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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das neue Zlktiengcsetz,

Form der Aktienkommandite wählten, welche" die staatliche Konzession verschlossen
blieb, so unter anderm die Diskontvgesellschaft in Berlin, die größte deutsche
Konnnanditgesellschaft auf Aktien, die man deshalb billig bei allen Exempli¬
fikationen aus dem Spiele lassen sollte. In Preußen bestanden vor dem Jahre
1870 neben 178 Aktiengesellschaften 32 Aktienkommanditgesellschaften. Eine
weitere Folge war, daß man die letztgedachte Form höchst unpassend wählte,
daß man den persönlich haftenden Gesellschafter zu einen? von Gründern und
Aktionären abhängigen Direktor machte, und daß der eigentliche Unterschied zwischen
beiden Gesellschaftsarten mir darin bestand, daß bei der Aktienkommandite der
Direktor auch den Gläubigern gegenüber persönlich haftete. Als nun im Jahre
1870 die staatliche Genehmigung für die Aktiengesellschaften aufgehoben wurde,
war die Anschauung der Geschäftswelt eine so unklare geworden, daß sich nun¬
mehr der ganze Strom der Gründung in die Aktiengesellschaft stürzte und die
Kommanditgesellschaften auf Aktien, die bei den vielen Umwandlungen ausPrivat-
nnternehmungen -- wenn überhaupt -- die richtigere Form gewesen sein würden,
völlig in den Hintergrund traten. In Preußen wurden in den fünf Jahren
nach 1871 neben 990 Aktiengesellschaften nur 11 Aktienkommanditgesellschaften
gegründet.

Unter diesen Umständen würde es sich fragen, ob man nicht den im Handels¬
gesetzbuch aufgestellten Unterschied ganz aufgeben und die Kommanditgesellschaften
auf Aktien allen Vorschriften der Aktiengesellschaften, jedoch unter Beibehaltung
des persönlich haftenden Komplementars, unterwerfen sollte. So ist es im großen
und ganzen in Belgien, in der Schweiz, in neuester Zeit anch in England der
Fall. Ungarn hat die Form der Aktienkommandite als überflüssig ganz über
Bord geworfen. Der Entwurf hat sich aber auch in dieser Beziehung von den
Grundlagen des bisherigen Rechts nicht getrennt und von diesem Standpunkt
aus dasselbe jedenfalls zu einem bessern Ausdruck gebracht.

Damit nur zweckentsprechend die Kommanditaktieugesellschaften ins Lebe" ge¬
rufen werden, ist angeordnet, daß die ersten persönlich haftenden Gesellschafter mit
einem Zehntel des Gesamtkapitals beteiligt sein müssen, und daß dieses Zehntel zehn
Jahre laug seit Errichtung der Gesellschaft unantastbar für die Gläubiger und in
zweiter Linie auch für die Aktionäre hafte. Es kann nicht geleugnet werden, daß eine
solche Vorschrift den Komplementär bei weitem über die Direktvrialstelluug er¬
hebt und ihn dauernder mit dem Schicksal der Gesellschaft verknüpft, daß die
Aktionäre, welche gerade im Vertraue" auf diesen Komplementär sich beteiligt
haben, nicht in ihrem Vertrauen getäuscht werden. Die Summe ist nicht zu
hoch, wenn man an den häufigsten und wichtigsten Fall der Aktienkommandite,
an die Umwandlung aus einem Privatunternehmen denkt, und auch daran, daß
diese Summe nur von sämtlichen haftenden Gesellschaften zusammen aufgebracht
werden muß, sodaß der reichere den weniger bemittelten mit deckt. Wenn über¬
haupt die Aktienkommandite noch als Eigenart gerettet werden soll, so erscheint


Das neue Zlktiengcsetz,

Form der Aktienkommandite wählten, welche» die staatliche Konzession verschlossen
blieb, so unter anderm die Diskontvgesellschaft in Berlin, die größte deutsche
Konnnanditgesellschaft auf Aktien, die man deshalb billig bei allen Exempli¬
fikationen aus dem Spiele lassen sollte. In Preußen bestanden vor dem Jahre
1870 neben 178 Aktiengesellschaften 32 Aktienkommanditgesellschaften. Eine
weitere Folge war, daß man die letztgedachte Form höchst unpassend wählte,
daß man den persönlich haftenden Gesellschafter zu einen? von Gründern und
Aktionären abhängigen Direktor machte, und daß der eigentliche Unterschied zwischen
beiden Gesellschaftsarten mir darin bestand, daß bei der Aktienkommandite der
Direktor auch den Gläubigern gegenüber persönlich haftete. Als nun im Jahre
1870 die staatliche Genehmigung für die Aktiengesellschaften aufgehoben wurde,
war die Anschauung der Geschäftswelt eine so unklare geworden, daß sich nun¬
mehr der ganze Strom der Gründung in die Aktiengesellschaft stürzte und die
Kommanditgesellschaften auf Aktien, die bei den vielen Umwandlungen ausPrivat-
nnternehmungen — wenn überhaupt — die richtigere Form gewesen sein würden,
völlig in den Hintergrund traten. In Preußen wurden in den fünf Jahren
nach 1871 neben 990 Aktiengesellschaften nur 11 Aktienkommanditgesellschaften
gegründet.

Unter diesen Umständen würde es sich fragen, ob man nicht den im Handels¬
gesetzbuch aufgestellten Unterschied ganz aufgeben und die Kommanditgesellschaften
auf Aktien allen Vorschriften der Aktiengesellschaften, jedoch unter Beibehaltung
des persönlich haftenden Komplementars, unterwerfen sollte. So ist es im großen
und ganzen in Belgien, in der Schweiz, in neuester Zeit anch in England der
Fall. Ungarn hat die Form der Aktienkommandite als überflüssig ganz über
Bord geworfen. Der Entwurf hat sich aber auch in dieser Beziehung von den
Grundlagen des bisherigen Rechts nicht getrennt und von diesem Standpunkt
aus dasselbe jedenfalls zu einem bessern Ausdruck gebracht.

Damit nur zweckentsprechend die Kommanditaktieugesellschaften ins Lebe» ge¬
rufen werden, ist angeordnet, daß die ersten persönlich haftenden Gesellschafter mit
einem Zehntel des Gesamtkapitals beteiligt sein müssen, und daß dieses Zehntel zehn
Jahre laug seit Errichtung der Gesellschaft unantastbar für die Gläubiger und in
zweiter Linie auch für die Aktionäre hafte. Es kann nicht geleugnet werden, daß eine
solche Vorschrift den Komplementär bei weitem über die Direktvrialstelluug er¬
hebt und ihn dauernder mit dem Schicksal der Gesellschaft verknüpft, daß die
Aktionäre, welche gerade im Vertraue» auf diesen Komplementär sich beteiligt
haben, nicht in ihrem Vertrauen getäuscht werden. Die Summe ist nicht zu
hoch, wenn man an den häufigsten und wichtigsten Fall der Aktienkommandite,
an die Umwandlung aus einem Privatunternehmen denkt, und auch daran, daß
diese Summe nur von sämtlichen haftenden Gesellschaften zusammen aufgebracht
werden muß, sodaß der reichere den weniger bemittelten mit deckt. Wenn über¬
haupt die Aktienkommandite noch als Eigenart gerettet werden soll, so erscheint


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/290>, abgerufen am 28.07.2024.