Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.Line deutsch-nationale Verslehre. gießen," durch solche Benennungen erreichen will, ist uns unfaßbar. Es scheint, Auch sonst spielen die persönlichen Beziehungen des Verfassers eine Rolle Doch hiermit haben wir uns schon dem zweiten Bande des Beyerschen Doch es sei genug. Man wird vielleicht fragen, warum wir einem Werke, Line deutsch-nationale Verslehre. gießen," durch solche Benennungen erreichen will, ist uns unfaßbar. Es scheint, Auch sonst spielen die persönlichen Beziehungen des Verfassers eine Rolle Doch hiermit haben wir uns schon dem zweiten Bande des Beyerschen Doch es sei genug. Man wird vielleicht fragen, warum wir einem Werke, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0151" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154316"/> <fw type="header" place="top"> Line deutsch-nationale Verslehre.</fw><lb/> <p xml:id="ID_410" prev="#ID_409"> gießen," durch solche Benennungen erreichen will, ist uns unfaßbar. Es scheint,<lb/> daß er damit zum Teil guten Freunden und Freundinnen hat ein Denkmal<lb/> stiften wollen. Dieses gemütliche Privatvergnügen verträgt sich aber kaum mit<lb/> dem Ernste eines wissenschaftlichen Werkes, das von allgemeinerer Bedeutung<lb/> sein will.</p><lb/> <p xml:id="ID_411"> Auch sonst spielen die persönlichen Beziehungen des Verfassers eine Rolle<lb/> in seinem Buche. Man ist einigermaßen erstaunt, in den drei ausgehobenen<lb/> Mustern des Novellenstils neben Tieck und Heyse auch der Nvvellistin L. A.<lb/> Weinzierl mit einer wenig bemerkenswerten Gesprüchsszene zu begegnen. Und<lb/> dies Erstaunen verwandelt sich in Verstimmung, wenn man im Weiterlesen auf<lb/> die Lobeserhebungen stößt, mit denen die gewaltsam in dies Gespräch herein-<lb/> gczerrte Beyersche Rückertbiographie reichlich bedacht wird. Ein andrer in Herrn<lb/> Bcyers Stelle hätte aus L. A. Weinzierls Novelle — wenn sie es denn sein<lb/> mußte — klugerweise eher jede andre Szene ausgewählt als gerade diese.</p><lb/> <p xml:id="ID_412"> Doch hiermit haben wir uns schon dem zweiten Bande des Beyerschen<lb/> Werkes zugewandt, auf dessen Inhalt wir, da es uns zunächst um die etwas<lb/> neues in Aussicht stellende Metrik zu thun war, nicht näher eingehen wollen.<lb/> Nur soviel sei gesagt, daß wir auch hier denselben Mängeln begegnen wie im<lb/> ersten Bande, den schwankenden Begriffsvorstellungen und der unpräzisen Aus¬<lb/> drucksweise, den unsystematischen Einteilungen und verfehlten Einteilungsgründen<lb/> u. s. w. Namentlich herrscht ein unfruchtbarer Schematismus auch hier. Die<lb/> „mit Sorgfalt und Umsicht getroffene Anordnung" der Novellenarten ergiebt<lb/> fünfunddreißig Gruppen, darunter solche wie Musiker-, Elsässische, Frankfurter,<lb/> Weichselnovellen:c. Die ästhetischen Urteile sind oft sehr schief und im ganzen<lb/> wenig vertrauenerweckend. Bein: Drama hält Herr Veyer noch an der tragischen<lb/> Schuld und der poetischen Gerechtigkeit fest. Richard Wagners „Reform" feiert<lb/> er in überschwänglichen Worten, ohne sich in eine irgend wie befriedigende<lb/> Prüfung seines Kunstprinzips einzulassen. Manches ist geradezu unbegreiflich,<lb/> wie wenn als „Muster objektiver Zeitschilderuug" Bolandens „Canossa" und<lb/> Sander-Masochs „Die Ideale unsrer Zeit" aufgeführt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_413" next="#ID_414"> Doch es sei genug. Man wird vielleicht fragen, warum wir einem Werke,<lb/> das wir so ungünstig beurteilen, doch eine so ausführliche Besprechung zuteil<lb/> werden lassen. Aber der Verfasser hat keine geringe Meinung von sich selber.<lb/> Er spricht von seinem „für unsre ganze Kultur bedeutungsvollen Unternehmen"<lb/> und glaubt, „daß kaum eine Seite in diesem Werke sich finden dürfte, welche<lb/> nicht Neues, Interessantes, literarhistorisch Wertvolles böte." Da muß mau<lb/> doch glauben, einem Werke von der epochemachenden Bedeutung etwa des<lb/> Lessingschen „Laokoon" oder der Wiuckelmannschen Kunstgeschichte gegenüber¬<lb/> zustehen. Zudem liegt dem zweiten Bande in üblicher Weise ein Doppelblatt<lb/> bei, das mit einer ganzen Reihe von Rezensionen verschiedener Journale gefüllt<lb/> ist, in denen das „meisterhafte," „eine neue Ära bildende" Werk bis in den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0151]
Line deutsch-nationale Verslehre.
