Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.Zur Vereinfachung des gegenwärtigen Strafvollzuges. suchung und Verurteilung, von denen namentlich erstere ^eine kaum glaubliche Höhe Indem wir diese Betrachtungen schließen, sind wir uns vollkommen bewußt, Zur Vereinfachung des gegenwärtigen Strafvollzuges. suchung und Verurteilung, von denen namentlich erstere ^eine kaum glaubliche Höhe Indem wir diese Betrachtungen schließen, sind wir uns vollkommen bewußt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0193" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154358"/> <fw type="header" place="top"> Zur Vereinfachung des gegenwärtigen Strafvollzuges.</fw><lb/> <p xml:id="ID_544" prev="#ID_543"> suchung und Verurteilung, von denen namentlich erstere ^eine kaum glaubliche Höhe<lb/> erreichen können. Unser Vorschlag geht dahin, für mehrfach Rückfällige — nehmen<lb/> wir das viertemal an —besondre Arbeitshäuser und Anstalten zu errichten, in<lb/> welchen sie für die fernere Dauer ihres Lebens für Rechnung der Gesellschaft möglichst<lb/> vorteilhaft zu beschäftigen sind. Man verwende solche Rückfällige zu öffentlichen<lb/> Arbeiten, zu Eisenbahn-, Straßen- und Kanalbauten, zur Entwässerung der Torf¬<lb/> moore, zur Bewässerung steriler Ödungen, zur Beforstung von Haiden u. dergl.<lb/> Man verpflege sie nicht wie Sträflinge, sondern wie Leute, die täglich angestrengt<lb/> arbeiten müssen, sehe aber von jeder erziehlichen oder sonstigen zweifelhaften<lb/> Maßregel ab. Man führe eine strenge, dem Zwecke angepaßte Disziplin ohne<lb/> grausame Härte ein; man lasse sie tüchtig schaffen, strafe aber Faulheit und<lb/> Widersetzlichkeit hart. Für Unterbringung derartiger Rückfälligen geniigen im<lb/> Sommer einfache Baracken oder transportable Zeltlager. Im Winter, solange er die<lb/> Arbeit im Freien unterbricht, bringe man sie in einfachen, kasernenmäßigen Ge¬<lb/> bäuden, leerstehenden Schlössern ze. unter und beschäftige sie mit sich darbie¬<lb/> tenden oder zu beschaffender gewöhnlichen Hausarbeiten, wie Holzmacher, groben<lb/> Schneider- und Schuhmacherarbeiten und sonst nach ihrer individuellen Fähig¬<lb/> keit. Man wende nicht ein, daß die sicherheitspolizeiliche Bewachung dieser Rück¬<lb/> fälligen, wenn sie im Freien arbeiten, Schwierigkeiten bereiten würde; erfahrungs¬<lb/> gemäß macht ein Rückfälliger nur selten den Versuch, zu entfliehen. Und wenn<lb/> auch wirklich ein einzelner eine Ausnahme machen sollte, so würde es ihm doch<lb/> sehr schwer werden, ohne jegliche Geldmittel und in der kennzeichnenden An¬<lb/> staltskleidung Fortkommen und Obdach zu finden. Die Franzosen helfen<lb/> sich derartigen Rückfälligen gegenüber mit Deportation. Allein die französischen<lb/> Erfahrungen sind keineswegs zur Nachahmung ermutigend, und Deutschland<lb/> hat noch so zahlreiche Gelegenheiten, derartige Leute zweckmäßig und lohnend<lb/> zu verwerten, daß es volkswirtschaftlich sicher falsch wäre, ihre Kräfte dem<lb/> Vaterlande zu entziehen, abgesehen von dem Umstände, daß wir zur Zeit über¬<lb/> seeische Kolonien noch nicht besitzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_545" next="#ID_546"> Indem wir diese Betrachtungen schließen, sind wir uns vollkommen bewußt,<lb/> daß uns von gewissen Seiten der Tadel der Grausamkeit oder wenigstens der<lb/> Inhumanität treffen wird. Allein die ernstesten, objektivster Reflexionen ver¬<lb/> anlaßten uns, mit unsern Vorschlägen an die Öffentlichkeit zu treten. Von der<lb/> Ansicht durchdrungen, daß der Staat nicht allein das Recht, sondern in noch<lb/> weit höherm Grade die Pflicht habe, nichts zu unterlassen, was zu seiner<lb/> Selbsterhaltung nötig ist, vermögen wir in unsern Betrachtungen weder Grau¬<lb/> samkeit noch Unerreichbares zu erblicken. Wir wünschen und hoffen, daß man<lb/> unsre Wünsche an maßgebender Stelle, wenn es sich darum handeln wird, ein<lb/> allgemeines Strafvollzugsgesetz einzuführen, nicht ganz unberücksichtigt lassen<lb/> möge, denn der Überzeugung kann sich kein denkender Mann verschließen, daß<lb/> irgend etwas geschehen muß, um die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0193]
Zur Vereinfachung des gegenwärtigen Strafvollzuges.
