Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.Francesca von Rimini. Nur andern Formen, aber die Empfindung ist dieselbe geblieben, wo sie Nun, es mag sein, daß ich in diesem Sinne nicht die wahre Empfindung Gewiß, meine Gnädige, hatte ich keinen Anspruch auf Ihre Liebe, doch Damit Sie sich für den Gemißhandelten und mich für die Verbrecherin Als Oswald mit einer Verbeugung das Gespräch abbrechen und einige Und nach diesem Maßstab, Unglückliche, haben Sie Ihren Gatten gewählt? Und sich vielleicht dabei zu Tode langweilt. O über die Täuschung, in der ich mich wiegte! War das alles nur Maßlosigkeit hat Sie immer gekennzeichnet, für solche Worte habe ich keine Francesca von Rimini. Nur andern Formen, aber die Empfindung ist dieselbe geblieben, wo sie Nun, es mag sein, daß ich in diesem Sinne nicht die wahre Empfindung Gewiß, meine Gnädige, hatte ich keinen Anspruch auf Ihre Liebe, doch Damit Sie sich für den Gemißhandelten und mich für die Verbrecherin Als Oswald mit einer Verbeugung das Gespräch abbrechen und einige Und nach diesem Maßstab, Unglückliche, haben Sie Ihren Gatten gewählt? Und sich vielleicht dabei zu Tode langweilt. O über die Täuschung, in der ich mich wiegte! War das alles nur Maßlosigkeit hat Sie immer gekennzeichnet, für solche Worte habe ich keine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154439"/> <fw type="header" place="top"> Francesca von Rimini.</fw><lb/> <p xml:id="ID_809"> Nur andern Formen, aber die Empfindung ist dieselbe geblieben, wo sie<lb/> sich rein und wahr zeigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_810"> Nun, es mag sein, daß ich in diesem Sinne nicht die wahre Empfindung<lb/> besessen habe, aber ist dies meine Schuld?</p><lb/> <p xml:id="ID_811"> Gewiß, meine Gnädige, hatte ich keinen Anspruch auf Ihre Liebe, doch<lb/> hatten auch Sie keinen Anlaß, mich zu ermutigen, um--Aber wozu diese<lb/> ganze Unterredung. Lorrig'sons 1a. torwns, geben wir dem Zufall, der uns<lb/> zusammengeführt, eine andre Richtung.</p><lb/> <p xml:id="ID_812"> Damit Sie sich für den Gemißhandelten und mich für die Verbrecherin<lb/> auch ferner halten, während doch nur eine Verschiedenheit der Anschauung ob¬<lb/> waltet.</p><lb/> <p xml:id="ID_813"> Als Oswald mit einer Verbeugung das Gespräch abbrechen und einige<lb/> Schritte vorauseilen wollte, hielt ihn Margarete mit Heftigkeit zurück, ihre<lb/> Wangen färbten sich, und sie rief: Ich will nicht in Ihren Augen schlechter<lb/> sein, als ich verdiene. Haben Sie nicht, fuhr sie fort, mit Ihrer Heftigkeit es<lb/> verdorben, und immer und immer wieder gedrängt? Und dann beklagen Sie sich,<lb/> wenn ich mit meinen Überlegungen noch nicht abgeschlossen hatte. Mein Freund,<lb/> von jener mächtigen, allbewegenden Liebe kann man nicht leben; nicht weil ich<lb/> anspruchsvoll bin, glauben Sie mir, sondern weil ich mich in einem gewissen<lb/> geistigen Komfort bewegen muß, um nicht an Seele und Geist zu Grunde zu<lb/> gehen. Darin liegt der wahre Grund, weshalb so viele von uns nach den<lb/> reichen Gütern des Lebens streben. Der Mann allein ist doch nicht im¬<lb/> stande, unser Leben auszufüllen; wir wollen den Verkehr mit geistvollen<lb/> Leuten, ohne uns einzuschränken, wir wollen alle Genüsse der Kunst und des<lb/> Theaters —</p><lb/> <p xml:id="ID_814"> Und nach diesem Maßstab, Unglückliche, haben Sie Ihren Gatten gewählt?<lb/> Wissen Sie nicht, daß die Frau die Genossin des Mannes sein, seine Ziele und<lb/> Bestrebungen teilen soll?</p><lb/> <p xml:id="ID_815"> Und sich vielleicht dabei zu Tode langweilt.</p><lb/> <p xml:id="ID_816"> O über die Täuschung, in der ich mich wiegte! War das alles nur<lb/> Schein und Trug, oder war ich allein mit Blindheit geschlagen? Mögen Sie<lb/> Ihren Weg wandeln und niemals erfahren, daß nicht bloß Kopf und Verstand<lb/> und die Sinne, sondern auch das Herz unser Leben beherrschen. Wodurch unter¬<lb/> scheidet sich dann die junge Dame, welche ihren Gatten nach den Genüssen des<lb/> Lebens aussucht und sich die Ehe mit einem Salon bezahlen läßt, von jenen<lb/> Geschöpfen, welche von der Straße in die Arme des Mannes fliegen und in<lb/> den wenigen Minuten wirklich Liebe fühlen? Also nur im Preise liegt der<lb/> Unterschied!</p><lb/> <p xml:id="ID_817"> Maßlosigkeit hat Sie immer gekennzeichnet, für solche Worte habe ich keine<lb/> Antwort, aber auch Sie werden erfahren, daß die Liebe nicht ein Leben allein<lb/> ausfüllt.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0274]
Francesca von Rimini.
