Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Francosca von Rimini.

Schwächeren durch den Starken, indem sie dessen Übermacht als größere In¬
telligenz anerkennt und ehrt. An dem gedachten Ultimo sprach man an der
Börse nur noch von Markus Geneff, er war ein gemachter Mann, ein gewiegter
Spekulant geworden. Sein Gegner, Inhaber einer seit länger als einem halbe"
Jahrhundert bestehenden Firma, suchte mit dem Emporkömmling zu Pallirer;
andre große Firmen traten als Vermittler dazwischen, aber vergebens, Frau
Bertha wollte einen vollen Triumph ihrer Rache, und so endete diese Ange-
legenheit nicht nur mit dem gänzlichen Zusammenbruch jener Firma, sondern
auch mit dem Selbstmord des Inhabers. Der Untergang seines Hauses war
der Aufgang des Hauses Geneff.

In das mit vielem Kunstsinn erbaute Haus, welches die vernichtete Firma
in der Tiergartenstraße besaß, bezog als Eigentümerin Frau Bertha die Bel-
etage. Aus den Lepkcschen Knnstauktionen war bald ein buntes Mobiliar herbei¬
geschafft, welches in einem Raume oft den Geschmack von verschiedene" Nationen
vereinigte und einen Abriß der Geschichte des Kunstgewerbes von Peter Bischer
bis zu den Hvftapezicrern Hiltl und Berimn zeigte. Was aber von nicht zu
unterschätzender Bedeutung war, das am Hause angebrachte kleine Schild ent¬
hielt die Firma! Max Gensve. Letztgedachte Umwandlung wurde Frau Bertha
nicht ganz leicht; sie war gleich auf das Große gegangen und hatte gewünscht,
daß ihr Maun deu Namen Maximilian annähme. Allein das setzte sie nicht
dnrch; ihr Ehemann war abergläubisch und an sich jeder Veränderung des ihm
überkommenen Namens abgeneigt; erst durch unausgesetztes Zurede" brachte sie
ihn zur Annahme des Vornamens Max, indem sie nachwies, daß derselbe doch
nur eine Verkürzung von Markus sei und der letzte Name entschieden der zu¬
künftigen Laufbahn ihres Sohnes Martin Abbruch thun würde. Gegen die
Umbildung des Familiennamens machte der Mann viel weniger Einwendungen,
da ihm diese nur als eine orthographische Operation hingestellt wurde und er
es mit dieser Kunst nicht genau nahm. Nur an den ^.vesrit Arg,of wollte sich
der neue Max nicht recht gewöhnen, und Fran Bertha sah monatelang jede
Unterschrift ihres Mannes nach, um den fehlenden Accent zu ergänzen, bis auch
auf diesem Gebiete ihre Unermüdlichkeit den Sieg davontrug.

Kaum bewohnte das Paar drei Monate sein neues Palais, als Frau
Bertha eines Mädchens genas, das als "Pnrpnrgeborene" mit der höchsten
Freude empfangen wurde. Wäre es ein Knabe gewesen, so Hütte es sicherlich
einen Thronfolgestreit gegeben, wie er dereinst die asiatisch-griechische Welt
zwischen Artaxerxes und dem jünger" Kyros in Bewegung gesetzt hatte -- ein
Streit, bei welchem Martin sein Erstgeburtsrecht schwerlich hätte behaupten
können. Diesem Konflikt war das neugeborene Kind durch die vorsichtige Wahl
seines Geschlechts glücklich aus dem Wege gegange". Einige Schwierigkeit machte
die Namengebung. Der Vater wollte das Kind zum Andenken an seine ver¬
storbene Mutter Esther nennen; die Gattin verabscheute natürlich diesen Namen


Francosca von Rimini.

Schwächeren durch den Starken, indem sie dessen Übermacht als größere In¬
telligenz anerkennt und ehrt. An dem gedachten Ultimo sprach man an der
Börse nur noch von Markus Geneff, er war ein gemachter Mann, ein gewiegter
Spekulant geworden. Sein Gegner, Inhaber einer seit länger als einem halbe»
Jahrhundert bestehenden Firma, suchte mit dem Emporkömmling zu Pallirer;
andre große Firmen traten als Vermittler dazwischen, aber vergebens, Frau
Bertha wollte einen vollen Triumph ihrer Rache, und so endete diese Ange-
legenheit nicht nur mit dem gänzlichen Zusammenbruch jener Firma, sondern
auch mit dem Selbstmord des Inhabers. Der Untergang seines Hauses war
der Aufgang des Hauses Geneff.

In das mit vielem Kunstsinn erbaute Haus, welches die vernichtete Firma
in der Tiergartenstraße besaß, bezog als Eigentümerin Frau Bertha die Bel-
etage. Aus den Lepkcschen Knnstauktionen war bald ein buntes Mobiliar herbei¬
geschafft, welches in einem Raume oft den Geschmack von verschiedene« Nationen
vereinigte und einen Abriß der Geschichte des Kunstgewerbes von Peter Bischer
bis zu den Hvftapezicrern Hiltl und Berimn zeigte. Was aber von nicht zu
unterschätzender Bedeutung war, das am Hause angebrachte kleine Schild ent¬
hielt die Firma! Max Gensve. Letztgedachte Umwandlung wurde Frau Bertha
nicht ganz leicht; sie war gleich auf das Große gegangen und hatte gewünscht,
daß ihr Maun deu Namen Maximilian annähme. Allein das setzte sie nicht
dnrch; ihr Ehemann war abergläubisch und an sich jeder Veränderung des ihm
überkommenen Namens abgeneigt; erst durch unausgesetztes Zurede» brachte sie
ihn zur Annahme des Vornamens Max, indem sie nachwies, daß derselbe doch
nur eine Verkürzung von Markus sei und der letzte Name entschieden der zu¬
künftigen Laufbahn ihres Sohnes Martin Abbruch thun würde. Gegen die
Umbildung des Familiennamens machte der Mann viel weniger Einwendungen,
da ihm diese nur als eine orthographische Operation hingestellt wurde und er
es mit dieser Kunst nicht genau nahm. Nur an den ^.vesrit Arg,of wollte sich
der neue Max nicht recht gewöhnen, und Fran Bertha sah monatelang jede
Unterschrift ihres Mannes nach, um den fehlenden Accent zu ergänzen, bis auch
auf diesem Gebiete ihre Unermüdlichkeit den Sieg davontrug.

