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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das nemo Aktiengosetz,

schäftslagc der Gesellschaft erkcmibnr zu machen und eine lebendigere Teilnahme
und Kontrole des einzelnen Aktionärs bezüglich der Vorgänge der Gesellschaft
herbeizuführen;

die Verantwortlichkeit der bei der Gründung des Unternehmens unmittelbar
und mittelbar Beteiligten, sowie der mit der Verwaltung und Beaufsichtigung
betrauten Personen zivil- und strafrechtlich zu verschärfen;

auch durch sonstige Straf-- und Ordnungsvorschriften den Aktionären wie dem
Publikum einen größeren Schutz zu verleihen.

Aus diesen Sätzen geht hervor, daß der Gesetzgeber des Entwurfs nicht
den Beteiligten jedes Eingreifen abnimmt, denn auch ein Gesetz kann nicht
Unmögliches verwirklichen, aber er giebt ihnen in leichter und erreichbarer Weise
die Mittel, sich zu unterrichten und, wenn sie nicht aus Leichtsinn absichtlich
die Augen verschließen und blindlings ins Verderben rennen, sich vor Schädigung
zu behüten. Man sollte meinen, daß dies doch ein sehr erheblicher Unterschied
von dem Delbrückschen Standpunkte sei, und daß der Grad der Verlogenheit
schon ein recht großer sein muß, wenn von der bekannten Oppositionsseitc,
z, B, von der Berliner Nationalzeitung, mit nicht beneidenswerter Kühnheit
behauptet wird, daß der Entwurf nur das, was Herr Delbrück schon gesagt
habe, als richtig anerkenne.


3.

Im Anschluß an das französische Recht haben sich in Deutschland zwei
Arten der Aktiengesellschaft entwickelt, die eigentliche Aktiengesellschaft und die
Kommanditgesellschaft auf Aktien. Letztere ist hinter der ersteren erheblich zurück¬
geblieben, und daß dies geschehen, dafür hat nicht zum geringen Teil der frühere
Gesetzgeber sich die Schuld beizumessen. Das Unterscheidende zwischen beiden Arte"
liegt darin, daß bei der Kvmmanditaktieugesellschaft ein persönlich haftender
Geschäftsherr es ist, welcher die Beteiligung eines großem Kapitals für sein
Unternehmen in Anspruch nimmt; sachgemäß muß er nicht nur den Impuls zur
Gründung der Gesellschaft geben, sondern auch für die Zukunft wegen seiner
persönlichen Verantwortlichkeit bestimmend auf die Geschicke derselben einwirken.
Er wird einerseits den Kommanditaktionären gegenüber selbständiger auftreten,
andrerseits haben die letzteren in dessen Haftung eine größere Sicherheit, als
sie ihnen alle möglichen Kautelen Direktoren einer Aktiengesellschaft gegenüber
gewähren können. Ganz vorzugsweise eignet sich die Kommanditgesellschaft
dann, wenn es gilt, einem Privatunternehmen einen größeren Aufschwung zu
geben, und ganz besonders auch bei Jndustriegesellschaften, wo die Persönlichkeit
des Leiters maßgebend sein muß. Allein leider hat die Kvmmanditaktien¬
gesellschaft in Deutschland ihre Ziele völlig verkannt. Vor dem Jahre 1870 be¬
stand in den meisten dentschen Staaten für die Aktiengesellschaft die staatliche
Konzession, während für die Kvmmanditaktiengesellschaft eine solche nicht er¬
forderlich war. Die Folge davon war, daß alle diejenigen Gründungen die


Das nemo Aktiengosetz,

schäftslagc der Gesellschaft erkcmibnr zu machen und eine lebendigere Teilnahme
und Kontrole des einzelnen Aktionärs bezüglich der Vorgänge der Gesellschaft
herbeizuführen;

die Verantwortlichkeit der bei der Gründung des Unternehmens unmittelbar
und mittelbar Beteiligten, sowie der mit der Verwaltung und Beaufsichtigung
betrauten Personen zivil- und strafrechtlich zu verschärfen;

auch durch sonstige Straf-- und Ordnungsvorschriften den Aktionären wie dem
Publikum einen größeren Schutz zu verleihen.

Aus diesen Sätzen geht hervor, daß der Gesetzgeber des Entwurfs nicht
den Beteiligten jedes Eingreifen abnimmt, denn auch ein Gesetz kann nicht
Unmögliches verwirklichen, aber er giebt ihnen in leichter und erreichbarer Weise
die Mittel, sich zu unterrichten und, wenn sie nicht aus Leichtsinn absichtlich
die Augen verschließen und blindlings ins Verderben rennen, sich vor Schädigung
zu behüten. Man sollte meinen, daß dies doch ein sehr erheblicher Unterschied
von dem Delbrückschen Standpunkte sei, und daß der Grad der Verlogenheit
schon ein recht großer sein muß, wenn von der bekannten Oppositionsseitc,
z, B, von der Berliner Nationalzeitung, mit nicht beneidenswerter Kühnheit
behauptet wird, daß der Entwurf nur das, was Herr Delbrück schon gesagt
habe, als richtig anerkenne.


3.