Nur andern Formen, aber die Empfindung ist dieselbe geblieben, wo sie
sich rein und wahr zeigt.
Nun, es mag sein, daß ich in diesem Sinne nicht die wahre Empfindung
besessen habe, aber ist dies meine Schuld?
Gewiß, meine Gnädige, hatte ich keinen Anspruch auf Ihre Liebe, doch
hatten auch Sie keinen Anlaß, mich zu ermutigen, um--Aber wozu diese
ganze Unterredung. Lorrig'sons 1a. torwns, geben wir dem Zufall, der uns
zusammengeführt, eine andre Richtung.
Damit Sie sich für den Gemißhandelten und mich für die Verbrecherin
auch ferner halten, während doch nur eine Verschiedenheit der Anschauung ob¬
waltet.
Als Oswald mit einer Verbeugung das Gespräch abbrechen und einige
Schritte vorauseilen wollte, hielt ihn Margarete mit Heftigkeit zurück, ihre
Wangen färbten sich, und sie rief: Ich will nicht in Ihren Augen schlechter
sein, als ich verdiene. Haben Sie nicht, fuhr sie fort, mit Ihrer Heftigkeit es
verdorben, und immer und immer wieder gedrängt? Und dann beklagen Sie sich,
wenn ich mit meinen Überlegungen noch nicht abgeschlossen hatte. Mein Freund,
von jener mächtigen, allbewegenden Liebe kann man nicht leben; nicht weil ich
anspruchsvoll bin, glauben Sie mir, sondern weil ich mich in einem gewissen
geistigen Komfort bewegen muß, um nicht an Seele und Geist zu Grunde zu
gehen. Darin liegt der wahre Grund, weshalb so viele von uns nach den
reichen Gütern des Lebens streben. Der Mann allein ist doch nicht im¬
stande, unser Leben auszufüllen; wir wollen den Verkehr mit geistvollen
Leuten, ohne uns einzuschränken, wir wollen alle Genüsse der Kunst und des
Theaters —
Und nach diesem Maßstab, Unglückliche, haben Sie Ihren Gatten gewählt?
Wissen Sie nicht, daß die Frau die Genossin des Mannes sein, seine Ziele und
Bestrebungen teilen soll?
Und sich vielleicht dabei zu Tode langweilt.
O über die Täuschung, in der ich mich wiegte! War das alles nur
Schein und Trug, oder war ich allein mit Blindheit geschlagen? Mögen Sie
Ihren Weg wandeln und niemals erfahren, daß nicht bloß Kopf und Verstand
und die Sinne, sondern auch das Herz unser Leben beherrschen. Wodurch unter¬
scheidet sich dann die junge Dame, welche ihren Gatten nach den Genüssen des
Lebens aussucht und sich die Ehe mit einem Salon bezahlen läßt, von jenen
Geschöpfen, welche von der Straße in die Arme des Mannes fliegen und in
den wenigen Minuten wirklich Liebe fühlen? Also nur im Preise liegt der
Unterschied!
Maßlosigkeit hat Sie immer gekennzeichnet, für solche Worte habe ich keine
Antwort, aber auch Sie werden erfahren, daß die Liebe nicht ein Leben allein
ausfüllt.
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