagen und Bangen, Dich treibt noch hin zu der Erde Fraun Ein allzu sündhaft Verlangen. Wenn du kein Weib mehr lieben magst, Dich packt der Ekel des Lebens, Erst wenn du zerstört hast jegliche Lust, Dann klopfest dn nicht vergebens." Da schloß sich das Kloster, da stand ich allein, Jetzt muß ich weiter lieben, Zum Kloster ist und zum Himmelreich Kein andrer Weg mir geblieben. „Auf, Gondoliere, zurück zur Stadt, Zur Riva, zum Giardiuetto, Wo es die fröhlichsten Mädchen giebt, Dort führe mich hin, Cospetto!" Eine Wandlung. „Ich kniee vor meinem eignen Bild Und flehe zu dir, Madonna, Daß du, erbnrmungsreich und mild, Mir spendest der Gnade Sonne. Wie war ich unschuldsvoll und rein, Als mir das Heil widerfahren, Daß deinem Bild ich durft' Vorbild sein, Eine Jungfrau von sechzehn Jahren. Wie schaute ich da heilig drein, Auf meinem Schoß den Bambino, Und alle beugten sich, Groß und Klein, In Andacht vor dem Carino. Doch auch der Maler that allzu entzückt Die Blicke zu mir erheben, So oft er es that, ich fühlte beglückt Mich durchrieseln ein wonniges Beben. Grenzboten IV. 1883. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/331>, abgerufen am 28.07.2024.