gießen," durch solche Benennungen erreichen will, ist uns unfaßbar. Es scheint,
daß er damit zum Teil guten Freunden und Freundinnen hat ein Denkmal
stiften wollen. Dieses gemütliche Privatvergnügen verträgt sich aber kaum mit
dem Ernste eines wissenschaftlichen Werkes, das von allgemeinerer Bedeutung
sein will.
Auch sonst spielen die persönlichen Beziehungen des Verfassers eine Rolle
in seinem Buche. Man ist einigermaßen erstaunt, in den drei ausgehobenen
Mustern des Novellenstils neben Tieck und Heyse auch der Nvvellistin L. A.
Weinzierl mit einer wenig bemerkenswerten Gesprüchsszene zu begegnen. Und
dies Erstaunen verwandelt sich in Verstimmung, wenn man im Weiterlesen auf
die Lobeserhebungen stößt, mit denen die gewaltsam in dies Gespräch herein-
gczerrte Beyersche Rückertbiographie reichlich bedacht wird. Ein andrer in Herrn
Bcyers Stelle hätte aus L. A. Weinzierls Novelle — wenn sie es denn sein
mußte — klugerweise eher jede andre Szene ausgewählt als gerade diese.
Doch hiermit haben wir uns schon dem zweiten Bande des Beyerschen
Werkes zugewandt, auf dessen Inhalt wir, da es uns zunächst um die etwas
neues in Aussicht stellende Metrik zu thun war, nicht näher eingehen wollen.
Nur soviel sei gesagt, daß wir auch hier denselben Mängeln begegnen wie im
ersten Bande, den schwankenden Begriffsvorstellungen und der unpräzisen Aus¬
drucksweise, den unsystematischen Einteilungen und verfehlten Einteilungsgründen
u. s. w. Namentlich herrscht ein unfruchtbarer Schematismus auch hier. Die
„mit Sorgfalt und Umsicht getroffene Anordnung" der Novellenarten ergiebt
fünfunddreißig Gruppen, darunter solche wie Musiker-, Elsässische, Frankfurter,
Weichselnovellen:c. Die ästhetischen Urteile sind oft sehr schief und im ganzen
wenig vertrauenerweckend. Bein: Drama hält Herr Veyer noch an der tragischen
Schuld und der poetischen Gerechtigkeit fest. Richard Wagners „Reform" feiert
er in überschwänglichen Worten, ohne sich in eine irgend wie befriedigende
Prüfung seines Kunstprinzips einzulassen. Manches ist geradezu unbegreiflich,
wie wenn als „Muster objektiver Zeitschilderuug" Bolandens „Canossa" und
Sander-Masochs „Die Ideale unsrer Zeit" aufgeführt werden.
Doch es sei genug. Man wird vielleicht fragen, warum wir einem Werke,
das wir so ungünstig beurteilen, doch eine so ausführliche Besprechung zuteil
werden lassen. Aber der Verfasser hat keine geringe Meinung von sich selber.
Er spricht von seinem „für unsre ganze Kultur bedeutungsvollen Unternehmen"
und glaubt, „daß kaum eine Seite in diesem Werke sich finden dürfte, welche
nicht Neues, Interessantes, literarhistorisch Wertvolles böte." Da muß mau
doch glauben, einem Werke von der epochemachenden Bedeutung etwa des
Lessingschen „Laokoon" oder der Wiuckelmannschen Kunstgeschichte gegenüber¬
zustehen. Zudem liegt dem zweiten Bande in üblicher Weise ein Doppelblatt
bei, das mit einer ganzen Reihe von Rezensionen verschiedener Journale gefüllt
ist, in denen das „meisterhafte," „eine neue Ära bildende" Werk bis in den
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