suchung und Verurteilung, von denen namentlich erstere ^eine kaum glaubliche Höhe
erreichen können. Unser Vorschlag geht dahin, für mehrfach Rückfällige — nehmen
wir das viertemal an —besondre Arbeitshäuser und Anstalten zu errichten, in
welchen sie für die fernere Dauer ihres Lebens für Rechnung der Gesellschaft möglichst
vorteilhaft zu beschäftigen sind. Man verwende solche Rückfällige zu öffentlichen
Arbeiten, zu Eisenbahn-, Straßen- und Kanalbauten, zur Entwässerung der Torf¬
moore, zur Bewässerung steriler Ödungen, zur Beforstung von Haiden u. dergl.
Man verpflege sie nicht wie Sträflinge, sondern wie Leute, die täglich angestrengt
arbeiten müssen, sehe aber von jeder erziehlichen oder sonstigen zweifelhaften
Maßregel ab. Man führe eine strenge, dem Zwecke angepaßte Disziplin ohne
grausame Härte ein; man lasse sie tüchtig schaffen, strafe aber Faulheit und
Widersetzlichkeit hart. Für Unterbringung derartiger Rückfälligen geniigen im
Sommer einfache Baracken oder transportable Zeltlager. Im Winter, solange er die
Arbeit im Freien unterbricht, bringe man sie in einfachen, kasernenmäßigen Ge¬
bäuden, leerstehenden Schlössern ze. unter und beschäftige sie mit sich darbie¬
tenden oder zu beschaffender gewöhnlichen Hausarbeiten, wie Holzmacher, groben
Schneider- und Schuhmacherarbeiten und sonst nach ihrer individuellen Fähig¬
keit. Man wende nicht ein, daß die sicherheitspolizeiliche Bewachung dieser Rück¬
fälligen, wenn sie im Freien arbeiten, Schwierigkeiten bereiten würde; erfahrungs¬
gemäß macht ein Rückfälliger nur selten den Versuch, zu entfliehen. Und wenn
auch wirklich ein einzelner eine Ausnahme machen sollte, so würde es ihm doch
sehr schwer werden, ohne jegliche Geldmittel und in der kennzeichnenden An¬
staltskleidung Fortkommen und Obdach zu finden. Die Franzosen helfen
sich derartigen Rückfälligen gegenüber mit Deportation. Allein die französischen
Erfahrungen sind keineswegs zur Nachahmung ermutigend, und Deutschland
hat noch so zahlreiche Gelegenheiten, derartige Leute zweckmäßig und lohnend
zu verwerten, daß es volkswirtschaftlich sicher falsch wäre, ihre Kräfte dem
Vaterlande zu entziehen, abgesehen von dem Umstände, daß wir zur Zeit über¬
seeische Kolonien noch nicht besitzen.
Indem wir diese Betrachtungen schließen, sind wir uns vollkommen bewußt,
daß uns von gewissen Seiten der Tadel der Grausamkeit oder wenigstens der
Inhumanität treffen wird. Allein die ernstesten, objektivster Reflexionen ver¬
anlaßten uns, mit unsern Vorschlägen an die Öffentlichkeit zu treten. Von der
Ansicht durchdrungen, daß der Staat nicht allein das Recht, sondern in noch
weit höherm Grade die Pflicht habe, nichts zu unterlassen, was zu seiner
Selbsterhaltung nötig ist, vermögen wir in unsern Betrachtungen weder Grau¬
samkeit noch Unerreichbares zu erblicken. Wir wünschen und hoffen, daß man
unsre Wünsche an maßgebender Stelle, wenn es sich darum handeln wird, ein
allgemeines Strafvollzugsgesetz einzuführen, nicht ganz unberücksichtigt lassen
möge, denn der Überzeugung kann sich kein denkender Mann verschließen, daß
irgend etwas geschehen muß, um die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |