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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Aus den Thüringer Manövertagen.

ebensowenig ist von unserm Standpunkte auf der Höhe vor Markrölitz zu scheu,
was hinter dem Luftschiffe sich vorbereitet.

Da kommt ein Zug grüner Husaren, welche zur achten Division gehören,
über das Feld herangetrabt, reitet keck bis unmittelbar ans Luftschiff Hera",
ja über dasselbe hinaus, und sieht sich in aller Gemütsruhe die Aufstellung der
siebenten Division an. Nun erst werden sie bemerkt und auf den Trab ge¬
bracht, aber es gelingt nicht, sie abzufangen. Jetzt erscheint das ganze Husaren-
regiment, dies und die Kürassiere der Gcgeudivisiou reiten auf der Ackerfläche
scheinbar zwecklos hin und her, nach rechts und nach links. "Was bedeutet
denn das?" frage ich einen mir bekannten Offizier. "Ich habe keine Ahnung."
Inzwischen geraten die Kürassiere immer weiter nach links, aber dort ist alles
still und leer -- keine Helmspitze zu sehen. Da, wie mit einem Schlage, ändert
sich das Bild. Aus dein Markrölitzer Thal hinter uns tauchen Schützenlinien
auf. Diese gehen bis zu der vorderen Abdachung des Hügels vor und graben
sich daselbst ein. Zugleich fährt rechts davon eine lange Reihe Artillerie auf.
Jetzt wird es auch oben am Luftschiffe mobil. Batterie auf Batterie fährt vor, das
Konzert beginnt, und zwar mit einem energischen Augriffe auf die ebeu ein¬
genommene Position, deu linken Flügel der achten Division. Aber es fehlt
nicht an Reserven, die Stellung ist fest, und was ein Augriff auf einer glatten
geneigten Ebene gegen weittragendes Jnfcmteriefeuer bedeutet, haben ihrer Zeit
die Hannoveraner bei Mars-la-Tour zu erfahren gehabt. Das angreifende
26. Regiment gelangt bis in den Thalgrund, klammert sich daselbst an und sitzt
fest. Nun aber geht die achte Division ihrerseits zum Angriffe über, und zwar
von ihrem rechten Flügel aus, was niemand gedacht hätte. Wäre es der
Kavallerie gelungen, Einblick in den Aufmarsch des Gegners zu gewinnen, so
Hütte die siebente Division sich vorsehen können. Es hilft ihr nichts, ihre Ka¬
vallerie und Korpsartillerie auf den bedrohten Flügel zu werfe", die Kavallerie
wird geworfen, die Batterien jagen zurück, der Tag ist verloren. Das Manöver
hat kaum anderthalb Stunden gedauert und ein Resultat ergeben, das dem voraus¬
gesetzten entgegengesetzt ist.

Auch der vorherige Tag hatte interessante Überraschungen gebracht. Das
Philistertum witterte Unheil und "aalte" sich bereits in dem Gedanken, daß
etwas faul im Königreiche sei. Wir meinen aber, daß solche Resultate beweise",
daß wir tüchtige Generale haben, und daß unsre Manöver keine unfruchtbare"
Spiegelfechtereien sind. Es ist bei diesen Manövern enorm viel geknallt worden --
wenn das Eugen Richter wüßte! Wenn nun auch nicht von langer Hand her
jede Kompagnie, jede Batterie sich ihre Platzpatronen zum Manöver gespart
hätte, wenn diese Patronen auch nicht so schwach geladen gewesen wären, wie
es der Fall war, es wäre dennoch nicht verschwendetes Pulver gewesen, das
verkrallt wurde. Mag es jeder sehen, der will, was deutsches Schnellfeuer zu
besagen hat.


Aus den Thüringer Manövertagen.

ebensowenig ist von unserm Standpunkte auf der Höhe vor Markrölitz zu scheu,
was hinter dem Luftschiffe sich vorbereitet.

Da kommt ein Zug grüner Husaren, welche zur achten Division gehören,
über das Feld herangetrabt, reitet keck bis unmittelbar ans Luftschiff Hera»,
ja über dasselbe hinaus, und sieht sich in aller Gemütsruhe die Aufstellung der
siebenten Division an. Nun erst werden sie bemerkt und auf den Trab ge¬
bracht, aber es gelingt nicht, sie abzufangen. Jetzt erscheint das ganze Husaren-
regiment, dies und die Kürassiere der Gcgeudivisiou reiten auf der Ackerfläche
scheinbar zwecklos hin und her, nach rechts und nach links. „Was bedeutet
denn das?" frage ich einen mir bekannten Offizier. „Ich habe keine Ahnung."
Inzwischen geraten die Kürassiere immer weiter nach links, aber dort ist alles
still und leer — keine Helmspitze zu sehen. Da, wie mit einem Schlage, ändert
sich das Bild. Aus dein Markrölitzer Thal hinter uns tauchen Schützenlinien
auf. Diese gehen bis zu der vorderen Abdachung des Hügels vor und graben
sich daselbst ein. Zugleich fährt rechts davon eine lange Reihe Artillerie auf.
Jetzt wird es auch oben am Luftschiffe mobil. Batterie auf Batterie fährt vor, das
Konzert beginnt, und zwar mit einem energischen Augriffe auf die ebeu ein¬
genommene Position, deu linken Flügel der achten Division. Aber es fehlt
nicht an Reserven, die Stellung ist fest, und was ein Augriff auf einer glatten
geneigten Ebene gegen weittragendes Jnfcmteriefeuer bedeutet, haben ihrer Zeit
die Hannoveraner bei Mars-la-Tour zu erfahren gehabt. Das angreifende
26. Regiment gelangt bis in den Thalgrund, klammert sich daselbst an und sitzt
fest. Nun aber geht die achte Division ihrerseits zum Angriffe über, und zwar
von ihrem rechten Flügel aus, was niemand gedacht hätte. Wäre es der
Kavallerie gelungen, Einblick in den Aufmarsch des Gegners zu gewinnen, so
Hütte die siebente Division sich vorsehen können. Es hilft ihr nichts, ihre Ka¬
vallerie und Korpsartillerie auf den bedrohten Flügel zu werfe», die Kavallerie
wird geworfen, die Batterien jagen zurück, der Tag ist verloren. Das Manöver
hat kaum anderthalb Stunden gedauert und ein Resultat ergeben, das dem voraus¬
gesetzten entgegengesetzt ist.

