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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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diesem Rechte wurde zum Nachteil der Gesellschaften ein sehr erheblicher Ge¬
brauch oder vielmehr Mißbrauch gemacht. Diese Bestimmung des Gesetzes
verlockte geradezu zu Täuschung und Betrug. Wer in dem Vertrauen, daß so viele
großen Firmen Aktien einer Gesellschaft gezeichnet hätten, sich zur Abnahme ver¬
leiten ließ, der mußte bald zu seiner Verwunderung erfahren, daß die von den
ersten Zeichnern beherrschte Generalversammlung die erstern ihrer Verbindlichkeit
gegen die Gesellschaft entließ. Zum Gegenteil schlug auch das Mittel der Ka-
dnzirung, die Verfallserklärung des Aktienrechts ans. Dieses sollte dazu dienen,
durch Androhung des Verlustes der bisherigen Einzahlungen die weitem der
Gesellschaft zu sichern. Allein bald benutzten die Gründer diesen Weg, wenn
der Kurs der Aktie schlecht stand oder diese gar unveräußerlich war, den Ver¬
fall gegen sich aussprechen zu lassen. Gleichzeitig waren diese Zustände much die
Leimruten, um den kleinen Kapitalisten einzufangen, dem man vorredete, daß er
nur 4V Prozent der gezeichneten Summe zu zahlen brauche. Kurzum, hier
waren die Übelstände so schreiend, daß sast allgemein Abhilfe verlangt wurde,
außer von denjenigen, welche sich mit der Erwägung trösteten, daß der bisherige
Zustand ans einer seit langer Zeit in Übung befindlichen Anschauung des Handels-
standcs beruhe.

Jedoch tausend Jahre Unrecht sind noch nicht eine Stunde Recht. Der
Entwurf hat hier nicht minder mit juristischen wie mit wirtschaftlichen Schola"
rigkcitcu zu kämpfen gehabt, denn bekanntlich läßt sich nicht jeder wirtschaftlich
richtige Gedanke in die richtige juristische Form bringen. Zunächst ist das Verbot
der Befreiung der Zeichner von ihrer Verpflichtung ausgesprochen, damit ist
die Akticnzeichnnng zu einem ernstlichen Rechtsgeschäft geworden; mit dem
Zeichner haftet jeder spätere Erwerber der Aktie, und zwar dergestalt, daß die
Gesellschaft erst den gegenwärtigen Aktionär in Anspruch nehmen muß, und soweit
sie von diesem keine Zahlung erlangt, den früheren bis zum Zeichner hinauf. Auch
hier würde allzu scharf schartig machen, wenn die Haftung des Zeichners und
früheren Aktionärs eine dauernde wäre. Der Entwurf hat diese Haftung auf
die innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit der Übertragung des Aktien¬
rechts eingeforderten Beträge eingeschränkt. Innerhalb dieser Zeit kann die Ge¬
sellschaft den Betrag der Aktie noch von dem Nechtsvorgcinger verlangen, wenn
sich der gegenwärtige Aktionär als zahlungsunfähig erweist, zumal da der Entwurf
in sehr zweckmäßiger Weise nur ein kurzes Verfahren, um diese Zahlungsun¬
fähigkeit festzustellen, vorschreibt. Wer aber als Rcchtsvorgänger von der Ge¬
sellschaft in Anspruch genommen wird, muß das bisherige Aktienrecht erhalten.
Der Entwurf hat nämlich auch das Kaduzirnugsverfahren näher geregelt und
es den bisherigen Mißbräuchen entzogen. Freilich liegt es auch noch nach dem
Entwurf in den Händen der Gesellschaftsorgane, aber es ist doch an feste Formen
gebunden. Endlich verbietet der Entwurf die Ausgabe von Aktien vor der Voll-
zahlung und die Ausgabe von Jnhaberpromcssen.


diesem Rechte wurde zum Nachteil der Gesellschaften ein sehr erheblicher Ge¬
brauch oder vielmehr Mißbrauch gemacht. Diese Bestimmung des Gesetzes
verlockte geradezu zu Täuschung und Betrug. Wer in dem Vertrauen, daß so viele
großen Firmen Aktien einer Gesellschaft gezeichnet hätten, sich zur Abnahme ver¬
leiten ließ, der mußte bald zu seiner Verwunderung erfahren, daß die von den
ersten Zeichnern beherrschte Generalversammlung die erstern ihrer Verbindlichkeit
gegen die Gesellschaft entließ. Zum Gegenteil schlug auch das Mittel der Ka-
dnzirung, die Verfallserklärung des Aktienrechts ans. Dieses sollte dazu dienen,
durch Androhung des Verlustes der bisherigen Einzahlungen die weitem der
Gesellschaft zu sichern. Allein bald benutzten die Gründer diesen Weg, wenn
der Kurs der Aktie schlecht stand oder diese gar unveräußerlich war, den Ver¬
fall gegen sich aussprechen zu lassen. Gleichzeitig waren diese Zustände much die
Leimruten, um den kleinen Kapitalisten einzufangen, dem man vorredete, daß er
nur 4V Prozent der gezeichneten Summe zu zahlen brauche. Kurzum, hier
waren die Übelstände so schreiend, daß sast allgemein Abhilfe verlangt wurde,
außer von denjenigen, welche sich mit der Erwägung trösteten, daß der bisherige
Zustand ans einer seit langer Zeit in Übung befindlichen Anschauung des Handels-
standcs beruhe.

Jedoch tausend Jahre Unrecht sind noch nicht eine Stunde Recht. Der
Entwurf hat hier nicht minder mit juristischen wie mit wirtschaftlichen Schola»
rigkcitcu zu kämpfen gehabt, denn bekanntlich läßt sich nicht jeder wirtschaftlich
richtige Gedanke in die richtige juristische Form bringen. Zunächst ist das Verbot
der Befreiung der Zeichner von ihrer Verpflichtung ausgesprochen, damit ist
die Akticnzeichnnng zu einem ernstlichen Rechtsgeschäft geworden; mit dem
Zeichner haftet jeder spätere Erwerber der Aktie, und zwar dergestalt, daß die
Gesellschaft erst den gegenwärtigen Aktionär in Anspruch nehmen muß, und soweit
sie von diesem keine Zahlung erlangt, den früheren bis zum Zeichner hinauf. Auch
hier würde allzu scharf schartig machen, wenn die Haftung des Zeichners und
früheren Aktionärs eine dauernde wäre. Der Entwurf hat diese Haftung auf
die innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit der Übertragung des Aktien¬
rechts eingeforderten Beträge eingeschränkt. Innerhalb dieser Zeit kann die Ge¬
sellschaft den Betrag der Aktie noch von dem Nechtsvorgcinger verlangen, wenn
sich der gegenwärtige Aktionär als zahlungsunfähig erweist, zumal da der Entwurf
in sehr zweckmäßiger Weise nur ein kurzes Verfahren, um diese Zahlungsun¬
fähigkeit festzustellen, vorschreibt. Wer aber als Rcchtsvorgänger von der Ge¬
sellschaft in Anspruch genommen wird, muß das bisherige Aktienrecht erhalten.
Der Entwurf hat nämlich auch das Kaduzirnugsverfahren näher geregelt und
es den bisherigen Mißbräuchen entzogen. Freilich liegt es auch noch nach dem
Entwurf in den Händen der Gesellschaftsorgane, aber es ist doch an feste Formen
gebunden. Endlich verbietet der Entwurf die Ausgabe von Aktien vor der Voll-
zahlung und die Ausgabe von Jnhaberpromcssen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/293>, abgerufen am 28.07.2024.