Im Anschluß an das französische Recht haben sich in Deutschland zwei
Arten der Aktiengesellschaft entwickelt, die eigentliche Aktiengesellschaft und die
Kommanditgesellschaft auf Aktien. Letztere ist hinter der ersteren erheblich zurück¬
geblieben, und daß dies geschehen, dafür hat nicht zum geringen Teil der frühere
Gesetzgeber sich die Schuld beizumessen. Das Unterscheidende zwischen beiden Arte»
liegt darin, daß bei der Kvmmanditaktieugesellschaft ein persönlich haftender
Geschäftsherr es ist, welcher die Beteiligung eines großem Kapitals für sein
Unternehmen in Anspruch nimmt; sachgemäß muß er nicht nur den Impuls zur
Gründung der Gesellschaft geben, sondern auch für die Zukunft wegen seiner
persönlichen Verantwortlichkeit bestimmend auf die Geschicke derselben einwirken.
Er wird einerseits den Kommanditaktionären gegenüber selbständiger auftreten,
andrerseits haben die letzteren in dessen Haftung eine größere Sicherheit, als
sie ihnen alle möglichen Kautelen Direktoren einer Aktiengesellschaft gegenüber
gewähren können. Ganz vorzugsweise eignet sich die Kommanditgesellschaft
dann, wenn es gilt, einem Privatunternehmen einen größeren Aufschwung zu
geben, und ganz besonders auch bei Jndustriegesellschaften, wo die Persönlichkeit
des Leiters maßgebend sein muß. Allein leider hat die Kvmmanditaktien¬
gesellschaft in Deutschland ihre Ziele völlig verkannt. Vor dem Jahre 1870 be¬
stand in den meisten dentschen Staaten für die Aktiengesellschaft die staatliche
Konzession, während für die Kvmmanditaktiengesellschaft eine solche nicht er¬
forderlich war. Die Folge davon war, daß alle diejenigen Gründungen die


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[0289] Das nemo Aktiengosetz, schäftslagc der Gesellschaft erkcmibnr zu machen und eine lebendigere Teilnahme und Kontrole des einzelnen Aktionärs bezüglich der Vorgänge der Gesellschaft herbeizuführen; die Verantwortlichkeit der bei der Gründung des Unternehmens unmittelbar und mittelbar Beteiligten, sowie der mit der Verwaltung und Beaufsichtigung betrauten Personen zivil- und strafrechtlich zu verschärfen; auch durch sonstige Straf-- und Ordnungsvorschriften den Aktionären wie dem Publikum einen größeren Schutz zu verleihen. Aus diesen Sätzen geht hervor, daß der Gesetzgeber des Entwurfs nicht den Beteiligten jedes Eingreifen abnimmt, denn auch ein Gesetz kann nicht Unmögliches verwirklichen, aber er giebt ihnen in leichter und erreichbarer Weise die Mittel, sich zu unterrichten und, wenn sie nicht aus Leichtsinn absichtlich die Augen verschließen und blindlings ins Verderben rennen, sich vor Schädigung zu behüten. Man sollte meinen, daß dies doch ein sehr erheblicher Unterschied von dem Delbrückschen Standpunkte sei, und daß der Grad der Verlogenheit schon ein recht großer sein muß, wenn von der bekannten Oppositionsseitc, z, B, von der Berliner Nationalzeitung, mit nicht beneidenswerter Kühnheit behauptet wird, daß der Entwurf nur das, was Herr Delbrück schon gesagt habe, als richtig anerkenne. 3. Im Anschluß an das französische Recht haben sich in Deutschland zwei Arten der Aktiengesellschaft entwickelt, die eigentliche Aktiengesellschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Letztere ist hinter der ersteren erheblich zurück¬ geblieben, und daß dies geschehen, dafür hat nicht zum geringen Teil der frühere Gesetzgeber sich die Schuld beizumessen. Das Unterscheidende zwischen beiden Arte» liegt darin, daß bei der Kvmmanditaktieugesellschaft ein persönlich haftender Geschäftsherr es ist, welcher die Beteiligung eines großem Kapitals für sein Unternehmen in Anspruch nimmt; sachgemäß muß er nicht nur den Impuls zur Gründung der Gesellschaft geben, sondern auch für die Zukunft wegen seiner persönlichen Verantwortlichkeit bestimmend auf die Geschicke derselben einwirken. Er wird einerseits den Kommanditaktionären gegenüber selbständiger auftreten, andrerseits haben die letzteren in dessen Haftung eine größere Sicherheit, als sie ihnen alle möglichen Kautelen Direktoren einer Aktiengesellschaft gegenüber gewähren können. Ganz vorzugsweise eignet sich die Kommanditgesellschaft dann, wenn es gilt, einem Privatunternehmen einen größeren Aufschwung zu geben, und ganz besonders auch bei Jndustriegesellschaften, wo die Persönlichkeit des Leiters maßgebend sein muß. Allein leider hat die Kvmmanditaktien¬ gesellschaft in Deutschland ihre Ziele völlig verkannt. Vor dem Jahre 1870 be¬ stand in den meisten dentschen Staaten für die Aktiengesellschaft die staatliche Konzession, während für die Kvmmanditaktiengesellschaft eine solche nicht er¬ forderlich war. Die Folge davon war, daß alle diejenigen Gründungen die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/289>, abgerufen am 28.07.2024.