Auch der vorherige Tag hatte interessante Überraschungen gebracht. Das
Philistertum witterte Unheil und „aalte" sich bereits in dem Gedanken, daß
etwas faul im Königreiche sei. Wir meinen aber, daß solche Resultate beweise»,
daß wir tüchtige Generale haben, und daß unsre Manöver keine unfruchtbare»
Spiegelfechtereien sind. Es ist bei diesen Manövern enorm viel geknallt worden —
wenn das Eugen Richter wüßte! Wenn nun auch nicht von langer Hand her
jede Kompagnie, jede Batterie sich ihre Platzpatronen zum Manöver gespart
hätte, wenn diese Patronen auch nicht so schwach geladen gewesen wären, wie
es der Fall war, es wäre dennoch nicht verschwendetes Pulver gewesen, das
verkrallt wurde. Mag es jeder sehen, der will, was deutsches Schnellfeuer zu
besagen hat.


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[0234] Aus den Thüringer Manövertagen. ebensowenig ist von unserm Standpunkte auf der Höhe vor Markrölitz zu scheu, was hinter dem Luftschiffe sich vorbereitet. Da kommt ein Zug grüner Husaren, welche zur achten Division gehören, über das Feld herangetrabt, reitet keck bis unmittelbar ans Luftschiff Hera», ja über dasselbe hinaus, und sieht sich in aller Gemütsruhe die Aufstellung der siebenten Division an. Nun erst werden sie bemerkt und auf den Trab ge¬ bracht, aber es gelingt nicht, sie abzufangen. Jetzt erscheint das ganze Husaren- regiment, dies und die Kürassiere der Gcgeudivisiou reiten auf der Ackerfläche scheinbar zwecklos hin und her, nach rechts und nach links. „Was bedeutet denn das?" frage ich einen mir bekannten Offizier. „Ich habe keine Ahnung." Inzwischen geraten die Kürassiere immer weiter nach links, aber dort ist alles still und leer — keine Helmspitze zu sehen. Da, wie mit einem Schlage, ändert sich das Bild. Aus dein Markrölitzer Thal hinter uns tauchen Schützenlinien auf. Diese gehen bis zu der vorderen Abdachung des Hügels vor und graben sich daselbst ein. Zugleich fährt rechts davon eine lange Reihe Artillerie auf. Jetzt wird es auch oben am Luftschiffe mobil. Batterie auf Batterie fährt vor, das Konzert beginnt, und zwar mit einem energischen Augriffe auf die ebeu ein¬ genommene Position, deu linken Flügel der achten Division. Aber es fehlt nicht an Reserven, die Stellung ist fest, und was ein Augriff auf einer glatten geneigten Ebene gegen weittragendes Jnfcmteriefeuer bedeutet, haben ihrer Zeit die Hannoveraner bei Mars-la-Tour zu erfahren gehabt. Das angreifende 26. Regiment gelangt bis in den Thalgrund, klammert sich daselbst an und sitzt fest. Nun aber geht die achte Division ihrerseits zum Angriffe über, und zwar von ihrem rechten Flügel aus, was niemand gedacht hätte. Wäre es der Kavallerie gelungen, Einblick in den Aufmarsch des Gegners zu gewinnen, so Hütte die siebente Division sich vorsehen können. Es hilft ihr nichts, ihre Ka¬ vallerie und Korpsartillerie auf den bedrohten Flügel zu werfe», die Kavallerie wird geworfen, die Batterien jagen zurück, der Tag ist verloren. Das Manöver hat kaum anderthalb Stunden gedauert und ein Resultat ergeben, das dem voraus¬ gesetzten entgegengesetzt ist. Auch der vorherige Tag hatte interessante Überraschungen gebracht. Das Philistertum witterte Unheil und „aalte" sich bereits in dem Gedanken, daß etwas faul im Königreiche sei. Wir meinen aber, daß solche Resultate beweise», daß wir tüchtige Generale haben, und daß unsre Manöver keine unfruchtbare» Spiegelfechtereien sind. Es ist bei diesen Manövern enorm viel geknallt worden — wenn das Eugen Richter wüßte! Wenn nun auch nicht von langer Hand her jede Kompagnie, jede Batterie sich ihre Platzpatronen zum Manöver gespart hätte, wenn diese Patronen auch nicht so schwach geladen gewesen wären, wie es der Fall war, es wäre dennoch nicht verschwendetes Pulver gewesen, das verkrallt wurde. Mag es jeder sehen, der will, was deutsches Schnellfeuer zu besagen hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/234>, abgerufen am 27.07.2024.