Kaum bewohnte das Paar drei Monate sein neues Palais, als Frau
Bertha eines Mädchens genas, das als „Pnrpnrgeborene" mit der höchsten
Freude empfangen wurde. Wäre es ein Knabe gewesen, so Hütte es sicherlich
einen Thronfolgestreit gegeben, wie er dereinst die asiatisch-griechische Welt
zwischen Artaxerxes und dem jünger» Kyros in Bewegung gesetzt hatte — ein
Streit, bei welchem Martin sein Erstgeburtsrecht schwerlich hätte behaupten
können. Diesem Konflikt war das neugeborene Kind durch die vorsichtige Wahl
seines Geschlechts glücklich aus dem Wege gegange». Einige Schwierigkeit machte
die Namengebung. Der Vater wollte das Kind zum Andenken an seine ver¬
storbene Mutter Esther nennen; die Gattin verabscheute natürlich diesen Namen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154281"/>
          <fw type="header" place="top"> Francosca von Rimini.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_304" prev="#ID_303"> Schwächeren durch den Starken, indem sie dessen Übermacht als größere In¬<lb/>
telligenz anerkennt und ehrt. An dem gedachten Ultimo sprach man an der<lb/>
Börse nur noch von Markus Geneff, er war ein gemachter Mann, ein gewiegter<lb/>
Spekulant geworden. Sein Gegner, Inhaber einer seit länger als einem halbe»<lb/>
Jahrhundert bestehenden Firma, suchte mit dem Emporkömmling zu Pallirer;<lb/>
andre große Firmen traten als Vermittler dazwischen, aber vergebens, Frau<lb/>
Bertha wollte einen vollen Triumph ihrer Rache, und so endete diese Ange-<lb/>
legenheit nicht nur mit dem gänzlichen Zusammenbruch jener Firma, sondern<lb/>
auch mit dem Selbstmord des Inhabers. Der Untergang seines Hauses war<lb/>
der Aufgang des Hauses Geneff.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_305"> In das mit vielem Kunstsinn erbaute Haus, welches die vernichtete Firma<lb/>
in der Tiergartenstraße besaß, bezog als Eigentümerin Frau Bertha die Bel-<lb/>
etage. Aus den Lepkcschen Knnstauktionen war bald ein buntes Mobiliar herbei¬<lb/>
geschafft, welches in einem Raume oft den Geschmack von verschiedene« Nationen<lb/>
vereinigte und einen Abriß der Geschichte des Kunstgewerbes von Peter Bischer<lb/>
bis zu den Hvftapezicrern Hiltl und Berimn zeigte. Was aber von nicht zu<lb/>
unterschätzender Bedeutung war, das am Hause angebrachte kleine Schild ent¬<lb/>
hielt die Firma! Max Gensve. Letztgedachte Umwandlung wurde Frau Bertha<lb/>
nicht ganz leicht; sie war gleich auf das Große gegangen und hatte gewünscht,<lb/>
daß ihr Maun deu Namen Maximilian annähme. Allein das setzte sie nicht<lb/>
dnrch; ihr Ehemann war abergläubisch und an sich jeder Veränderung des ihm<lb/>
überkommenen Namens abgeneigt; erst durch unausgesetztes Zurede» brachte sie<lb/>
ihn zur Annahme des Vornamens Max, indem sie nachwies, daß derselbe doch<lb/>
nur eine Verkürzung von Markus sei und der letzte Name entschieden der zu¬<lb/>
künftigen Laufbahn ihres Sohnes Martin Abbruch thun würde. Gegen die<lb/>
Umbildung des Familiennamens machte der Mann viel weniger Einwendungen,<lb/>
da ihm diese nur als eine orthographische Operation hingestellt wurde und er<lb/>
es mit dieser Kunst nicht genau nahm. Nur an den ^.vesrit Arg,of wollte sich<lb/>
der neue Max nicht recht gewöhnen, und Fran Bertha sah monatelang jede<lb/>
Unterschrift ihres Mannes nach, um den fehlenden Accent zu ergänzen, bis auch<lb/>
auf diesem Gebiete ihre Unermüdlichkeit den Sieg davontrug.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_306" next="#ID_307"> Kaum bewohnte das Paar drei Monate sein neues Palais, als Frau<lb/>
Bertha eines Mädchens genas, das als &#x201E;Pnrpnrgeborene" mit der höchsten<lb/>
Freude empfangen wurde. Wäre es ein Knabe gewesen, so Hütte es sicherlich<lb/>
einen Thronfolgestreit gegeben, wie er dereinst die asiatisch-griechische Welt<lb/>
zwischen Artaxerxes und dem jünger» Kyros in Bewegung gesetzt hatte &#x2014; ein<lb/>
Streit, bei welchem Martin sein Erstgeburtsrecht schwerlich hätte behaupten<lb/>
können. Diesem Konflikt war das neugeborene Kind durch die vorsichtige Wahl<lb/>
seines Geschlechts glücklich aus dem Wege gegange». Einige Schwierigkeit machte<lb/>
die Namengebung. Der Vater wollte das Kind zum Andenken an seine ver¬<lb/>
storbene Mutter Esther nennen; die Gattin verabscheute natürlich diesen Namen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0116] Francosca von Rimini. Schwächeren durch den Starken, indem sie dessen Übermacht als größere In¬ telligenz anerkennt und ehrt. An dem gedachten Ultimo sprach man an der Börse nur noch von Markus Geneff, er war ein gemachter Mann, ein gewiegter Spekulant geworden. Sein Gegner, Inhaber einer seit länger als einem halbe» Jahrhundert bestehenden Firma, suchte mit dem Emporkömmling zu Pallirer; andre große Firmen traten als Vermittler dazwischen, aber vergebens, Frau Bertha wollte einen vollen Triumph ihrer Rache, und so endete diese Ange- legenheit nicht nur mit dem gänzlichen Zusammenbruch jener Firma, sondern auch mit dem Selbstmord des Inhabers. Der Untergang seines Hauses war der Aufgang des Hauses Geneff. In das mit vielem Kunstsinn erbaute Haus, welches die vernichtete Firma in der Tiergartenstraße besaß, bezog als Eigentümerin Frau Bertha die Bel- etage. Aus den Lepkcschen Knnstauktionen war bald ein buntes Mobiliar herbei¬ geschafft, welches in einem Raume oft den Geschmack von verschiedene« Nationen vereinigte und einen Abriß der Geschichte des Kunstgewerbes von Peter Bischer bis zu den Hvftapezicrern Hiltl und Berimn zeigte. Was aber von nicht zu unterschätzender Bedeutung war, das am Hause angebrachte kleine Schild ent¬ hielt die Firma! Max Gensve. Letztgedachte Umwandlung wurde Frau Bertha nicht ganz leicht; sie war gleich auf das Große gegangen und hatte gewünscht, daß ihr Maun deu Namen Maximilian annähme. Allein das setzte sie nicht dnrch; ihr Ehemann war abergläubisch und an sich jeder Veränderung des ihm überkommenen Namens abgeneigt; erst durch unausgesetztes Zurede» brachte sie ihn zur Annahme des Vornamens Max, indem sie nachwies, daß derselbe doch nur eine Verkürzung von Markus sei und der letzte Name entschieden der zu¬ künftigen Laufbahn ihres Sohnes Martin Abbruch thun würde. Gegen die Umbildung des Familiennamens machte der Mann viel weniger Einwendungen, da ihm diese nur als eine orthographische Operation hingestellt wurde und er es mit dieser Kunst nicht genau nahm. Nur an den ^.vesrit Arg,of wollte sich der neue Max nicht recht gewöhnen, und Fran Bertha sah monatelang jede Unterschrift ihres Mannes nach, um den fehlenden Accent zu ergänzen, bis auch auf diesem Gebiete ihre Unermüdlichkeit den Sieg davontrug. Kaum bewohnte das Paar drei Monate sein neues Palais, als Frau Bertha eines Mädchens genas, das als „Pnrpnrgeborene" mit der höchsten Freude empfangen wurde. Wäre es ein Knabe gewesen, so Hütte es sicherlich einen Thronfolgestreit gegeben, wie er dereinst die asiatisch-griechische Welt zwischen Artaxerxes und dem jünger» Kyros in Bewegung gesetzt hatte — ein Streit, bei welchem Martin sein Erstgeburtsrecht schwerlich hätte behaupten können. Diesem Konflikt war das neugeborene Kind durch die vorsichtige Wahl seines Geschlechts glücklich aus dem Wege gegange». Einige Schwierigkeit machte die Namengebung. Der Vater wollte das Kind zum Andenken an seine ver¬ storbene Mutter Esther nennen; die Gattin verabscheute natürlich diesen Namen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/116
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/116>, abgerufen am 01.09.2024.